Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit Lesejahr A 2008 (Johannes)

Zurück zur Übersicht von: 3. Sonntag der Osterzeit A

6. April 2008 - Universitätsgottesdienst St. Antonius, Frankfurt

1. Priester und Volk

  • Ich brauche Euch. Nicht als Lektoren, Musiker oder Kommunionhelfer oder in einer der anderen Aufgaben für die wir Leute brauchen, damit unsere Gottesdienste gut gestaltet und einladend sind. Dafür werden Leute gesucht. Aber die brauchen wir, nicht nur ich. Ich allein könnte mir die Texte durchlesen und mir den Stress mit der Predigt sparen. Aber ich brauche Euch.
  • Ich bin hier nur der Priester am Altar. Zugegebenermaßen ist diese Rolle nicht ganz unwichtig für unseren Gottesdienst. Das "nur" mag deswegen zynisch klingen oder wie ein Understatement. Aber es ist wirklich nur eine Rolle. Sie wurde mir übertragen und aufgetragen, als mich der Bischof zum Priester geweiht hat. Und dass ich heute konkret hier stehe, hat damit zu tun, dass mich wiederum ein Bischof - auf Vorschlag des Jesuitenordens - hier her geschickt hat. So habe ich nun die Rolle des Priesters hier in diesem Gottesdienst.
  • Ohne Euch aber wäre ich leer in dieser Rolle. Ich meine damit nicht, dass Ihr ein wunderbares Publikum seid für meine Predigt. Ich meine damit viel grundsätzlicher. Es geht um das Wesen der Kirche, in der sich die Hierarchie gern als das Wesentliche darstellt - und von manchen, die sich besonders katholisch dünken, so dargestellt wird. Wenn ich aber die Bestimmung von Petrusamt und Gemeinde im heutigen Evangelium ernst nehme, dann stellt sich das Gefüge anders dar.

2. Petrus und Johannes

  • Die Gemeinde des Johannesevangeliums ist katholisch. Sie fügt an ihr Evangelium ein Kapitel an. Eigentlich endet das Johannesevangelium deutlich mit Kapitel 20. Dann folgt aber dennoch 21. Darin verbinden die Christen in der Tradition des Johannes ihr Evangelium mit den drei anderen kanonischen Evangelien. Sie nehmen Osterüberlieferungen aus der ganzen Kirche und stellen damit das Zueinander ihrer Gemeinde zur Gesamtkirche und Petrus dar. Und die Gesamtkirche zählt im Gegenzug das Johannesevangelium zu den authentischen Zeugnissen über Leben und Tod Jesu Christi.
  • Petrus hat die leading position. Er geht fischen, die andern gehen mit. Er zieht das Netz mit den 153 Fischen an Land; allein. Letzteres hat viele Deutungen erfahren. Oft wurde in dem Netz die Kirche gesehen und in der Zahl 153 die Gesamtheit der Völker (denn 153 sei die Zahl der Fische, die im See von Genezareth vorkommen). Vom Fortgang des Kapitels wird auf jeden Fall deutlich, dass Petrus die Aufgabe hat, die Kirche zusammen zu halten ("Weide meine Schafe"). Es gibt das Amt in der Kirche und es hat eine Aufgabe.
  • Zugleich wird aber erinnert, wer Petrus ist: ein fehlbarer Mensch. Das Kohlenfeuer erinnert an den Hof des Hohenpriesters, wo Petrus seinen Herrn verleugnet hatte (Das Wort anthrakiá kommt tatsächlich nur an diesen zwei Stellen vor!). Drei Mal wird der Auferstandene Petrus daher fragen "Liebst Du mich?". Von da her hat es eine klare Bedeutung, warum Petrus sich ein Gewand überwirft, bevor er durch das Küstenwasser (der Taufe?) auf Jesus zuläuft: Wie Adam ist er sich seiner Nacktheit und Schuld bewusst. Es gibt keinen Anlass, die Amtsträger in der Kirche zu verklären. Nicht den Priester, nicht den Bischof, nicht einen der Nachfolger Petri.

3. Glaube und Kirche

  • Petrus ist nicht der erste im Glauben. Ja, es gibt das Amt in der Kirche und es hat eine Aufgabe. Es gibt aber keinen Anlass, die Amtsträger in der Kirche zu verklären. Denn hier wie an anderer Stelle betont das Evangelium, dass Petrus als Träger des Hirtenamtes nicht der erste ist, der den Auferstandenen als den Herrn erkennt. Petrus ist nicht der erste im Glauben. Das ist vielmehr der Jünger, von dem das Evangelium sagt, es ist der, den Jesus liebte. Damit mag der Apostel Johannes gemeint sein, damit mag ein anderer Jünger gemeint sein, dessen Namen wir nicht kennen. Damit ist aber sicher jeder gemeint, der als Christ in der Taufe in die Liebe Christi hinein genommen ist.
  • "Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr!" Dazu, genau dazu brauche ich Euch. Als Christ und Getaufter mit Euch suche ich aus der Liebe Jesu zu leben und ihn unter den vielen Erfahrungen zu identifizieren, als einer von vielen. Als Priester aber bin ich beauftragt, die Kirche in der Feier des Herrenmahles und in der Lehre der Apostel zusammen zu führen. Meine Versuchung ist es, diesen Auftrag als Herrschaft über den Glauben zu missbrauchen. Eure Versuchung ist es, die Kirchlichkeit Eures Glaubens an mich zu delegieren, sonntags "die Messe zu hören" und sich um nichts mehr zu bekümmern.
  • Ihr seid aber zu unendlich viel mehr fähig. Hinter dem Ruf "Es ist der Herr!" steckt viel.
    • Es ist Erkenntnis. Ihr seid in der Lage, Gott zu identifizieren in Eurem "Galiläa", im ganz normalen Leben. Nicht irgendwie vage und unverbindlich ist Gott, allerweltsbeliebig. Vielmehr könnt Ihr den Auferstandenen erkennen, der der Gekreuzigte ist, der inmitten seiner Jünger ist. Das setzt natürlich voraus, dass man sich für Jesus Christus interessiert, nicht nur verschämt privat, sondern in der gemeinsamen Lektüre und Diskussion über das Evangelium.
    • "Es ist der Herr!" ist aber auch Orientierung. Denn "Herr" wird genannt, wer zählt. "Herr" ist nicht irgendeine Herrschaft außer Euch oder gar in Euch selbst, sondern Gott in Christus. Das zu entdecken macht unglaublich frei und souverän.
    • Schließlich ist "Es ist der Herr!" auch Gemeinschaft. Nicht notwendig bei der nächsten KHG-Veranstaltung. Die Kirche Gottes ist größer: Als Getaufte gehört Ihr zu Christus, wie andere Getaufte auch. Gemeinsam könnt ihr unterwegs sein, in Partnerschaft, mit Freunden, in Ehe, in Familie, auch in der KHG. Immer aber mit Gott. Lasst Petrus und seinem Personal die Sorge, dass das Netz nicht reißt. Euch selbst aber macht auf, Gott zu entdecken. Amen.