Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2017 (Johannes)

Zurück zur Übersicht von: 5. Sonntag der Osterzeit A

14. Mai 2017 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Christus, der Weg

  • Nachäffen klingt nicht gut. Es bedeutet so viel wie: Geistlos nachmachen, was andere vormachen. Dabei unterstellt das Wort Nachäffen den Affen, dass sie geistlos seien. Es ist aber im Gegenteil vielleicht sogar der Ursprung des menschlichen Geistes, dass wir gelernt haben, indem wir andere nachahmen.
    Nehmen wir nur die Sprache. Nur indem wir Laute, Wörter, Sätze, Ausdrucksweisen nachahmen und sie selbst ausprobieren, können wir Sprache lernen. Ohne das wäre kein Zusammenleben möglich. Es braucht ein hohes Maß an Fähigkeit, im Blick auf das Verhalten von anderen zu lernen, damit menschliches Zusammenleben gelingen kann. Nachahmen (so das vornehmere Wort als Nachäffen) ist grundlegend wichtig für die Entstehung jeder Kultur. Es ist ur-menschlich. Es kann aber auch dazu führen, un-menschlich zu werden. Beides ist möglich.
  • Jesus sagt von sich "Ich bin der Weg". Damit meint er vor allem seine Weise, den Lebensweg zu gehen. Das Ziel des Weges, ist das "Haus des Vaters", also ganz mit Gott verbunden zu sein. Der Glaube ist insofern ein "Weg", als wir im Vertrauen auf Jesus seine Weise zu leben uns zum Vorbild nehmen. Wir glauben an Gott, der im Heiligen Geist durch Christus, den Mensch Gewordenen, zum Vater führt. Ihn nachahmen bedeutet, genau das zu glauben. Aus dem Glauben zu leben bedeutet einen Weg zu gehen, Schritt für Schritt, geduldig auf ihn schauen, nachahmen, ausprobieren, abwägen, immer wieder neu, damit etwas von Christus in uns wachsen kann.
  • Vor das Glaubensbekenntnis hat die Kirche im Ritus der Taufe aber eine andere Frage gestellt: "Widersagst du dem Bösen und all seinen Versuchungen, damit der Teufel keine Macht über dich hat?" Das bedeutet, dass wir nicht gleichzeitig zwei Wege gehen können. Wir müssen uns entscheiden, wen oder was wir nachahmen - eben nicht geistlos nachäffen! Gerade beim Widersagen ist es wichtig, zu erkennen, wie scheinbar harmlos sich das Böse seinen Raum schafft.

