Predigt 3. Adventssonntag Lesejahr B 2005 (Johannes)
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11. Dezember 2005 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt
1. Wer ist Johannes
- Was wissen wir schon vom Täufer Johannes? Viele werden eine Vorstellung
von ihm haben: der Asket, der am Jordan tauft, der mit den Vornehmen, die
aus Jerusalem zu ihm kommen mit donnernder Stimme hart ins Gericht geht. Allerdings
steht von all dem nichts im Johannesevangelium. Selbst dass er taufte, erfahren
wir nur indirekt aus der Frage der Abgesandten der Priester aus Jerusalem.
- Uns geht es wie den damaligen Hörern des Johannesevangeliums. Es ist
mir aus verschiedenen Stellen ganz klar, dass diese Gemeinde damals wie wir
heute die anderen Evangelien kannten oder zumindest aus anderen Quellen viele
Informationen über Jesus, die Apostel oder eben auch den Täufer
Johannes hatten. Das Johannesevangelium (das ja seinen Namen nicht vom Täufer
Johannes hat) setzt das voraus. Es kann viele Details aus den anderen Evangelien
voraussetzen und weglassen und dadurch zum Kern kommen. Wer war der Täufer
Johannes im Kern, wenn ich all das, was ich an Bildern und Geschichten im
Kopf habe, weglasse und nur das heutige Evangelium höre?
- Johannes war ein Mensch. Er trat auf, weil er von Gott gesandt war. Er kam
als Zeuge, nicht für sich selbst, sondern für das Licht. Er bekennt,
dass er nicht irgendeine Propheten- oder Messiasgestalt ist, wie sie die Bibel
verheißt. Von sich selbst sagt er nur eines: Ich bin die Stimme. Er
ist eine Stimme, die aufruft, dem Herrn den Weg zu bereiten. Der Täufer
verweist damit aber auf keinen anderen als auf Gott, denn beim Propheten Jesaja
ist es die Stimme Gottes selbst, die ruft: Bereitet dem Herrn, JHWH, den Weg,
macht gerade was krumm ist, den Gott selbst kommt!
2. Stimme und Zeuge sein
- Johannes leiht Gott seine Stimme. Damit nimmt er sich selbst unglaublich
zurück und erhebt zugleich einen unglaublichen Anspruch. Beides ist fragwürdig.
Zuerst fällt es schwer, nicht dem meine Stimme zu geben, was ich selbst
bin und will, sondern einem anderen Stimme zu sein. Auf der anderen Seite
aber muss nach dem Recht gefragt werden, mit dem da einer den Anspruch erhebt,
dass seine Stimme Gottes Wort sagt.
- Grundlage dafür ist Demut. Das bezeichnet nicht eine Haltung in der
die eigene Existenz verleugnet wird. Demut ist nicht ein Mangel an Selbstbewusstsein.
Vielmehr ist es eine ungeheure Stärke, aus der heraus ein wirklich demütiger
Mensch so durchlässig wird für die Gegenwart Gottes. Lange wird
der Täufer Johannes mit sich gerungen haben, bevor er zu dieser Größe
fähig war. Dass er nun nicht aus eigenem Anspruch redet, sondern Stimme
des Herrn ist, können wir an dem überprüfen, was er sagt. Die
Botschaft des Johannes ist ganz verwurzelt in der Offenbarung Gottes, die
die Heilige Schrift überliefert.
- Damit wird Johannes zum Zeugen. Mit seinem Leben bezeugt er das, was er
sagt und verkündet. Wir hätten gesagt, er ist glaubwürdig.
Es ist aber mehr. Johannes wird als Zeuge fruchtbar, denn er bereitet in der
Tat Gott unter den Menschen den Weg.
3. Dem Herrn den Weg ebnen
- Keiner von uns ist Johannes der Täufer. In der Wüste und am Jordan,
in Kamelhaarmantel und Askese aufzutreten und donnernd zur Umkehr aufzurufen
- das dürfte sich keiner von uns für die nächste Woche vorgenommen
haben. Indem das heutige Evangelium aber die Existenz des Täufers auf
ihren Kern zurückführt, öffnet sich doch die Perspektive. Vielleicht
sind wir solchen Stimmen und solchen Zeugen schon selbst begegnet. Vielleicht
können wir - im Kern - selbst Stimme sein und Zeuge.
- Es ist einen Versuch wert. Den meisten von werden Gesichter einfallen, wenn
wir uns fragen, wer für uns in unserem Leben "Stimme Gottes"
war. Es gibt Menschen, die uns im entscheidenden Augenblick dazu bringen,
stehen zu bleiben und unserem Leben eine neue Richtig zu geben. Es gibt Menschen,
die dem Glauben ihr Gesicht und ihre Stimme gegeben haben und so für
uns zu Zeugen geworden sind. Wir alle haben den Weg hier her an den Tisch
des Herrn gefunden. Wer war es, der dem Herrn den Weg zu uns bereitet hat?
- Wie Johannes hat jede Stimme ein Gesicht. Jeder, der uns Zeugnis gegeben
hat für das Licht, war eine ganz konkrete Person. Aber auch wir sind
konkrete Menschen und haben unseren Platz und unser Angesicht. Der Advent
ist für uns die Einladung, es zu wagen. Es ist Zeit, uns selbst zu fragen,
ob und wo wir nicht nur für uns selbst Stimme sind und Zeugnis ablegen,
sondern Stimme sind und Zeugnis ablegen für "das Licht, das
jeden Menschen erleuchtet". Der Ruf "Ebnet den Weg für
den Herrn!" ist gemeint als Aufforderung an jeden von uns. Amen.