Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2023 (1 Petrusbrief)
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7. Mai 2023 - St. Peter, Sinzig
"The Whale" (2022) von Darren Aronofsky hält die Frage nach Gott offen. Der Film sprengt geradezu auf: Menschen, die um- und miteinander ringen, einander helfen wollen – retten wollen, wie immer wieder ausdrücklich gesagt wird. Dies scheitert und doch steckt in dem Scheitern die Ahnung des Gelingens. Es gibt die besten und die niedersten Motive – und doch kann selbst das Niedere den Blick darauf stärken, dass ein Mensch unendlich wertvoll und einzigartig ist. Was ignatianische Pädagogik will, die Frage nach Gott offen halten, gelingt diesem Film in einer religiösen Direktheit, wie sie im Kino selten ist. Gott bleibt präsent, weil selbst in der kleinlich-verletzenden Moralvorstellung, die sich auf ihn beruft, noch das Motiv der Sehnsucht nach einer großen Güte unverkennbar bleibt. |
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1. Königliche Priesterschaft
- Darf ich vorstellen Frau Müller, Herr Meier, dort Familie Schmitz. Und hier: Liebe Gottesdienstgemeinde in Sinzig. – Geht es jedoch nach dem Petrusbrief, aus dem wir die Lesung gehört haben, würde ich Ihnen sagen "Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das Gottes besonderes Eigentum wurde", Gottes Privatschatulle seid ihr, sein wertvoller Schatz!
- Es sei von der Lesung des letzten Sonntags daran erinnert, dass der Brief des Petrus sich nicht an besonders vornehme Menschen richtet. Zumindest ein Teil derer, die er anschreibt sind ganz einfache Leute, ja, Sklaven sogar. Diese zusammengewürfelte Gruppe nennt er "eine königliche Priesterschaft". Nicht schlecht. Haben Sie sich gestern, bei der Betrachtung der Krönungsfeier in London vorstellen können als "eine königliche Priesterschaft"?
- Doch es ist nicht der gewaltige Tempel in Jerusalem, an dem Sie Tempel sind. Und sowohl an Westminster Abbey als auch an unser schönes Kirchengebäude hier hat Petrus sicher noch viel weniger gedacht. Vielmehr ist der Tempel aus "lebendigen Steinen" gebaut. Wir Getaufte, als Christi Gemeinde, sind also Tempel und Priesterschaft in Einem. Aber eben "in Christus" – und das ist der Gekreuzigte, der Stein, der verworfen wurde, der Stein, an dem Menschen Anstoß nehmen.
- Das mit der "königlichen Priesterschaft" ist mithin nicht ganz so glänzend, wie es zunächst klingt. Dennoch sind wir alle, als wir getauft wurden, mit dem Heiligen Salböl, dem Chrisam gesalbt worden, um in Christus Priesterin oder Priester, königlich und prophetisch zu sein.
2. Hingabe des priesterlichen Opfers im Licht
- Was macht ein Priester? Im Tempel des Alten Testamentes hat er Riten vollzogen, bei denen Gott Opfer dargebracht wurden: Vor allem auch Tieropfer. Das hat für die Christen Jesus im Abendmahlsaal durch seine liebende Hingabe ersetzen wollen. Als Heiliges Zeichen dessen, als Sakrament seines Opfers nehmen wir Brot und Wein, sozusagen die vegetarische Variante. Aber sowohl im Alten Testament wie im Christentum wird deutlich gesagt: Das eigentliche Opfer ist das, das wir selbst bringen. Im Gedächtnis Jesu verweisen wir nicht auf die Vergangenheit, sondern lassen sie aktuell werden. Wir sollen also Opfer darbringen vor Gott und für die Menschen. Weil das der Weg ist - sein kann - auf dem Gott uns rettet, hilft, erlöst, befreit.
- Im Petrusbrief finde ich einen interessanten, aber schwierigen Gedanken: Das Opfer, das hier dargebracht wird, ist der Mensch, den Gott "aus der Finsternis in sein wunderbares Licht" führt.
Tatsächlich ist das ein Opfer, Denn es ist nicht leicht, sich ans Licht führen zu lassen. Es gibt Menschen, die so überzeugt sind, dass sie unansehnlich sind: Sie gehen davon aus, dass andere sie verabscheuen würden, wenn sie mich sehen würden, wie ich bin. Bei Videokonferenzen behaupten sie lieber, die Kamera sei kaputt, bevor sie sich von anderen sehen lassen. Lieber führen sie andere 'hinters Licht', als sich selbst in das Licht. Sie stehlen sich eher davon, als dabei sein zu müssen, wenn ihre Schuld offenbar wird. Es gibt sogar Menschen, die sogar alles dafür tun, als unausstehlich zu erscheinen, aus Angst geliebt zu werden – denn diese Liebe könnten sie wieder verlieren.
- Opfer im biblischen Sinn – englisch sacrifice nicht victim! - ist hier der Augenblick, wenn Gott uns "aus der Finsternis in sein wunderbares Licht" ruft. Das Licht, von dem wir nur fürchteten, was es sichtbar macht, vermag eben sichtbar zu machen und zugleich zu retten. Nicht zu vernichten, sondern zu heilen, statt zu verletzen. Dass ich diese Heilung erfahren kann, braucht es Menschen, denen Gott die Kraft gegeben hat, an mich zu glauben; Menschen die unbeirrbar das Gute in mir sehen. Durch sie kann die schmerzhafte Geburt der Wahrheit zu einem Opfer werden, das Gott dargebracht wird. Der priesterliche Dienst, zu dem wir Menschen berufen sind ist dann: Einander aus der Dunkelheit zu retten.
3. Gott rettet – durch sein priesterliches Volk
- Frau Müller, Herr Meier, Familie Schmitz, wir heute Abend hier in Sinzig: Können wir das? Kann überhaupt ein Mensch den anderen retten, wo wir uns doch noch nicht einmal selbst zu retten vermögen? Wir sind doch selbst nicht besser. Ja, in der Tiefe des Menschen stimmt der Satz: Kein Mensch kann einen anderen retten. Doch der Satz geht weiter: "Kein Mensch kann das ... nur Gott!"
- Und siehe: Gott kann retten. Manchmal durch uns, wenn wir uns bemühen, nicht eigene Interessen zu verfolgen, sondern ganz für andere da zu sein. Doch manchmal, ist es so, dass Gott etwas, das wir gar nicht gesehen, etwas, das wir gar nicht beabsichtigt hatten, verwandelt und zur Rettung für andere werden lässt. Dafür auch steht ja das Kreuz. Meine Unfähigkeit andere zu retten in das göttliche Licht zu stellen – auch das eine Hingabe, ein Opfer!
- Ein Geheimnis Gottes: "Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk, das Gottes besonderes Eigentum wurde". In allem ist Gott der heiligt, auserwählt, uns angenommen hat. Wir sollten das tun, was wir gut können. Für einander da sein, wie wenn einer der anderen, die nicht mehr gehen kann, ganz pragmatisch einen Rollstuhl besorgt. Wie wenn eine dem anderen, dessen Glauben in Formeln erstarrt ist, die Augen öffnet, dass ein solcher Glaube nicht rettet, sondern vielleicht sogar verletzt.
- Tun wir das wir gut tun können. Lassen wir sogar das Licht fallen auf das, was wir verstecken wollten. Wo wir nicht mehr können. Das sind dann die Bruchstellen, an denen Gottes Geist wirken will. Denn "dieser Stein, den die Bauleute verworfen haben, er ist zum Eckstein geworden".