Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2010 (Johannes)
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5. Mai 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Herrlichkeit des Menschensohnes
- Es gibt Augenblicke unbeschreiblicher Schönheit. Als erstes fällt einem dabei wahrscheinlich
ein Naturerlebnis ein, vielleicht aber auch ein anderer Mensch, den anzuschauen einfach schön
ist. Da schon aber ist es so, dass die Schönheit eines Menschen auch damit zu tun hat, wie ich
sie oder ihn sehe - was ich in ihr oder ihm sehe. Wenn ich mich auf eine Beziehung einlasse,
kann ich mehr sehen als nur die Oberfläche.
- "Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht. Wenn Gott in ihm
verherrlicht ist, wird auch Gott ihn in sich verherrlichen." Mit diesem merkwürdigen Satzgebilde beginnt Jesus eine lange Rede im Abendmahlsaal zum Abschied an seine Jünger. Gott
verherrlicht sich in einem Menschen. Diese Herrlichkeit, die auf Erden aufstrahlt in einem
Menschen, stammt von Gott. Diese Herrlichkeit des Menschensohnes will "Gott in sich"
aufnehmen - sie gehört zu der Weise, wie Gottes Herrlichkeit ist.
- Herrlichkeit ist noch einmal mehr und anderes als Schönheit. Herrlichkeit ist etwas Strahlendes.
Wenn ich Herrlichkeit erlebe, kann mich das verwandeln: als wäre ich bislang nur zweidimensional gewesen, erlebe und lebe ich in 3D, wenn ich die Herrlichkeit berühre. Ich würde am
Liebsten noch mal ein eigenes Wort für das haben, was im griechischen Evangelium "doxa"
heißt. Eigentlich aber ist Herrlichkeit so überirdisch, dass wir in Wörtern da nicht rankommen.
Die Bibel aber legt umgekehrt Zeugnis davon ab, dass dieser überirdische Glanz unsere Welt
berührt, dass die Herrlichkeit Gottes vor seinem Volk durch die Wüste zieht und inmitten
seines Volkes Mensch geworden ist. Was sonst keiner sehen könnte, ohne zu erblinden, ist
sichtbar geworden.
2. Abglanz
- Die Heilige Messe ist Abglanz der Herrlichkeit Gottes. Wie Gottes Herrlichkeit in Jesus
Christus, dem Menschensohn, sichtbar geworden ist, so kann die Versammlung des Herrn - die
Kirche - diese Herrlichkeit für uns sichtbar machen. Dabei sind zwei Punkte klar. Erstens geht
es immer um Gottes Herrlichkeit; alles, was wir feiern und darstellen kann nur von Gott her
Glanz haben. Daher ist der Höhepunkt der Messe ganz schlicht und still, das einfache Brot, in
dem Christus gegenwärtig ist. Zweitens sind wir als Kirche die Versammlung der Sünder;
deswegen beginnen wir den Gottesdienst mit einem Schuldbekenntnis, weil Gottes Herrlichkeit
nicht in unserer Makellosigkeit zum Ausdruck kommt, sondern in Gottes erbarmender Liebe.
- Wie aber kann eine Versammlung von Menschen Gottes Herrlichkeit zum Ausdruck bringen?
Vielleicht wäre am ehesten ein feierliches Hochamt im Petersdom zu Rom geeignet? In der Tat
kann das Erlebnis dort überwältigend sein, und ist ein Besuch dort empfehlenswert. Unsere
Messe hier ist da vergleichsweise bescheiden und wir können uns nur Mühe geben, sie gut zu
gestalten, damit wenigstens eine Ahnung dieser Herrlichkeit zum Ausdruck kommt.
- Eine Heilige Messe kann aber auch in einer Wellblechhütte gefeiert werden. Heilige Messen
wurden in Gefängniszellen gefeiert. Diese Spannung erst - vom Petersdom zur Gefängniszelle -
zeigt, dass es immer Gott ist, von dem die Herrlichkeit kommt. Wir können und dürfen alle
Kreativität und Kunst zur Gestaltung unserer Messe auf den Glanz verwenden. Der Dienst der
Messdiener - heute werden neue Ministranten in ihren Dienst eingeführt - ist dabei ganz
wichtig. Aber all das kann nur verweisen auf den Ursprung der Herrlichkeit.
3. Liebe
- Das heutige Evangelium wäre nicht vollständig ohne die zweite Hälfte: "Ein neues Gebot gebe
ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. Daran
werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt." Wenn wir uns als
Kirche - Versammlung des Herrn - in prunkvollen Gottesdiensten erschöpften, dann wäre
nichts von dem sichtbar, worauf Gottes Herrlichkeit unter den Menschen zielt. Jeder christliche
Gottesdienst muss mit dem Respekt beginnen, den wir vor allen haben, die Gott durch die
Taufe in die Kirche berufen hat und die nun neben uns stehen oder knien. Jeder christliche
Gottesdienst hat den Respekt vor jedem Menschen zum Ziel - jeder kann uns Nächster sein -,
der Respekt, der Kennzeichen von Menschen sein soll, die sich Christen nennen.
- Reicht es dann nicht zu lieben? Natürlich, würde man sagen. Die Frage aber ist, wie wir in
diese Liebe geführt werden. Die calvinistische Reformation im 16. Jahrhunderts hat alles aus
den Gotteshäusern und Gottesdiensten entfernt, was nach Glanz und Herrlichkeit aussieht. Statt
dessen hat Calvin in Genf eine strenge Sozialordnung eingeführt. Man kann das noch heute in
der niederländischen Variante des Calvinismus sehen, wenn auf den Dörfern große Fenster
ohne Vorhänge in die Häuser gebaut werden, damit der vorbildliche Lebenswandel der
christlichen Familie für jeden, der vorbeigeht, sichtbar (und kontrollierbar) werde. Aber dieses
rigoros moralische Christentum hat etwas Unmenschliches. Auch in manchen reformierten
Kirchen hat deswegen heute Farbe und haben Kerzen Eingang gefunden.
- Denn es ist nicht unsere Leistung, es ist Gottes Geschenk, wenn in dem Gottesdienst etwas von
der Herrlichkeit Gottes erlebbar wird, die die Liebe zum Ziel hat. Dies ist der Weg, den Gott
gegangen ist: Seine Herrlichkeit ist unter uns Menschen erschienen, um uns zu berühren und zu
verwandeln und hinzuführen zu der Liebe, die das Wesen Gottes und das Ziel unseres Lebens
ist. Amen.