Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr C 1998 (Nehemia)

Zurück zur Übersicht von: 03. Sonntag Lesejahr C

25.01.1998 - Kolleg St.Georgen Frankfurt/Main

1.

  • John Locke nennt in seinem "2nd Treatise of Government" " Peace, quiet and property" als Zweck der Gesetze. Friede, Ungestörtheit und Eigentum zu schützen, das meint Locke sei der wesentliche Zweck aller Gesetzgebung. Diese Trias macht es suspekt, Gesetze immer schon als heilig anzusehen. Zu sehr riecht das nach reiner Besitzstandswahrung und bloßem Schutz der Reichen.
  • Dagegen steht andererseits, dass Gesetze in der Tat so etwas brauchen wie Heiligkeit. Die Heiligkeit der Gesetze allein begründet auch ihre Verlässlichkeit. Die Diktaturen und Bürgerkriege des 20. Jahrhunderts haben uns gezeigt, dass Rechtssicherheit ein hohes Gut ist, dass Rechtssicherheit Grundlage der Menschenrechte ist. Und Menschenrechte sollten uns heilig sein.

2.

  • In der Lesung aus dem Buch Nehemia wird von einer Feier berichtet, bei der jenes wieder aufgefundene Gesetz Gottes vorgelesen wird, das auf den Bund Gottes mit seinem Volk am Sinai zurück geht. Der Inhalt dieses Gesetzes in Bezug auf das Zusammenleben der Menschen ist eindeutig: Das Gesetz des Bundes schützt den Armen. Die Rückfrage an jedes Gesetz muss daher lauten: schützt dieses den Armen.
  • Der Schutz der Armen ist in verschiedenen Gesellschaften und zu verschiedenen Zeiten auch ganz verschieden zu verwirklichen. In komplexen Gesellschaften ist die Frage nach dem besten Schutz der Armen sicher besonders schwer zu beantworten, weil hier guter Wille allein nicht nur nicht funktioniert, sondern unter Umständen die Armen besonders schädigt.
  • Den Inhalt unserer heutigen Gesetze kann uns die Bibel nicht vorgeben. Sie erinnert uns aber an deren Heiligkeit. Die Aufgabe des Prophet ist es, gute Gesetze einzuklagen - aber auch die Gültigkeit der Gesetze zu schützen. Die Heiligkeit des Gesetzes steht so gegen das Vergessen und das Verwässern. Für den Gläubigen gilt andererseits aber immer ein "eschatologische Vorbehalt": Alles, was wir tun, ist noch nicht der Himmel. Das immer unerfüllte Gesetz verweist uns auf den Grund unserer Hoffnung.

3.

  • Die Schrift verheißt mehr als irdische Gesetze darstellen oder verwirklichen können. In der Synagoge von Nazaret verkündet Jesus: "Heute hat sich das Schriftwort erfüllt". Mit der Menschwerdung Gottes im Volk Gottes ("die Armen Gottes"), wo er sich unter die Verbrecher rechnen lässt, ist zur Gegenwart Gottes geworden. In seinem Wort ist die Gegenwart Gottes in unserem Fleisch getreten. Das Weltgericht (Mt 25) zeigt uns, dass der ganze Wert der Geschichte seit dem an dem Verhältnis zu den Kranken, Armen und Gefangenen hängt.
  • Die Erfüllung steht noch aus. Die schmerzenden Wunde ist noch offen. Wir können uns aber der Forderung des Gesetzes stellen, solange wir im Glauben an die Vollendung, die Gott bewirkt, wach bleibt. Amen.