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6. August 2023 - St. Peter, Sinzig
1. Ignatianisches "magis"
"magis" ist eines der Kern-Worte der ignatianischen Spiritualität. Ignatius von Loyola hatte aus seiner eigenen Erfahrung, wie Gott ihn – wie er sagte – in die Schule genommen hat, Übungen entwickelt, die Exerzitien. Sie sollen dabei helfen, das eigene Leben besser in den Blick zu nehmen, mit Gott vertraut zu werden und so dem auf die Spur zu kommen, wohin Gott mich ganz persönlich berufen will.
Wir verwenden lieber das lateinische Wort "magis", als die deutsche Übersetzung "mehr" (mit "h"). Denn "magis" meint hier nicht das übliche "mehr": schneller, größer, überlegener, bessere Noten, Erste oder erster sein. Das muss alles nicht immer falsch sein, aber das ist nicht, worum es auf dem geistlichen Weg geht.
Ich formuliere das "magis" vielmehr gerne so: mehr von dem, was zählt. "magis" fragt: was führt zu mehr vertrauendem Glauben, zu mehr Hoffnung, zu mehr Liebe. Was gibt den Dingen mehr Geschmack, was gibt dem, worum wir uns bemühen den Sinn, zu dem wir "ja" sagen können? Das meint das ignatianische "magis".
2. Verklärung
Es gibt ein eigenes Fest im Kirchenjahr zu dem Evangelium von heute. Das zeigt, wie wichtig die Erinnerung genau an diese Begebenheit für unseren Glauben ist. Dieser kurze Augenblick auf dem Weg, als Petrus, Jakobus und Johannes die ganze Herrlichkeit Gottes in Jesus gesehen haben, war schon für die ersten Christen so bedeutsam, dass alle drei synoptischen Evangelien davon berichten.
Drei Jünger werden mit auf den Berg genommen, um das "mehr" bei Jesus zu sehen. Das Fest heißt auf deutsch "Verklärung des Herrn", lateinisch " transfiguratio Domini". Der Freund und Lehrer Jesus, den sie kennen, wird erkennbar als Gegenwart Gottes, Er ist "Gottes Sohn".
Die drei Jünger sehen das "magis" – Jesus ist mehr als nur ein Mensch. Aber so, wie sie ihre Erfahrung weitergegeben haben war ihnen wichtig deutlich zu machen, dass das "Mensch-Sein" Jesu nicht abwertet: verklärt ist der Mensch Jesus – als Mensch ist er Gegenwart Gottes. In den Exerzitien hilft das "magis" auszubrechen aus der binären Logik, die eine Entscheidung sei für, die andere wider Gott. Statt dessen setzt Ignatius die Dynamik des "mehr". Eine "Mystik des magis" bricht aus aus der Logik des Entweder-Oder und sieht das "mehr" in allen Dingen.
Ganz klar: Mit den Aposteln glauben wir, dass Jesus ganz Mensch ist und gerade darin Gott uns begegnet. Das magis bedeutet also nicht, dass Jesus sein Menschsein irgendwie ablegt, aus der Larve schlüpft und zum Schmetterling wird. Nein: Der Mensch Jesus ist nach biblischen Zeugnis Ort der Gottesgegenwart. Damit erinnert uns das Fest zugleich daran, dass nach der Bibel alle Menschen nach dem Bild Gottes geschaffen sind.
3. "magis" leben
"Magis" als spiritueller Weg bedeutet daher, dass ich als Christ nicht etwas anderes sehe, als andere Menschen. Es bedeutet vielmehr, dass ich mich darin übe, in dem Menschen, den ich sehe, den Gott zu sehen, nach dessen Antlitz sie oder er geschaffen ist. Und ich übe mich darin in jeder Begegnung zu fragen, wie ich darin Christus mehr nachfolgen kann.
"Magis" findet daher in jeder Begegnung statt, mit Mitschüler(innen), mit Lehrer(innen), mit allen Menschen. Wir verstehen das "magis" am Besten, wenn wir die Menschen sehen, die anderen klein und unbedeutend vorkommen. In der Schule Gottes – in die uns Ignatius mitnimmt - sehen wir das "magis".
Von den Menschen her gilt das "magis" für alle Dinge. In der Bedeutung von Erfahrungen, guten und schlechten, beiläufigen und schweren, Gelingen und Scheitern kann ich mehr sehen, als was sie im ersten Augenblick zu sein scheinen. Alles ist noch einmal "magis"/"mehr", denn alles kann mich zu mehr Vertrauen, mehr Hoffen, mehr Liebe führen. Dazu die Grundhaltung des Ignatius: in allen Dingen Gott suchen und finden.