Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag im Lesejahr A 2023 (Matthäus)

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22. Januar 2023 - St. Peter, Sinzig

 

In einer bitter-komischen Parabel zwingt Martin MacDonagh darüber nachzudenken, was Freundschaft ist und welcher Ernst darin liegt. "The Banshees of Inisheer" (2022) spielt während des irischen Bürgerkirieges 1923 und doch davon nur von Fern berührt und erzählt die Geschichte einer Freundschaft, die zerbricht. Einfach so. Weil einer feststellt, als Komponist zu Höherem berufen zu sein.

1. Jünger

  • Sind das die neuen Freunde von Jesus: Simon und Andreas, Jakobus und Johannes? Die Szene aus dem heutigen Evangelium, am See von Genezareth: der Beginn einer langen Freundschaft? Wie soll ich mir das vorstellen?
  • Zunächst wird in dem kurzen Abschnitt geschildert, wie zwei Brüderpaare, vier junge Menschen aufgefordert werden, ihre bisherige Umgebung aufzugeben, um mit Jesus mitzugehen. Mir scheint, es wird das hier deswegen so erzählt, damit geschildert wird, wie zu allen Zeiten die Beziehung zu Jesus aussieht: Menschen verlassen das Gewohnte, binden sich an Jesus, indem er den Weg vorgibt, den sie gehen. Das ist der neue Bund. Das ist zunächst nicht Freundschaft, sondern der Eintritt in ein Lehrer-Schüler-Verhältnis. Jesus der Meister, die anderen die Schüler - oder mit einem speziellen Wort: die Jünger.
  • Sie lernen von Jesus einen Weg, indem sie den Weg mit ihm gehen. Jesus vermittelt ihnen keinen Lernstoff. Es ist eher so, wie man Segeln lernt, wenn man mit einem erfahrenen Seemann das Boot besteigt, zusammen die Segel in den Wind setzt und im Schauen auf den Erfahreneren und im gemeinsamen Tun etwas lernt. Simon und Andreas, Jakobus und Johannes sind die ersten Jünger, die von Jesus lernen, das Segel des Vertrauens zu setzen und den Hafen zu verlassen. Er ist ihr Lehrer, ihr Meister, ihr Rabbi. Doch zugleich wächst an Bord so etwas wie Freundschaft.

2. Freunde

  • Wie wertvoll Freundschaft ist, lernen wir im Leben oft erst, wenn sie zerbricht. Für Kinder ist sie wertvoll, aber lange fast normal. Im Rückblick erst und wenn ich älter werde, merke ich wie wertvoll Freundschaft ist. In seelsorglichen Gesprächen und der Beichte von Kindern und Jugendlichen kommt die Brüchigkeit von Freundschaft häufig vor – gleich hinter den Problemen mit Eltern und Geschwister. Zerbrochene Freundschaften können sich manchmal anfühlen wie Bürgerkrieg, der im Innersten zerreißt.
  • Machen wir als Erwachsene das Gedankenexperiment: Wie wäre es, wenn eine oder einer, nach langen Jahren selbstverständlicher Freundschaft, regelmäßiger Begegnung, vielen gemeinsamen Stunden und Erlebnissen aus heiterem Himmel sagt: Ich will nicht mehr dein Freund sein. Einfach so, weil es ja auch keine Gründe für die Freundschaft gibt – nicht die einer Liebe wie bei der Ehe, nicht das Geld wie bei Geschäftsfreunden. Kann das sein, dass eine langjährige Freundschaft einfach so beendet wird? Mich zumindest würde das zutiefst verletzen. Wenn sich ahnen lässt, dass andere nicht mehr Freund sein wollen, sondern letztlich nur den eigenen Vorteil suchen, dann verletzt das.
  • Wenn Freundschaft nicht auf der Verbindlichkeit der Ehe beruht und nicht auf Geschäftsinteressen? Was ist es dann? – Vielleicht eine Mischung; Zufall, der uns zusammengeführt hat, vielleicht ein gemeinsames Hobby? Dann aber hängt es doch irgendwie zusammen mit einem gewissen Gleichklang, einem gemeinsamen Verständnis, was es bedeutet, ein anständiger Mensch zu sein. Gar nichts Großes, und doch ganz groß. Ich glaube, das ist erst einmal das kleine große Geheimnis der Freundschaft. – Und doch noch etwas Weiteres dazu.

3. Sendung

  • Die Jünger und Schüler Jesu werden über die Monate und Jahre, die sie mit Jesus zusammen sind, definitiv auch so etwas wie ein Freundeskreis. Sie werden auch Freunde Jesu. Obwohl wir aus den Berichten spüren, dass diese Freundschaft niemals kumpelhaft wird. Der Heilige Gottes kann Freund sein, aber kein Kumpel.
  • Vielmehr findet sich an einer Stelle im Johannesevangelium der Hinweis darauf, was diese Freundschaft ausmacht. Jesus benennt zwei Punkte: Einerseits Freiheit, die darauf beruht, dass er seinen Jüngern gegenüber transparent ist. Jesus hat keine versteckte Agenda und manipuliert nicht. ("… denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut", Joh 15,15). Andererseits Gehorsam gegenüber dem Guten, der Gerechtigkeit, den Forderungen der Liebe zu meinem Nächsten: "Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage" (Joh 15,14).
  • Diese Freundschaft basiert also auf dem gemeinsamen Ziel. Es ist nicht die Freundschaft von Banditen. Es ist nicht der Gruppenegoismus, hinter dem sich der gewöhnliche Egoismus versteckt. Es ist vielmehr die gemeinsame Erfahrung, dass es eine Berufung und eine Sendung gibt, in diesem Leben etwas zu bewirken und zu verändern. Und dies gemeinsam zu tun. Als Freunde. Das ist es, was Simon und Andreas, Johannes und Jakobus lernen, als sie ihre Väter verlassen, um mit Jesus mitzugehen, seine Schüler zu werden und als seine Freunde Kirche zu werden.