Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 25. Sonntag im Lesejahr B 2018 (Markus)

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23. September 2018 - Gottesdienst der KHG, St. Remigius Bonn

1. Stimmungsumschwung

  • Manchmal hat der Stimmungsumschwung schon stattgefunden, aber er erreicht diejenigen, die es am meisten betreffen sollte, noch nicht. Sie sind zu sehr mit sich selbst und ihren eigenen Plänen beschäftigt, um zu merken, dass um sie herum die Stimmung schon längst umgeschlagen hat.
    Im inneren Kreis der Apostel scheint es so zu sein, dass sie noch ganz damit beschäftigt sind, wie sie die Begeisterung, die Jesus ausgelöst hat, für sich selber nutzen können. Sie hören Jesus, aber es erreicht sie nicht; stattdessen sprechen sie miteinander darüber, wer unter ihnen der Größte sei.
  • Jesus dagegen hat das deutliche Gespür dafür, dass die Begeisterung über seine Taten und Worte zwar echt ist, und diese viele berührt und bewegt haben, das aber nichts daran ändert, dass seine Auftritte  von Anfang an auch Gegner auf den Plan gerufen haben. Wie er gesprochen hat, wem er begegnet ist, wen er berührt hat, auf wessen Lebensgeschichte er sich eingelassen hat, das hat ihn nahe gebracht zu manchen Menschen. Es hat ihn aber auch – erst nur leise und still, zunehmend jetzt auch aggressiv und deutlich – die Feindschaft anderer eingetragen. Das führt nun zunehmend dazu, dass viele, die bislang positiv eingestellt waren, jedoch ohne dass ihr eigenes Leben dadurch groß berührt worden wäre, sich nun von ihm abwenden. Diese große Masse in der Mitte ist es, die von Claqueuren zu Anklägern werden.
  • Ob damals schon eine Rolle gespielt hat, wie die Apostel mit der Botschaft Jesu umgegangen sind, das können wir heute nicht mehr entscheiden. Auffällig ist, dass die Apostel selbst offensichtlich diese Begebenheiten, wie sie im heutigen Evangelium geschildert werden, für so wichtig hielten, dass sie zum Bestandteil ihrer Verkündigung wurden. Nur so konnten diese Berichte in unser heutiges Evangelium gelangen, dass diejenigen, die in ihrer Begrenztheit und Selbstbezogenheit geschildert werden, die Frohe Botschaft darin erkennen, dass das beim Namen benannt und nicht vergessen wird.

2.  Leidensankündigungen

  • Das Markusevangelium schildert betont drei Anläufe, die Jesus nimmt, um die Apostel darauf vorzubereiten, dass die Realität eine andere ist, als sie sich das zurechtträumen. Drei Mal Ankündigung des Leidens, drei Mal Nicht-Hören, Nicht-Verstehen der Apostel, Petrus vorneweg.
    Statt zu verstehen, dass Jesus vielleicht auch Freunde braucht, diskutieren die Apostel, wer unter ihnen der Größte sei. „Wo Eifersucht und Ehrgeiz herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art“ schreibt später der Jakobusbrief und benennt damit die Konsequenzen.
  • Offenbar haben die Apostel später darin ein zentrales Problem der Kirche erkannt. Sonst wäre das Thema nicht so zentral in die Evangelien gekommen. Was Markus aufschreibt, ist ja Stoff, den er aus der Verkündigung des Petrus nach Ostern übernommen hat.
    Über Leiden, Tod und Auferstehung Jesu kann nicht geredet werden, wenn nicht auch das andere erzählt wird, dass es nicht gehört und verstanden wird, wo die Sünde des Groß-sein-Wollens mächtig ist. Nur wenn das immer und immer wieder erzählt und erinnert wird, kann das, was Jesus getan, gesagt und erlitten hat, dann auch heilsam sein – durch das Leben und die Verkündigung der Kirche, die die Kirche der Sünder ist.
  • Ohne diese Verkündigung geht die Botschaft unter durch  Selbstbezogenheit einer Hierarchie und einer Organisation, in der Menschen versuchen, einander in Größe, Bedeutung, Einfluss, Fähigkeit oder was auch immer zu übertreffen. Das ist so und eigentlich sollte das Evangelium die Kraft dazu geben, dass aus der Kirche heraus das Unrecht aufgedeckt und beim Namen genannt wird. Ganz offenbar ist diese Kraft nicht ausreichend.

3. Heilung

  • Verblüffend ist, was Jesus als Heilung heraus auf dieser Selbstbezogenheit und Ignoranz vorstellt. „Er stellt ein Kind in ihre Mitte, nahm es in seine Arme und sagte zu ihnen: Wer ein solches Kind um meinetwillen in meinem Namen aufnimmt, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt nicht nur mich auf, sondern den, der mich gesandt hat.
  • Die Heilung geschieht durch den Respekt gegenüber denen, die schutz- und machtlos sind. Das ist gleichsam der Lackmustest der Gottesgegenwart. Nicht die Zahl oder Intensität der Gebete entscheidet darüber, ob wir Christus in uns „aufnehmen“ und „den, der ihn gesandt hat“, sondern der Respekt gegenüber Kindern
  • Der Sinn der Kirche, das macht die ganze Heilige Schrift deutlich, besteht nicht darin, dass es keine Sünde gäbe. Das ist zu Recht immer wieder der Anspruch – aber zugleich ohne Zweifel immer und überall falsch. Manchmal sogar völlig falsch.
    Der Sinn der Kirche ist allein, dass in ihr Gott zeigen können soll, was Heilung ist. Denn umgekehrt ist natürlich die Kirche auch nicht der Ort, an dem allein die Sünde ihre hässliche Fratze zeigt. Doch die Kirche – und ausweislich des Evangeliums der Papst und die Bischöfe, als Nachfolger des Petrus und der Apostel besonders – ist von Gott dazu berufen, die Sünde nicht schönzureden, auszuschweigen und zu verleugnen, sondern sie aus- und Gott hinzuhalten, in der Bitte um Heilung, die von ihm allein geschenkt wird, wo wir neu beginnen, den Schwächsten und den Wehrlosen in Respekt zu begegnen und sie aufzunehmen wie Gott selbst. Amen.