Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2006 (Dan Brown DaVinci-Code)

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14. Mai 2006 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt

In der kommende Woche kommt die Verfilmung von Dan Browns Erfolgsroman "The Da Vinci Code" - "Sakrileg" ins Kino. Diese Predigt nimmt die inhaltliche Herausforderung der skurilen Mischung aus überaus spannendem Mystery-Roman und teilweise absurden theologischen und historischen Thesen auf und versucht, zwei oder drei zentrale Punkte inhaltlich vom Evangelium her geradezustellen. Die Predigt nimmt ausschließlich auf dem Roman Bezug.
Die KHG Frankfurt/M. bietet an, am 20. Mai den Film gemeinsam zu sehen mit anschließender Diskussion.

1. Was Jesus will

  • Was will Jesus Christus? Was will ich? Und hat das etwas mit einander zu tun? Und schließlich ist es keine Rhetorik zu fragen, wer von uns beiden, Christus oder ich, - sagen wir ruhig auch: Gott oder ich - in dieser Beziehung die Maßstäbe setzt. Schließlich bin ich nicht Gott - und das ist ziemlich sicher gut so.
  • Man könnte von hier aus schnell auf Gottes Gebote kommen. Nicht, weil ich sie mir aussuche, haben sie Gültigkeit. Aber von Geboten steht im heutigen Evangelium nichts. In den Evangelien spielen sie überhaupt nur eine nachgeordnete Rolle. Im Vordergrund der ganzen Botschaft des Neuen Testamentes stehen nicht Gebote, sondern die Einladung zur Gemeinschaft mit Gott. Diese Gemeinschaft mit Gott bietet uns Christus an, der von Gott gekommen ist. Daher lautet die einzige Aufforderung in dem gesamten Abschnitt des heutigen Evangeliums: "Bleibt in mir". Das ist nicht irgendein Gebot, sondern Einladung zur Gemeinschaft.
  • Christus sucht nicht das gesellige Beisammensein. In der Bildrede vom Weinstock versucht das Evangelium den Zusammenhang deutlich zu machen. In Christus zu bleiben ist die Voraussetzung, um das Leben zu haben, das Frucht bringt, wie auch der Rebzweig außerhalb des Weinstocks verdorrt. Außerhalb von Christus werden wir die "Frucht" nicht bringen können, in ihm haben wir "reiche Frucht".

2. Die Botschaft wird weitergegeben

  • Das alles kann "spirituell" verstanden werden. Es ist aber mit Sicherheit nicht rein spirituell gemeint. Nicht umsonst spricht die Bildrede im Plural von den Rebzweigen. Denn in der von Christi Liebe geprägten Gemeinschaft der Christen unter einander besteht die Frucht. Die Frucht ist die Kirche, nicht als Baukörper, nicht als Institution oder Hierarchie, sondern als Gemeinschaft der Getauften, die sich durch Jesu Wort haben reinigen lassen.
  • Dieses Wort ist Fleisch geworden. Dieses Wort ist die Botschaft Jesu. Dieses Wort ist nicht eine Ansammlung von Wörtern, sondern die authentisch weiter gegebene Botschaft Jesu. Wer diese Botschaft in sich aufnimmt und durch sein Tun und Sprechen, sein "Lebenszeugnis" also, weiter gibt, der ist es, der Frucht bringt. Insofern hängt alles am Wort und an dem Glauben, in dem es aufgenommen wird. Wir können "das Wort" Jesu hören, weil es uns überliefert wurde. Nach der Glaubwürdigkeit dieser Tradierung zu fragen, ist legitim, ja notwendig. Unhaltbaren Theorien und Spekulationen über Jesus zu widersprechen aber auch.
  • Die Tradition des Zeugnisses ist verlässlich. Hundert Jahre historisch-kritischer Forschung von Wissenschaftlern aus allen Kirchen flankiert von anderen Wissenschaften haben im Kern, um den es hier geht, einen Konsens erarbeitet.
    • Die ersten Zeugen des Lebens und Todes Jesu und der Erfahrungen des Auferstandenen haben in den vier Jahrzehnten zwischen dem Tod Jesu und der Zerstörung des Tempels in Jerusalem die Gute Botschaft von Jesus, dem Christus, in verschiedene Teile des römischen Reiches getragen; hinzu kommt die Tradierung über den Apostel Paulus, der sich in Übereinstimmung mit den Zwölf um Petrus wusste. Man kann davon ausgehen, dass in diesen Jahren schon schriftliche Sammlungen der Jesus-Überlieferung der Verbreitung dienten (man vermutet eine Sammlung, die heute "Q"-Quelle genannt wird).
    • Um das Jahr 70 herum wurden die ersten der vier heutigen Evangelien als zusammenhängende Schriften veröffentlicht, wohl vor allem, weil nicht (mehr) überall Augenzeugen selbst berichten konnten. Daneben hat es auch andere Überlieferung gegeben, die in Fragmenten in andere Schriften eingegangen sind. In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts haben sich diese 4 Evangelien und die meisten Paulusbriefe in allen Teilen der Kirche durchgesetzt.
    • Als dann neue Schriften verfasst wurden, die sich auf geheime-esoterische Botschaften Jesu beriefen, begann sich als Reaktion darauf - ganz ohne eine einheitliche Verfassung der Kirche oder gar eine römische Zentrale - ein Konsens über den "Kanon" dieser Schriften herauszubilden. Nur einzelne Bücher wie die Offenbarung oder der Hebräerbrief waren noch bis in das 4. Jahrhundert umstritten. Die so genannten "apokryphen" Evangelien entstehen also erst fünfzig bis hundert Jahre nach Markus, Matthäus, Lukas oder Johannes und sind deutlich von damaligen philosophischen Strömungen geprägt (zumeist der Gnosis). Sie haben sich vor allem deswegen nicht durchgesetzt, weil sie dem zentrale Anliegen Jesu widersprachen. Jesus war Jude und verkündete den Gott Israels. Der Maßstab dafür, ob eine Schrift in das aufzunehmen, was heute das "Neue Testament" heißt, war daher immer, die Übereinstimmung mit dieser Botschaft Jesu.

