Predigt zum 33. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Markus)
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14. November 2021 - St. Peter, Sinzig - Aloisiuskolleg Bonn, Bad Godesberg (8. Schuljahr)
1. Christ und Krise
- Gehen wir als Christen anders mit den großen Krisen um? Ich meine nicht, ob wir bessere Lösungen hätten angesichts von globalen Konflikten, Seuchen und Klimaveränderungen, angesichts von Spaltungen der Gesellschaften, Hass und Isolationismus. Kann sein, dass die christliche Tradition da hilfreiche Gedanken hat. Ich meine aber: Wie gehe ich als Christ mit Krisen um?
- Jeder Mensch hat andere Voraussetzungen, mit Krisen und existentiellen Bedrohungen umzugehen. Das hat mit Charakter und Lebenserfahrung zu tun, Frauen sind anders als Männer – und Frauen sind auch anders als Frauen und Männer anders als Männer. Sicher spielt die Biographie eine entscheidende Rolle. Aber schon da – in meiner Kindheit, meinem Erwachsenenleben – spielt auf die eine oder andere Weise mein Glaube eine Rolle. Wie habe ich gelebt und wie lebe ich meine Beziehung zu Gott – prägt das die Weise, wie ich mit Krisen umgehe?
- Beweisen lässt sich da nichts. Aber jede und jeder von uns kann sich diese Frage stellen. Vielleicht ist das Ergebnis ernüchternd. Vielleicht stoße ich auf eine Sehnsucht oder eine Hoffnung, dass meine Beziehung zu Gott so sei, dass sie im Alltag wie in Krisen Bedeutung hat.
2. Das Ende der Ordnung
- Das Markusevangelium überliefert uns eine Rede, die Jesus inmitten des Tempels von Jerusalem gehalten hat. Dort, wo prachtvolle Bauten unerschütterlich wirken, spricht er davon, es werde die „Sonne verfinstert werden und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“. In der Sprache der Bibel heißt das: Alle verlässliche Ordnung wird erschüttert werden. Auf was Menschen sich verlassen haben waren Sonne, Mond, Sterne, die Gestirne zur Orientierung und Ordnung des Tages. Doch das bleibt nicht so.
- Ich war nicht im Ahrtal, als die Flut kam. Aber ich vermute, dass seit dieser Nacht viele Menschen viel von der selbstverständlichen Sicherheit verloren haben. Corona hatte schon zuvor bis in den Alltag vor allem auch Kinder verunsichert. Menschen, die zudem früher in Ländern leben mussten, in denen kein stabiler Staat ihnen und ihren Kindern Sicherheit gab, kennen dieses Gefühl auch in dieser Hinsicht. Sie haben das mit vielen Millionen Menschen gemeinsam.
- Im Angesicht des Tempels in Jerusalem, der doch so viel Solidität und Sicherheit ausstrahlt, ruft Jesus solche Bilder und Erfahrungen herauf. Die anderen Evangelien bewahren noch ausführlicher die Erinnerung an diese Seite der Verkündigung Jesu auf. Sie gehört zu dem dazu, was er zu sagen hatte und selbst gelebt hat. Mit dem Kreuz ist er sozusagen in die Mitte der Orientierungslosigkeit und des Chaos gesegelt, weil sein Vertrauen in Gott größer war.
3. Glauben im Chaos
- Erstens: Jesus vertröstet nicht auf den Himmel, er orientiert sich am Himmel. Das macht den Unterschied, denn Orientierung brauchen wir jetzt, gerade dann, wenn Sonne, Mond, Sterne oder deren moderne Äquivalente nicht hinreichen. Gerade Technik und Wissenschaft sind wichtig, aber am Ende braucht es Menschen, die das richtige tun. Jesus vertröstet nicht, er gibt Orientierung.
- Zweitens: Jesu lässt sich ganz auf seine Zeit und Welt ein und ist in seinen Gebeten und Gedanken doch jederzeit mit dem Himmel verbunden. Das ist doch das Zentrum unseres glaubenden Vertrauens in Gott: Gott selbst ist in Christus Mensch geworden und lässt sich auf diese unsere Welt ein. Glauben bedeutet daher für Christen: An der Seite Christi Gott, seinem und unserem Vater vertrauen.
- Drittens: Zu keiner Zeit ist es Christen leichtgefallen, diese Spannung auszuhalten. Wir leben hier, aber unsere Heimat ist im Himmel. Wir bauen an Strukturen, Häusern, Staaten, aber wir vertrauen auf die Herrschaft Gottes selbst angesichts des Kreuzes. Wir teilen mit allen Menschen die Ängste und Sorgen, aber wir üben uns ein im Vertrauen, dass am Ende Gott und seine Liebe das letzte Wort behalten und nicht das Chaos. Diese Spannungen sind enorm. Glaube und Vertrauen in den Gott Jesu Christi macht den Unterschied, wenn es gilt, diese Spannungen auszuhalten. Amen.