2. Widersagst du dem Bösen?

  • Nehmen wir als erstes Beispiel den Diebstahl. Viele Menschen haben keine großen Probleme mit dem Diebstahl geistigen Eigentums. Wenn das Internet Raubkopien möglich macht, greifen sie zu. Da sprechen viel ganz offen darüber, und senken damit die Schwelle. Ähnlich ist es mit dem Schwarzfahren. Da hört man manchen sich rühmen, nicht erwischt worden zu sein. Und wieder ist die Schwelle etwas niedriger. Warum dann nicht Ladendiebstahl? Jugendliche prahlen damit. 95% werden es dabei belassen, aber für die letzten 5% ist die Schwelle jetzt niedrig genug, um zum Dieb zu werden, Einbruch, Börsenbetrug, Steuerhinterziehung, Korruption - sie alle beginnen damit, dass Menschen einander zu kleinen Grenzüberschreitungen ermuntern und manche auf dem Weg der Nachahmung Grenzen überschreiten, die den anderen noch selbstverständlich waren. Hier beginnt: "Widersagst du dem Bösen?"
  • Ein zweites Beispiel fängt damit an, dass Menschen in ihrer Rede schlüpfrig werden, sexuelle Zweideutigkeiten pflegen und andere als cool gelten wollen und deswegen nicht uncool widersprechen. Aber manche nutzen das, um systematisch Grenzen zu erweitern und Spielräume auszuloten. Alkohol hilft oft bei der gezielten Grenzverletzung. Bei 95% mag es dabei bleiben; sie finden es vielleicht sogar etwas unangenehm, wollen aber nicht Spielverderber sein. Aber die letzten 5% haben das Spiel von vorne herein betrieben, um übergriffig werden zu können, ihre Phantasien auszuleben, Gewalt auszuüben und sich zu nehmen, was ihnen nicht zusteht - von Kindern, von Frauen, von Jugendlichen. Den Raum für den Missbrauch haben die ersten Schlüpfrigkeiten eröffnet und die Schwelle gesengt. Hier beginnt: "Widersagst du dem Bösen?"
  • Der österreichische Rechtsextreme Martin Sellner nennt es den "Raum des Sagbaren", der größer werden müsse(1). Das wird systematisch betrieben, dass bestimmte Grenzen, die eigentlich zu Recht tabu sind, überschritten werden. 'Man wird ja noch seine Meinung sagen dürfen', lautet das unverfängliche Argument. Aber diese Sprache kann die Gewalt vorbereiten, die Schwelle senken, die die 95% nie überschreiten würden, die doch nur ihrem Ärger Luft machen wollten. Aber es gibt eben auch die 5% die den "Raum des Sagbaren" nur erweitern, um sich Raum zu schaffen für die Gewalt gegen alles und jedes, was sie zuvor sprachlich zum Freiwild erklärt haben: Asylbetrüger, Bullen, das Schweinesystem, die Lügenpresse. Mit dem Einspruch gegen solche gewaltbereite Sprache beginnt: "Widersagst du dem Bösen?"

3. Den Glauben entdecken

  • Es ist nicht uncool, dem Bösen zu widersagen, auch da nicht, wo das Teufelchen doch ganz harmlos nur ein wenig spielen will. Es ist nicht uncool zu widersagen, sondern es macht den Weg frei, um anders zu leben: in Glaube, Hoffnung, Liebe.
  • Man muss es leben, um zu entdecken, wie viel mehr Lebensqualität darin steckt, Jesus als den Weg anzunehmen. Man muss Respekt, Großherzigkeit, Barmherzigkeit leben, um zu spüren, dass das richtig ist. Man muss es ausprobieren, im Vertrauen auf Gott nicht dabei zu sein, wenn andere angestrengt cool sein wollen, um dazu zu gehören. Man riskiert bei manchem außen vor zu bleiben. Man riskiert ausgegrenzt zu werden. Man riskiert viel zu verlieren. Aber erst dann durchschaut man wirklich, wie erbärmlich wenig das war, was man verloren hat, und wie reich, das was man gewinnt.
  • Christ sein bedeutet, Jesus nachahmen in seinem Vertrauen in Gott, seinen Vater. Konkret wird das eigene Leben völlig anders verlaufen, als das seine. Jeder von uns ist einmalig und hat seinen einmaligen Lebensweg. Und gerade darin kann für jeden von uns das die beste Entscheidung sein: Jesus der Weg, um das Ziel des Lebens zu entdecken. Amen.


Anmerkung: Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.05.2017:

Unter Beobachtung: Petr Bystron macht kein Geheimnis aus seiner Nähe zum rechtsextremen Lager.

Seit der Verfassungsschutz den bayerischen AfD-Vorsitzenden Petr Bystron beobachtet, wird er von Rechtsextremen bejubelt. Zum Beispiel von Martin Sellner. Der österreichische Aktivist der rechtsextremen „Identitären Bewegung" (IB) nahm sofort ein Internetvideo auf, als ihn die Nachricht erreichte - mitten im Wiener Schneetreiben. Sellner sprach von Dankbarkeit. „Ich möchte Herrn Bystron und allen in der AfD danken, die erkennen, dass sie mit einer Strategie der Feigheit nichts erreichen werden. Die erkennen, dass der Raum des Sagbaren nicht größer wird, wenn wir versuchen uns gegenseitig aus diesem Raum herauszustoßen."

http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/verfassungsschutz-beobachtet-afd-vorsitzenden-bystron-15007668.html