Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 3. Fastensonntag Lesejahr A 2023 (Exodus)

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12. März 2023 - St. Peter, Sinzig

1. Unter uns

  • Lassen Sie sich durch ein solch langes Evangelium nicht erschrecken. Am Ende berichtet es von der sehr persönlichen Begegnung einer Frau aus einem Dorf in Samarien mit Jesus – in dem sie zunehmend Gottes Gegenwart erkennt. Ihre Fragen und Sorgen sind nicht die meinen. Aber vielleicht sind doch wichtige Themen dabei. Am Ende erzählt es von einer Begegnung. Und wenn ich selbst Gott erfahren will, interessiere ich mich leidenschaftlich genau dafür.

  • Es bleibt nicht bei der Frau. Nachdem sie verstanden hat, dass sie in Jesus eine Gotteserfahrung gemacht hat, läuft sie in ihr Dorf und berichtet. Und damit ermöglicht sie vielen anderen offenbar ähnliche eigene Erfahrungen. Die Reaktion dieser Samariter ist: Sie wollen Jesus in ihrer Mitte behalten. Doch er zieht weiter.

  • Damit berührt das Evangelium eine Urfrage der Bibel. Die Frage steht am Ende unserer heutigen Ersten Lesung aus dem Buch Exodus. Die Frage beinhaltet die ganze Wucht des Zweifeln und Suchens nach Gottes Gegenwart, nach verlässlichen Zeugen Gottes und nach eigener Erfahrung. Es ist eine Frage, die eine allzu selbstbewusste Kirche allzu lange nicht mehr gestellt hatte. Die wir aber stellen sollten: Im Buch Exodus steht sie: "Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?"

2. In der Wüste

  • Ist das Gott in unserer Mitte oder nicht? Ich zumindest merke beim Aussprechen der Frage, dass ich sie viel zu selten stelle. Viel zu oft steht für mich etwas ganz Anderes in der Mitte. Das macht den Glauben banal, wenn in der Mitte irgendwelche Traditionen, Organisationsfragen, Partikularinteressen ästhetischen Vorlieben oder anderes stehen – aber es nicht Gott in unserer Mitte ist.

  • Das Zerfallen unserer Gemeinden hat vor ein paar Jahrzehnten eingesetzt und ist heute unübersehbar geworden. Ich fürchte dies hat genau damit zu tun, dass wir uns zu lange nicht mehr die Frage gestellt haben, die Israel in der Wüste bewegt: "Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?" Vermutlich ist es auch kein Zufall, dass sich diese Frage in der Wüste stellt: Auf der Flucht, ohne feste Häuser, mit Hunger und Durst: "Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?"

  • Und noch eines fällt mir bei diesem Abschnitt aus dem Buch Exodus auf: Im Kern geht es um die Autorität der Leitung des Mose. Das Volk Israel "murrte gegen Mose" der sie in die Wüste geführt hat, auf den Weg der Befreiung, der zugleich der Weg heraus aus einer Sklavenexistenz war, in der alle wie der Hund seinen Fressnapf etwa zu essen hatte. Die Frage nach Gott in unserer Mitte ist offenbar nicht zu trennen von der Frage nach der Autorität der Leitung.

3. Zwei Tafeln

  • Später auf der Wüstenwanderung wird Mose mit Gott sprechen und sagen "Wenn ich Gnade in deinen Augen gefunden habe, mein Herr, dann ziehe doch, mein Herr, in unserer Mitte!" (Ex 34,9). Die Antwort Gottes ist das Gesetz und sind die beiden Tafeln mit den Zehn Geboten. Überraschend also: Die ganze Herrlichkeit Gottes inmitten seines Volkes passt auf zwei Tafeln, von denen Jesus sagen wird: Zusammengefasst sei dies Gott und den Nächsten aus ganzem Herzen zu lieben.

  • Tatsächlich wird von nun an der Gott in der Mitte seines Volkes die Bundeslade sein: Ein hölzerner Schrein, in dem die beiden Tafeln des Gesetzes aufbewahrt werden. Das wird das Allerheiligeste in der Mitte Israels sein. Und nach dem Babylonischen Exil, als diese Tafeln verloren waren, ist dort nur noch der leere, freie Raum. Gottes Herrlichkeit ist der Raum, der gefüllt ist mit seiner Einladung an uns, ihn und die Nächsten zu lieben. Dies aber als "sein Volk", das "Volk seines Bundes", nicht als individualisiertes Privatvergnügen, sondern als Sendung der Kirche.

  • "Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?" Die Antwort der Heiligen Messe, der Eucharistie, ist das Brot auf dem Altar. Nach dem Gebet um den Heiligen Geist, nachdem der Priester im Hochgebet an Jesu Auftrag erinnert hat, soll der Priester schweigen – ich habe mir angewöhnt dabei einen Schritt vom Altar zurück zu treten – und nur die Gemeinde soll sprechen: "Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit". Das ist vielleicht der Moment von dem wir ahnen können: Ja, der Herr ist hier, in unserer Mitte.