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11. Dezember 2022 - St. Peter, Sinzig
1. Geduld
Gott, der Allmächtige, hat die Deutsche Bahn AG (für Zugfahrer), den Kölner Ring (für Autofahrer) und den Ausbau des Internets (nicht nur im ländlichen Bereich) dazu erwählt und berufen, uns in der Tugend der Geduld zu schulen. Erstaunlicherweise danken ihm die Menschen selten dafür, sondern schimpfen auf Bahn, Telekom und die jeweils anderen Autos im Stau.
Geduld wird meist als Tugend gesehen. Wir haben in der kurzen Zweiten Lesung aus dem Jakobusbrief eine nachdrückliche Mahnung zur Geduld gehört: „Haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn!“ Für diese frühen Christen erfüllte sich die Verheißung einer neuen Erde, die sie als Juden vom Propheten Jesaja kannten, mit der erwarteten Ankunft „des Herrn“, ihrem Gesalbten Gottes Jesus, Jesus dem Christus.
Sie können sich diese Zeit nur denken als eine Zeit, in der es nicht mehr an uns Menschen ist, noch dieses oder jenes zu tun. Es ist nur noch Gottes Zeit. Es ist Advent. Zeit der Ankunft Gottes. Der große Advent, in den einzuüben uns der kleine, jährliche Advent vor Weihnachten Gelegenheit gibt - und nur sehr ersatzweise der verspätete ICE, der Stau am Kölner Ring oder das elendig lahme Internet. Diese sind ja keine Zeiten der Ankunft Gottes, sondern Zeiten, in denen wir schon wieder etwas tun wollen. Aber immerhin: wir können uns üben in Geduld.
2. Tun
Allerdings ist Geduld nicht immer eine Tugend. Manchmal ist Geduld nur eine Maske, hinter der sich Bequemlichkeit oder - öfter noch - Ängstlichkeit verbirgt. Aus der Ängstlichkeit, etwas falsch machen oder für etwas belangt werden zu können, setzen Menschen die Maske der Geduld auf und verkaufen uns als Tugend, was doch nur verantwortungslos ist.
Der Jakobusbrief ist bei Martin Luther und infolgedessen in den reformatorischen Kirchen sehr in Misskredit geraten, nicht wegen der Geduld, sondern wegen des Gegengewichtes, das sich im selben Brief findet: Im 2. Kapitel heißt es dort „Wenn ein Bruder oder eine Schwester ohne Kleidung sind und ohne das tägliche Brot und einer von euch zu ihnen sagt: Geht in Frieden, wärmt und sättigt euch!, ihr gebt ihnen aber nicht, was sie zum Leben brauchen - was nützt das? So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat.“
Hier geht es nicht um einen Einspruch gegen das, was Martin Luther als das Herz seiner Theologie bei Paulus meint gefunden zu haben: Gerecht gemacht allein aus Glauben, nicht durch Werke. Das ist jedoch beim Jakobusbrief gar nicht das Thema. Hier wird gesagt, wir sollen uns nicht hinter Geduld und Gottvertrauen verstecken, wenn wir einen Armen nähren oder kleiden können. Wenn wir es können, dann sollen wir es tun. Übertragen heißt das auch: Wenn wir auch nur irgend etwas tun können, die Klimakatastrophe zu mildern, dann sollen wir es tun. „So ist auch der Glaube für sich allein tot, wenn er nicht Werke vorzuweisen hat.“
3.Gebet
Doch dann steht da mindestens so wichtig die Mahnung zur Geduld. Denn es ist die Meinung des Menschen, alles tun zu können, die wesentlich zur Klimakatastrophe geführt hat. Es ist die Hybris, sich über alles zu stellen, mit der der Mensch sich und seinen Planeten zerstört. Es ist selbst in den privatesten Beziehungen, in Freundschaft und Ehe, so, dass wir am meisten kaputt machen, wenn wir immer nur machen. Wer nicht auch an sich geschehen lassen kann, wird niemals Liebe erfahren. Vielleicht habe ich die meisten Tränen in der Beichte erlebt, wenn Menschen aufgeht, dass sie eine Beziehung dadurch zerstört haben, dass sie alles immer nur machen, gut machen wollten, statt auch einmal Liebe geschehen und empfangen zu können.
Geduld ist nicht nur gefragt, wenn ich auf etwas warte, ohne darauf Einfluss nehmen zu können, dass es eintritt. Geduld ist ja auch die Tugend, nicht selber alles zu tun und besser zu wissen (fällt mir besonders schwer!), und geduldig Anderen etwas zu überlassen und ihnen zuzuhören, ob sie nicht etwas zu sagen haben, das ich gar nicht erwartet hätte.
Genau dies ist doch auch die Grundhaltung, die für das Gebet nötig ist. Wenn ich schon weiß, was Gott mir zu sagen hat, dann wird es am Ende immer nur der eigene Vogel sein, den ich eifrig zwitschern höre, aber nie der Heilige Geist. Wenn ich die Stille im Gebet abbreche, weil sie nicht das gewünschte fromme Erlebnis produziert, dann war es von vorne herein kein Gebet. Erst wenn ich es ganz Gott überlassen kann, in der Stille oder im Rosenkranz, in der Meditation oder im Lobpreisgebet, im Mysterium der Hl. Messe oder in der Begegnung mit der Natur, wenn ich es das Gott überlasse, mein Herz zu berühren - erst dann gebe ich Gott dazu auch die Chance. Die große Mystikerin Teresa von Avila hat gestanden, dass sie viele Jahre Geduld haben musste, bevor Gott sie auf ganz unerwartete Weise seine Gegenwart erfahren ließ. Vielleicht muss ich mir nur klar machen, wie viele Jahre Gott schon geduldig auf mich wartet, um mich in der Geduld für ihn zu üben. Oder indem ich die Zeit, die die Zugverspätung oder der Stau mir schenkt, dazu nutze zu beten.