Predigt 3. Adventssonntag Lesejahr A 2004 (Matthäus)
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12. Dezember 2004 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt
In "Die Fetten Jahre sind vorbei" (2004) zeigt Hans Weingartner, dass
man in Deutschland politische Filme machen kann, die gekonnt unter
die Oberfläche gehen. Jan, Jule und Peter spüren den Zorn, versuchen
zu handeln - und entdecken dabei dass nicht nur die Dinge, sondern
auch sie selbst komplizierter sind, als sie dachten. |
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1. Sinn
- "Bist du es, oder müssen wir auf einen anderen warten?" Man muss den Täufer Johannes sehen, um zu ermessen, wie
tief diese Frage geht. Kaltgestellt im Gefängnis hat er Zeit im Übermaß, seinen Gedanken und Fragen nachzuhängen.
Johannes ist verhaftet worden, weil er sich mit König Herodes angelegt hat. Er ist nicht isoliert. Seine Jünger besuchen
ihn und versorgen ihn mit Informationen. Aber er ist kaltgestellt. Er kann nichts mehr tun, als sich wieder und wieder zu
fragen, ob er das Richtige getan hat, ob es sich gelohnt hat.
- Es gibt Fragen, die nicht so einfach zu beantworten sind. Dazu gehört die Frage, ob sich das Engagement gelohnt hat.
Ob das wenige, was ich tun kann, etwas bewirkt. Ob ich auf das richtige Pferd gesetzt habe oder falschen Träumen
nachgehangen bin - darauf würde ich schon gerne eine Antwort wissen. Johannes sitzt im Gefängnis. Er hört von den
Taten Jesu, von dem er einst am Jordan dachte, dass er der Messias ist. Nicht wenige seiner Jünger sind mit Jesus
gegangen. Johannes selbst hatte auf ihn gezeigt. Denn er wusste, dass er selbst nicht der Messias, der Christus, der
Gesalbte des Herrn ist. Er wusste, dass er nur ein Rufer in der Wüste ist. Diese Rolle aber hat Johannes ernst genommen.
Hat es sich gelohnt?
- Keiner von uns, nehme ich an, hält sich für den Messias. Aber jeder von uns, hoffe ich, versucht sich zu engagieren. Ein
wenig zumindest hoffen wir zu bewegen. Unsere kleine Sendung, unser kleiner Beitrag dazu, dass Gottes Gerechtigkeit
ein wenig mehr sichtbar wird in dieser Welt - sie sind es, von denen wir hoffen, dass sie unserem Leben Sinn geben. Wir
hoffen, dass da ein anderer ist, ein Gott überm Sternenzelt, der unseren Beitrag nimmt und aus den vielen Puzzelsteinen
sein Reich baut.
2. Zorn
- Auf der einen Seite ist das Engagement und die Hoffnung, auf der anderen der Zorn. Der Täufer Johannes ist geprägt
von einem heiligen Zorn, der auch bei Jesus manchmal durchscheint. Es gibt diese Johannes-Zeiten, in denen der Zorn
über Verlogenheit und Ungerechtigkeit sich breite Bahn bricht. Dann gehen Menschen auf die Straße und wollen nicht
hinnehmen, dass die einen bürgerliche Normalität leben, während die anderen um ihr Leben betrogen werden.
- Die Verlogenheit und die Ungerechtigkeit gibt es auch zu anderen Zeiten. Sie fressen sich in eine Gesellschaft ein. Wir
machen mit und schauen weg. Jeder kann wissen, dass die Turnschuhe so billig sind, weil am anderen Ende der Welt
Kinder dafür zu Spottlöhnen arbeiten müssen. Aber Thema ist nur das Schnäppchen, das jeder machen will. Jeder kann
wissen, dass auch hier im Lande die Schere zwischen arm und reich sich immer weiter öffnet. Aber die so genannten
Programme gegen Arbeitslosigkeit bleiben Kosmetik. Die fetten Jahre sind vorbei, in denen die Ungleichheit
auszuhalten war, weil für "die da unten" immer noch vergleichsweise viel abgefallen ist. Heute braucht es ein immer
bescheuerteres Fernsehprogramm, um den Zorn zu betäuben.
- "Was habt ihr denn sehen wollen, als ihr in die Wüste hinausgegangen seid? Ein Schilfrohr, das im Wind schwankt?
Oder was habt ihr sehen wollen, als ihr hinausgegangen seid? Einen Mann in feiner Kleidung? Leute, die fein gekleidet
sind, findet man in den Palästen der Könige." Jesus erinnert an die Zeiten des Zorns, an Johannes den Täufer. Es war
eine Zeit, als die Verlogenheit offen beim Namen genannt wurde. Irgendwie hatten alle gespürt, dass Johannes recht
hatte. Deswegen sind sie zu ihm an den Jordan hinaus gegangen. Jetzt sitzen sie wieder in ihren Häusern, haben Karriere
gemacht und sich so gut es geht eingerichtet. War das Engagement des Johannes vergeblich?
3. Wege
- Die Emissären des Johannes erhalten eine Antwort. Jesus antwortet auf die bange Frage des Täufers Johannes mit dem
Verweis darauf, dass sich ereignet hat, was die Propheten verheißen haben: "Blinde sehen wieder, und Lahme gehen;
Aussätzige werden rein, und Taube hören; Tote stehen auf, und den Armen wird das Evangelium verkündet." Jesus wirkt
Zeichen, dass das verheißene Heil möglich ist und Wirklichkeit werden kann. Die Wunder, die Jesus getan hat, sind
nicht nebensächlich. Sie sind zentrale Zeichen dafür, wohin Gottes Weg geht.
- Aber wie Gott seine Wege geht, ist nicht leicht zu verstehen. Nicht der Zorn überwältigt ihn, sondern die Liebe. Jesus
verkündet den Armen die frohe Botschaft. Aber er organisiert keine Zwangsbeglückung, die zu aller erst doch wieder
nur das eine wäre: Zwang. Es ist unendlich viel schwieriger, einen Menschen zu lieben, als nur einfach und effektiv sein
Glück zu organisieren. Der Weg der Liebe braucht das Eingeständnis der eigenen Ohnmacht. Darin unterscheidet sich
das Reich Gottes Jesu vom prophetischen Zorn des Johannes, der ihm den Weg bereitet hatte. Deswegen kann Jesus
sagen "Unter allen Menschen hat es keinen größeren gegeben als Johannes den Täufer; doch der Kleinste im
Himmelreich ist größer als er."
- Das Evangelium verkündet, dass es sich lohnt, sich zu engagieren. Wer nicht daran Anstoß nimmt, dass Gott den
mühseligen Weg durch die Geschichte gewählt hat statt dreinzuschlagen, der kann sich an die Seite dieses Gottes
stellen. Wir müssen nicht mitsingen im Chor derer, die schweigen über das, was Menschen angetan wird. Wir können
uns festhalten an Gott, wenn wir die eigenen Widersprüche aushalten und in kleinen Schritten mit bauen an dem Werk,
das im Stall von Betlehem begonnen hat. Wie es Jesaja verheißen hatte "Sagt den Verzagten: Habt Mut, fürchtet euch
nicht! Seht, hier ist euer Gott!" Amen.