3. Wider die "Rätsel-Religion" Dan Browns

  • 5 Millionen Exemplare hat Dan Brown von seinem Roman "The Da Vinci Code" - deutsch "Sakrileg" - verkauft. Literarisch mögen seine Bücher zweitrangig sein. Sie sind erfolgreich, weil sie ungemein spannend sind. Sie sind spannend, weil sie die Handlung mit geheimnisvollen Verschwörungstheorien verquicken. Überall gibt es Unerhörtes zu erfahren, das die machtvolle katholische Kirche bisher unterdrückt habe. Der gemeinsame Glaube aller Kirchen wird zum Machwerk Kaiser Konstantins (4. Jahrhundert) erklärt. Erst ab da habe man die Göttlichkeit Jesu zwangsweise zu glauben gehabt. Dass dieser Glaube da schon dreihundert Jahre dokumentiert ist und gegen alle staatliche Gewalt verkündet wurde, ignoriert Brown. Nicht durch, sondern gegen den Kaiser haben die Christen Jesus als "Sohn Gottes" verkündet. Für Brown aber ist der Kern von Religion das Rätsel (1). Aber das "Wort", von dem das Evangelium spricht, ist nicht dazu da, um unsere Neugierde um geheimnisvolle Machenschaften zu befriedigen. Vielmehr hat es von den ersten Jüngerberufungen an zur Gemeinschaft berufen. Die Jünger werden zur Kirche, zum erneuerten Volk Gottes, das "Frucht bringen" soll: ein Zusammenleben, wie es schon im Alten Testament Ideal des Volkes Gottes ist. Dies hat Jesus mit göttlicher Autorität verkündet. Wegen dieses Anspruches wurde er hingerichtet. Weil ich diesen Anspruch für glaubwürdig halte, versuche ich Christ zu sein.
  • Die Alternative von Dan Brown dazu ist mir auf jeden Fall nicht glaubwürdig. Seine Mischung aus Verschwörungstheorien, zwei Semestern Kunstgeschichte und kruder Theologie mag spannend sein. Sie hat aber mit Sicherheit nichts mit Jesus zu tun. Seine Theorie, Jesus habe Maria Magdalena geheiratet und mit ihrem gemeinsamen Kind das spätere Haus der Merowinger begründet, ist durchschaubare Phantasie eines französischen Nationalisten des 20. Jahrhunderts. Glaubwürdig ist sie nicht. Seine Theorie einer weiblichen Ur-Religion ist religionshistorisch ebenso unhaltbar wie alle Spekulationen über den Templerorden.
  • Ich werde mir die Verfilmung mit cineastischem Vergnügen anschauen. Mein Leben baue ich aber weiter auf das Wort Jesu Christi, das ich in der Bibel finde. Theorien über eine esoterische, im Geheimen weiter gegebene Lehre Jesu, von der die Apostel nichts wussten (so das wenige Seiten starke "Evangelium nach Maria Magdalena") interessiert mich nur theoretisch. Praktisch baue ich auf das Zeugnis der Apostel. Denn sie haben mit ihrem Leben bezeugt, was sie erfahren haben. Sie sind die Märtyrer, aus der die Kirche gegen alle Macht der Kaiser gewachsen ist. Ihr Zeugnis hat Frucht gebracht in der Gemeinschaft der Kirche. Ihr Evangelium hat sich durchgesetzt, gegen alle Machtansprüche von Kaisern oder Päpsten. Dan Brown überschätzt bei weitem die Macht der Kirche und die Bedeutung der römischen Kurie. Er unterschätzt die Kraft des Evangeliums. Wenn wir an diesem Evangelium festhalten, wird Christus in uns bleiben und wir in ihm. Amen.

 


Anmerkung

(1) Dan Brown in einem Interview: "Religion gibt es, um uns zu helfen, Rätsel zu erforschen. Es gehört etwas Mystisches dazu, zur Messe zu gehen. Dort gibt es Weihrauch, Musik, Kerzenlicht, Gewänder. Das alles ist Teil des christlichen Ritus und erklärt auf vielfältige Art, warum wir existieren."