Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2004 (Johannes)

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18. April 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Nachtrag

  • Ostern ist vorbei. Einer aktuellen Umfrage zu Folge hat doch gut die Hälfte der Deutschen mit dem Fest mehr verbunden, als ein paar freie Tage zusätzlich. Im christlichen Glauben hingegen ist Ostern der Höhepunkt des Kirchenjahrs. Vielen Katholiken ist das Erleben der starken Liturgien auch entsprechend wichtig. Aber nun ist Ostern vorbei. Das Semester hat angefangen. Der Alltag hat uns wieder.
  • Auch das Johannesevangelium war eigentlich schon zu Ende. Das zwanzigste Kapitel schließt mit der Begegnung des Auferstandenen mit Thomas und preist abschließen selig alle, die nicht sehen und doch glauben. Ostern ist damit vorbei, das Evangelium abgeschlossen. Dann aber kommt überraschend doch noch ein Nachtrag. Ganz offensichtlich ist das 21. Kapitel an das ursprüngliche Evangelium angehängt, auch wenn alle ältesten Texte und Zeugnisse dieses Kapitel bereits als Teil des Evangeliums kennen.
  • Wenn die frühe Kirche in der Hl. Schrift etwas so deutlich erkennbar als Nachtrag stehen gelassen hat, dann sollten wir das ernst nehmen. Denn an anderen Stellen wurden Übergänge stilistisch geglättet. Hier nicht. Tatsächlich sprich dieser Nachtrag doch genau unsere Erfahrung an. Ostern braucht einen Nachtrag. Das Fest ist zu schnell vorbei. Es braucht noch Zeit, dass aus dem österlichen Fest ein österlich geprägter Alltag wird.

2. Fangen und Finden

  • Der Nachtrag antwortet auf die Erfahrung des nach Ostern erfahrenen Frustes. Das Lukasevangelium berichtet aus der Zeit vor Ostern von dem vergeblichen Fischzug derer, die später zu Aposteln wurden. Das Johannesevangelium weiß, dass es den Frust auch später auch noch gibt. Ja, der Herr ist auferstanden. Aber im Alltag hängt genug bleischwer am Boden. An Ostern Halleluja singen ist schön. Aber es erspart uns nicht den Frust und die Depression, wenn wir mal wieder vorgeführt bekommen, dass alle Anstrengung nichts fruchtet. Das Netz ist leer.
  • Nur, wäre die Welt schon heil, wenn das Netz nicht leer gewesen wäre. Sind Menschen etwa frömmer, wenn sie von einer Erfolgswoge zur nächsten surfen? Braucht es den Misserfolg unserer Anstrengungen, damit Jesus als Supermann auftreten kann?
  • Jesus fordert die Jünger dazu auf, das Netz auf der anderen Seite des Bootes auszuwerfen. Auf ihrer bisherigen Seite haben sie nichts gefangen. Das ist in gewisser Weise ein Vorteil. Denn das macht es ihnen leichter möglich, es auf Jesu Wort hin noch einmal mit der rechten Seite zu versuchen. Was hilft es, noch so viele Fische zu fangen, wenn es die falsche Seite ist? Erfolg um des Erfolgs willen ist fatal. Man kann toll viel fangen - und doch nichts finden. "Werft das Netz auf der rechten Seite aus, und ihr werdet etwas finden.(1)"

3. Orte

  • Die rechte Seite muss ich mir zeigen lassen, egal wie viele Fische ich gefangen habe. Die rechte Seite ist die Seite, die mich erkennen lässt, was im Evangelium der Jünger ausspricht, den Jesus liebte: "Es ist der Herr!" - Gott ist gegenwärtig!. Die rechte Seite ist die vollständigerer. Was nützt es, das Netz voll zu haben, wenn es nur für mich selbst ist, wenn es nur für die äußere Hälfte dessen ist, was ich bin? Wie voll das Netz auch gewesen sein mag, es war leer, denn die Jünger waren wieder abgetaucht in den Alltagstrott. Für ihr Leben hatte die Ostererfahrung noch keine Perspektive gewonnen. Ostern ist vorbei, und nichts gefunden.
  • Der Hinweis auf die Möglichkeit, österlich zu bleiben, ist im Ort des Geschehens angedeutet. Denn die Ortsbezeichnung der ganzen Szene lautet: am See von Tiberias. Das aber ist der Ort, an dem Jesus im Johannesevangelium die große Brotrede hält. Es ist der Ort, an dem Jesus seinen Leib offenbart als die Speise vom Himmel, die vor dem Tod bewahrt. Der See von Tiberias verweist auf den Ort, wo Ostern ständig erneuert wird: wo Jesus sich selbst gibt als Speise für das ewige Leben. Und so finden die Jünger, als Petrus das propenvolle Netz an Land zieht, Jesus bereits am Feuer sitzend. Und Jesus nimmt das Brot und gibt es ihnen.
  • So ist der Nachtrag zum Osterfest die sich immer wiederholende Erscheinung des Auferstandenen: Hier, wo Jesus uns das Brot reicht, in dem er gegenwärtig ist und Leben schenkt. Amen.

 


 

Anmerkung

1. Unverständlicherweise übersetzt die Einheitsübersetzung "Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus, und ihr werdet etwas fangen", obwohl im Original eindeutig "etwas finden" steht.