Predigt zum 4. Fastensonntag Lesejahr C 2022 (Lukas)
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27. März 2022 - St. Peter, Sinzig
1. Im Kopf
- Oft wird in den Bibelausgaben das Gleichnis genannt „Vom verlorenen Sohn“. Manchmal auch „Vom barmherzigen Vater“. Doch die Figur des Sohnes, der durchbrennt und das Geld durchbringt, bleibt in der starken Bildhaftigkeit dann doch stärker hängen. Erzählt man das Gleichnis, dann ist die Versuchung groß, an dieser Stelle auszuschmücken.
- Dann aber ist es mir unter der Hand bereits so passiert, wie dem älteren Bruder, der oft vergessen wird. Diesem legt Jesus in seinem Gleichnis einen Satz in den Mund, der in einer Mischung aus Verächtlichkeit und Zorn gelesen werden muss. Der ältere Sohn empört sich gegenüber dem Vater und sagt: „Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet.“
- Woher wusste der das? Im Gleichnis heißt es vom jüngeren, der in Verachtung für die beengten Verhältnisse daheim wegging, lediglich: Er ging in ein „fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen.“ Mag sein, dass zu „zügellos“ und Geld ausgeben Dirnen dazu gehören. Aber das steht da nicht, das hat sich der ältere Bruder so ausgemalt. In seinem Kopf wurde der Skandal noch einmal riesiger, als das Verhalten seines jüngeren Bruders es ohnehin schon war, als er sich zu Lebzeiten des Vaters bereits das Erbe auszahlen lies. Der ältere lässt seiner Phantasie freien Lauf und verbittert darüber.
2. Gleichnis für Fromme
- Die Hauptfigur des Gleichnisses ist entgegen aller üblichen Titel eindeutig der ältere Bruder. Das Lukasevangelium ist da eindeutig.
- Jesus erzählt das Gleichnis nicht irgendwem, sondern Frommen und Gesetzestreuen, die sich darüber empören, dass Jesus es zulässt, dass „Zöllner und Sünder“ zu ihm kommen und ihn hören wollen. Jesus hält sogar Mahlgemeinschaft mit ihnen.
- Deswegen können jetzt alle weghören, die sich rühmen, nicht zu diesen Frommen und Gesetzestreuen zu gehören. Wenn Sie das Gefühl nicht kennen, besser zu sein, mehr verdient zu haben, sich von anderen abgrenzen zu wollen – wenn sie all das bei sich nicht kennen, brauchen Sie dieses Gleichnis nicht. Wenn sie das nicht kennen, dass sie sich heimlich ausmalen, was für ein verdorbenes Leben andere führen – sie können beruhigt jetzt abschalten.
3. Fest der Freude
- Der Vater hält seinem älteren Sohn keine Standpauke. Ich höre keinen vorwurfsvollen Ton. Vielmehr ist da die Aufforderung zur Freude und zum Fest: „Man muss doch ein Fest feiern und sich freuen; denn dieser, dein Bruder, war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ Hier spricht jemand, der einen geliebten Menschen aus der Bitterkeit herauslocken möchte, um ihn die Freude erleben zu lassen. – Nicht vergessen: Jesus spricht zu einer Gruppe von Frommen und Gesetzestreuen, die sich darüber empören, dass er, Jesus, auf Menschen zugeht und mit denen Mahl hält, die als „Zöllner und Sünder“ gelten.
- Die Freude des Glaubens ist nicht einfach so eine Partylaune – auch wenn es ein freudiges Fest ist, zu dem der ältere Bruder eingeladen ist. Diese Freude, die Jesus meint, kennt vielmehr jeder, der es geschafft hat, sich aus der inneren Höhle zu befreien, in der wir uns vergraben, wenn wir meinen, uns geschähe Unrecht, weil anderen Gutes geschieht. Das Gefühl ist mir selbst auch bekannt, diese Höhle gibt es wohl in jedem Menschen. Letztlich war es dieser Neid, der Kain zum Brudermord getrieben hat.
- Dagegen seht dieses unbedingte Wort in Jesu Gleichnis: „Man muss doch ein Fest feiern!“. – Man kann dieses Fest nur feiern, wenn es gelingt, sich auch mit denen zu freuen, denen gegenüber wir uns im Recht vorkommen. Ja, wahrscheinlich hat der ältere Bruder sogar wirklich und objektiv recht. Aber: Rechthaben und darüber verbittern, ist doch keine Alternative zu der Freude, die möglich ist, wenn ich jedes noch so kleines Zeichen der Umkehr lieber anerkenne, als auf den alten Rechnungen zu beharren. Was, so fragt mich das Evangelium, hast du zu verlieren? Es ist Gott, der auf den Sünder zugeht. Dich lädt er ein, sich mit den anderen zu freuen. Amen.