Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2015 (Lukas)

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19. April 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Ostererfahrung

  • Da gingen ihnen die Augen auf. Den Ausdruck verwenden wir, wenn wir das Phänomen beschreiben, dass etwas, das eigentlich die ganze Zeit vor Augen lag, mit einem Schlag in seiner Bedeutung gesehen und verstanden wird. Auf einmal macht es 'Klick', die Synapsen werden neu verschaltet und es gehen einem die Augen und vielleicht auch das Herz auf.
  • Wie uns die Bibel über überliefert, was die Zeugen der Auferstehung berichten, ist doppelt auffällig: Einerseits betonen sie, dass es keine irgendwie spirituelle, rein geistige Erfahrung gewesen sei. Das heutige Evangelium ist ein drastisches Beispiel: Der Auferstandene fordert dazu auf, ihn anzufassen und er isst vor den Augen seiner Jünger einen Fisch. Andererseits aber verweist der selbe Bericht darauf, dass es eben nicht von Anfang an so klar war, wer oder was ihnen da begegnet: Es brauchte erst ein wachsendes Verstehen, es brauchte erst die Verbindung mit anderen Erfahrungen, bis unzweifelhaft wird, dass es Jesus ist, der ihnen begegnet. "Er öffnete er ihnen die Augen", heißt es, als sie die verstörende Erfahrung des Auferstandenen von der Schrift - der Bibel - her deuten und verstehen. Klick.
  • Die Jünger, von denen die Rede ist, sind später mit ihrem Leben dafür eingestanden, dass das nicht eine rein subjektive, keine allgemeine Geltung beanspruchende Erfahrung gewesen war. Vielmehr hat diese Begegnung ihr ganzes weitere Leben tief greifend verändert.

2. Objektivität der Begegnung

  • Beim Glauben, meinen viele, ginge es um subjektive Einstellungen oder Gefühle. Man benutzt dann gerne das Wort 'objektiv', um es von dem abzugrenzen, das 'nur subjektiv' sei.
    Mir scheint dies irreführend. Wenn man es so nimmt, ist nur die Atombombe objektiv. Sie löscht alle Subjekte aus und lässt nur noch tote Objekte. Wann immer aber eine Wahrheit etwas mit dem Leben zu tun hat, sind lebendige Subjekte die Mitte.
  • Die Jünger bezeugen den Auferstandenen in lebendigen Glauben: Der "Urheber des Lebens wurde getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Dafür sind wir Zeugen." Die Wahrheit des Glaubens ist mehr als ein reines Wissens: Glaube ist nicht Wissen, sondern mehr! Glauben ist ein Wissen, das mich fordert, mein Leben verändert und mich durch mein Tun zum Zeugen macht.
  • Zugleich ist Glauben aber auch demütiger als Wissen. Denn der Glaube weiß nicht nur um die Wirklichkeit Gottes, die er uns offenbart hat: Gott lässt die Jünger den Auferstandenen sehen. Der Glaube aber weiß zugleich: Die Wirklichkeit Gottes ist unvergleichlich größer und mehr; wir können immer weiter gehen, ihn kennen zu lernen, um aus der Begegnung mit ihm zu leben.

3. Objektivität der tätigen Liebe

  • Eine wichtige Konsequenz sei zum Schluss benannt. Die Gewissheit des christlichen Glaubens kann in Dialog treten mit denen, die nicht glauben oder einen anderen Glauben haben.
  • Weil Gott größer ist, können wir gespannt darauf sein, wie Gott sich im Herzen anderer Menschen und Kulturen offenbart, ohne damit die eigene Gewissheit über Bord zu werfen, dass der von den Menschen am Kreuz getötete wahrhaft Gottes Sohn ist und lebt, weil er auf Gott vertraut hat.
  • Vor allem aber rührt eine echte Gewissheit des christlichen Glaubens immer aus einer Begegnung. Wer das weiß und erfahren hat, wird gar nicht auf die Idee kommen, andern den Glauben wie eine tote Wahrheit überstülpen zu müssen. Ausdrücklich spricht der Auferstandene von dieser Verbindung von Glaubenserkenntnis und Lebenspraxis, die an aller Ungerechtigkeit umkehrt: "Der Messias wird leiden und am dritten Tag von den Toten auferstehen, und in seinem Namen wird man allen Völkern, angefangen in Jerusalem, verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden."
    Der Zeuge dieses Glaubens wird darauf vertrauen, dass der "Urheber des Lebens " sich dort offenbart, wo er in meinem Alltag lebendig ist und mir hilft, mehr zu glauben, mehr zu hoffen und vor allem mehr zu lieben. Amen.