Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2001 (Johannes)

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22. April 2001 - khg St. Nikolai Göttingen

1. Liebe

  • Liebst du mich? Die Damen würden schüchtern erröten, die Herren wären leicht befremdet, wenn ich ihnen diese Frage stellte: Die Frage gilt als eher intim. Sie ist bei Mondschein zu stellen. Liebst du mich?
  • Wo Jesus dem Petrus diese Frage stellt, ist natürlich kein erotisches Knistern in der Luft. Dennoch ist das Gespräch, das wir im heutigen Evangelium belauschen, höchst intim. Denn das dreimalige Fragen rührt an das dreimalige Leugnen und geht daher in die Mitte des Herzens. Wie steht es um dich, Petrus? Liebst du mich?
  • Szenenwechsel. Johannes-Apokalypse, Kapitel 5. Das Wesen der Welt und der Geschichte wird enthüllt, in der "Apokalypse" offenbart. In der Mitte von allem steht ein Thron. Auf ihm sitzt einer, der sich aller Beschreibung entzieht. Wir sehen zwölf Mal zwölf Mal Tausend und dazu eine unüberschaubare Menge. Das Volk Gottes und Menschen aus allen Völkern stehen um diesen Thron, der über alle Throne erhaben ist.
    Dort, in der Mitte des Throns, steht das Lamm, das geschlachtet ist. Zehntausend Mal zehntausend und tausend Mal tausend Engel stehen um diesen Thron. Nur eine Frage noch zählt: Wer ist würdig Macht zu empfangen, Ehre, Herrlichkeit und Lob?
    Liebst du mich? Und: Wer ist würdig Herrlichkeit zu empfangen, Macht und Ehre. Diese beiden Fragen sind eins. Das zu ergreifen, ist Glaube.

2. Trostbuch

  • Dass wir hier von einem ausschließlich Gott vorbehaltenen Zusammenhang reden, wird an der dämonischen Inanspruchnahme von Liebe und Herrschaft deutlich. Nur die Tyrannen unter den Machthabern verlangen von ihren Untertanen nicht nur die Befolgung der Gesetze, sondern Liebe. Sie machen sich damit zu Gott. Mir klingt noch der verblüffte Satz von Erich Mielke im Ohr: "Ich liebe euch doch alle!"
  • Die Apokalypse des Johannes ist das Trostbuch für die Kirche, in der Bedrängnis durch Tyrannen. Die Kirche ist in blutigster Bedrängnis, weil sich der Glaube an Jesus Christus nicht mit der Verehrung verträgt, die der römische Kaiser für sich in Anspruch nimmt. Die größte Bedrängnis aber ist gar nicht mal die Verfolgung von außen, sondern mehr noch die Zweifel von innen. Die kleine Kirche fühlt sich als Minderheit in die Ecke gedrängt.
    Die römische Gesellschaft versucht die Christen im Alltag, aber auch durch spektakuläre Hinrichtungen auszugrenzen. Die Ausgrenzung ist es, die die Gemeinde tagtäglich erlebt und erleidet. Die große Gefahr für die Kirche ist, dass dies auch im Inneren zu Entsolidarisierung und Spaltung führt.
  • Nicht wenige in den kleinasiatischen Gemeinden, die Empfänger dieses apokalyptischen Buches sind, versuchen daher den Glauben zu spiritualisieren, um sich der Entscheidung entziehen zu können. Das ist wohl die eigentliche Bedrängnis. Die Versuchung, den Glauben Jesus Christus zu verbiegen, indem man sich in allgemeine spirituelle Wahrheiten flüchtet und dem ausweicht, dass Gott sich in einer bestimmten geschichtlichen Stunde in einem bestimmten Menschen geoffenbart hat.

3. Befreiendes Bekenntnis

  • Die intime Frage Jesu an Petrus und die Vision der endzeitlichen Verehrung des Lammes stehen für die beiden Pole des Glaubens. Nur wenn beides erhalten bleibt, wird der Glaube davor bewahrt, irrelevant zu werden. Schlimmer noch, nur wenn der Sieg des Lammes offenbart und bekannt wird, bleibt der Glaube davor bewahrt, von den Mächtigen als Teil ihres Systems eingebaut zu werden, statt befreiende Botschaft zu bleiben.
  • Denn das Lamm in der Mitte des göttlichen Throns ist nicht irgendein Symbol, sondern Jesus, der Christus. Seine Predigt, seine Zuwendung zu den Ausgestoßenen und gesellschaftlich Ausgegrenzten wird bekannt als Offenbarung Gottes. Offenbarung, das ist das deutsche Wort für Apokalypse. Ohne diese Apokalypse bliebe der Anschein, der mächtige Staatsapparat wäre siegreich. Das Buch der Apokalypse schildert den römischen Staat im Bild des Tieres, das aus dem Meer aufsteigt. Im 13. Kapitel heißt es dort: " Die Menschen (...) beteten das Tier an und sagten: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann den Kampf mit ihm aufnehmen?"
  • Gegen diese Anbetung des Tieres, gegen dieses Sinnbild eines tyrannischen Staates und einer auf Sklaverei beruhenden Gesellschaft bekennt die Apokalypse: Jesus ist der Christus. Der, den die Machthaber ausschalten wollten, hat Gott gesalbt und erhoben. Er wird geschildert als Lamm, weil das Schreien der Lämmer der Ruf der Wehrlosen ist. Er wird als Lamm geschildert, weil das Lamm Stärkung für das Volk Israel auf dem Weg aus der Sklaverei war und sein Blut Zeichen des Widerstands gegen den Tod. In Jesus hat Gott dem ein Gesicht und ein Schicksal gegeben.
    Wo die Mächtigen Liebe verlangen, herrscht Tyrannei. Jesus hat sich durch Petrus verleugnen lassen, als er ohnmächtig den Weg des Kreuzes geht. Diese göttliche Ohnmacht allein darf uns die Frage stellen: "Liebst du mich?"