Predigt zum 29. Sonntag im Lesejahr B 2015 (Hebräerbrief)
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18. Oktober 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Kevin
- Die meisten von Ihnen werden Kevin nicht kennen. Er ist Anfang der 1980er Jahre geboren und ein ganz besonderer Mensch. Also, eigentlich ist er ein ganz normaler Mensch. Aber es ist etwas Besonderes an ihm.
- Ohne dass das irgendwie aufdringlich wäre, ist Kevin jemand, der aus einer ganz selbstverständlichen Nähe zu Gott lebt. Jemand hat mal gesagt, dass er im Himmel genauso selbstverständlich zu Hause ist, wie im Alltag auf der Erde. Deswegen kann Kevin Menschen das Gefühl geben, dass er ihnen ohne Hintergedanken oder gar Angst begegnet - und dass es so sein muss, wenn ein Mensch ganz aus dem Gebet lebt. Mit seinem Vertrauen trägt er andere mit.
- Dabei hat es Kevin nicht leicht gehabt. Vor allem hatte er einige Situationen in seinem doch noch jungen Leben durchgemacht, in denen es ungeheuer schwer gewesen sein muss, sich richtig zu entscheiden.
Denn manche Entscheidung sieht zwar von außen gut aus, so als wäre es genau das, was Gott jetzt von mir erwarten würde; aber wenn man genauer hinschaut, ist es doch nur versteckte Selbstverliebtheit und nicht wirklich das Richtige. Kevin gehört zu den wenigen Menschen, die es in solchen Situationen schaffen, auch dann noch selbstkritisch zu bleiben, wenn ihm alle applaudieren. Ich ahne, dass es auch Kevin nicht einfach leicht fällt, in solchen Situationen der Versuchung zu widerstehen.
2. Jesus
- Kevin ist natürlich nicht sein richtiger Name. Aber so wie bei den heute Mittzwanzigern Kevin ein häufiger Name ist, war es damals auch der Name Jesus. Im Kindergarten in Nazareth war er sicher nicht der einzige.
- Deswegen bekommen wir den Klang dieses Satzes aus dem Hebräerbrief besser mit, wenn wir ihn einen Augenblick Kevin nennen - oder Laura, Jan, Stephanie, Dennis oder dergleichen. "Da wir nun einen erhabenen Hohenpriester haben, der die Himmel durchschritten hat, Kevin, den Sohn Gottes...".
- In der Normalität des Namens Kevin/Jesus und der Aussage, dieser Mensch habe die Himmel durchschritten, liegt die Pointe. Daher betont der kurze Abschnitt, den wir gehört haben, gleich im nächsten Satz, dass dieser Mensch genauso wie jeder andere Mensch in Versuchung geführt wurde. Dabei bedeutet Versuchung hier wie immer: Doch wieder nur an sich selbst denken, seine Interessen, sein Image, sein Wohlergehen an die erste Stelle setzen und danach entscheiden. Aber irgendwie hat Kevin/Jesus, dieser ungewöhnlich-gewöhnliche Mensch, so sehr aus dem Vertrauen in Gott gelebt, dass er diesen Versuchungen nicht auf den Leim gegangen ist.
3. Hoherpriester
- Ich weiß nicht, ob sie an irgend einen Menschen, den Sie kennen, gedacht haben, als ich von Kevin erzählte. Es gibt diese Menschen, deren Beziehung zu Gott so entspannt vertrauensvoll ist, dass sie ganz selbstverständlich die Menschen in ihrer Umgebung damit anstecken können. Ohne dass man es groß merkt, tragen sie ihre Mitmenschen im Gebet mit und vermitteln den anderen ein Gefühl, dass man vielleicht doch vertrauen und Liebe schenken kann, ohne Angst um sich selbst haben zu müssen. Sie sind mit einem anderen Wort im eigentlichen Sinn priesterlich - das in dem Sinn, in dem wir alle in der Taufe mit Jesus Christus zu Priestern gesalbt wurden und ein priesterliches Volk sind.
- In genau diesem Sinn nennt der Hebräerbrief Jesus einen "großen Hohenpriester": "Lasst uns also voll Zuversicht hingehen zum Thron der Gnade, damit wir Erbarmen und Gnade finden und so Hilfe erlangen zur rechten Zeit." Das ist feierlich biblische Sprache. Sie bezeichnet, worum es im Glauben geht: In eine persönliche, vertrauende, befreiende Beziehung zu Gott treten.
- Christen tun dies auf einem und letztlich nur einem Weg: Im Blick auf und in Gemeinschaft mit dem Menschen Jesus Christus, dem "Sohn Gottes", der "die Himmel durchschritten" hat, der von der Versuchung nicht korrumpiert wurde und doch ein Mensch ist wie Sie und ich und Kevin. Amen
P.S. In den ganzen Achtziger Jahren war Kevin auf Platz 53 und unangefochten Christian auf Platz 1.
Spitzenreiter wurde Kevin erst 1991 - im Jahr eins nach dem Film "Kevin allein zu Haus."