Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 27. Sonntag im Lesejahr A 2011 (Philipperbrief)

Zurück zur Übersicht von: 27. Sonntag Lesejahr A

2. Oktober 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gottes Friede

  • Wenn Jesus über das ewige Leben nach dem Tod spricht, dann verwendet er gerne das Bild von der Hochzeitsfeier, bei der Freude und Fülle herrschen. Daher passt es gut, wenn er für das Volk Gottes auf Erden das Bild vom Weinberg aufgreift, reift doch hier der Wein der Freude. Zugleich ist der Weinberg Gottes, wie Jesaja deutlich macht, ein Garten, den Gott selbst angelegt hat, umsorgt und schützt.
  • Diese Bilder machen anschaulich, wovon Paulus in seinem Brief an die Christen in Philippi spricht. Der Abschnitt, der unserer heutigen Lesung voranging, ruft auf zur Freude. Und der Text, den wir gehört haben, läuft zwei Mal zu auf die Verheißung des Friedens. Beide, Friede und Freude, hängen unmittelbar zusammen. Der Friede schafft Raum für die Freude, und die Freude ist eine Frucht des Friedens.
  • Von diesem Frieden ist auch in der Liturgie der Heiligen Messe die Rede. Es ist nicht jener Friede, den Menschen manchmal für einige Zeit hinbekommen, die Abwesenheit von Krieg. Der "Friede des Herrn" beschreibt vielmehr ein Leben, das aus der Gemeinschaft mit Gott kommt, das eine Mitte und ein Ziel hat. "Der Gott des Friedens" schenkt den "Frieden Gottes".
    Paulus will diesen Frieden nicht mit der waffenstarrenden und doch fragilen pax romana verwechselt wissen. Der von Gott kommende Frieden ist in sich so stark, dass er sogar mitten im Krieg den Hass und die Feindschaft überwindet. Nicht zufällig zeichnet dieser Frieden Menschen aus, die dazu befähigt werden, gewaltlos der Gewalt zu widerstehen und als Märtyrer Zeugen der Liebe zu sein.

2. Frei von Sorgen

  • "Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!" Dies ist nicht einfach so dahingesagt. Hier spricht einer, der weiß, dass er selbst auf kurz oder lang für die Verkündigung dieser Botschaft das Leben lassen muss, zu einer Gemeinde, die Anfeindung von außen ertragen muss. Es ist also verschärft zu sagen: "Sorgt euch um nichts", "in jeder Lage", selbst in dieser Bedrängnis lasst Euch nicht von der Sorge bestimmen.
  • Hier ist nicht ansatzweise Verdrängung realer Probleme am Werk. Vielmehr spricht hier die Erfahrung einer noblen Souveränität, zu der Menschen fähig werden, die keine Sklaven sind, sondern Kinder des höchsten Gottes. Diese Gotteskinder lassen sich in die Pflicht nehmen in den Aufgaben und Sorgen, die das Leben stellt. Diese gottessouveränen Menschen gibt es unter Obdachlosen, unter Bürgerkriegsflüchtlingen, in ganz normalen Berufen, als Väter und als Mütter, als Jugendliche und als Greise und manchmal sogar in einflussreichen Positionen. Sie verdrängen nicht die Realität, in der sie stehen, sondern bleiben gelassen in dem, was zu tun ist.
  • Paulus verweist darauf, dass dies etwas mit Gebet zu tun hat. "Betend und flehend bringt eure Bitten mit Dank vor Gott." Der 'Sorglosigkeit' der Christen entspricht ihre Fähigkeit, diese Sorgen öffentlich zu machen [Erik Peterson]. Das Bitten und Flehen übertönt dabei nie den Dank. Diese Form des Betens hat in der Liturgie der Heiligen Messe vor allem in den jeweils aktuellen Fürbitten nach dem Credo und vor der 'Eucharistie' ('Danksagung') ihren Ort. Dieses Bitten mit Dank müsste aber auch im gemeinsamen Beten von Christen in den Häusern und Familien, in Gebetskreisen und Gemeinschaften gepflegt werden, um zu spüren, welchen Unterschied es macht, die faktischen Sorgen in sich hinein zu fressen oder sie in der Gemeinschaft der Kirche vor Gott zu bringen.

3. Frucht des Friedens

  • Der Friede ist falsch, wenn er keine Frucht bringt. Da wäre privatisierende Behäbigkeit statt "Frieden Gottes", wenn der Friede sich nicht auswirkt im Zusammenleben der Menschen. Zwar beten wir vor dem Empfang der Heiligen Kommunion "... schenke deiner Kirche Einheit und Frieden". Der Frieden, den wir von Gott für uns als Gemeinschaft der Kirche und Kirchen erbitten, ist jedoch immer zugleich das, was ausstrahlt.
  • "Der Gott des Friedens wird mit euch sein", verheißt Paulus. Er beschreibt, welches ethische Verhalten damit verbunden ist.
    Erstens zählt er auf, was zu seiner Zeit in der philosophischen Literatur darüber zu finden ist, was als "wahrhaft, edel, recht, was als lauter, liebenswert, ansprechend" gilt. Er benutzt dafür die gängigen Ausdrücke seiner Zeit. All dies sollen die Christen bedenken. Sie sollen diese Werte nicht blind übernehmen, denn schließlich sind es dieselben Philosophen, die solches schreiben und die daneben Sklaven halten und Knaben missbrauchen. Wir sollen nicht kritiklos übernehmen, sondern bedenken und prüfen.
    Dann fügt er zweitens hinzu: "Was ihr gelernt und angenommen, gehört und an mir gesehen habt, das tut!" Damit verweist er darauf, dass die Kirche immer "apostolisch" ist, gebunden an die Verkündigung des Apostelamtes. Diese Grundstruktur, in der kirchlichen Tradition eine Richtschnur für die Auseinandersetzung mit den Werten der Gesellschaft von heute zu sehen, ist nach wie vor gültig. Die Erfahrung lehrt mich aber, dass auch hier kritisches Bedenken nicht abgeschaltet werden darf. Die Apostel und Heiligen bezeugen uns das verlässliche Evangelium, aber nicht alles, was wir an ihnen sehen, können wir unbedacht nachahmen.
  • Die Frucht des Friedens in uns, ist der Friede und die Gerechtigkeit, der Respekt und die Liebe, die das Volk Gottes nach außen hin auszeichnen sollen und können. Der Blick auf diesbezüglichen "Leistungen" des Christentums muss sich unserer Geschichte im Ganzen nicht schämen. Sie braucht sich aber auch der Heiligen nicht besonders zu rühmen; denn es ist Gott, der den Weinberg angelegt hat, es ist Gott, der uns als sein Volk gesammelt und gebildet hat. Es ist 'sein Recht' und unser Heil, dass er von diesem Weinberg Früchte erwartet. Amen.