Predigt zum 24. Juni: Geburt Johannes der Täufers 2001 (Lukas)
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24. Juni 2001 - khg Universitätskirche St. Nikolai, Göttingen
1. Fremdbestimmung
- Selten noch habe ich jemand getroffen, der froh war, von anderen
vorgeschrieben zu bekommen, was er zu tun und was
er zu lassen habe. Gleichwohl geht es den meisten so: andere haben
darüber zu bestimmen, wann ich wo zu sein und was
zu tun habe - zumindest so lange ich am Monatsersten etwas auf dem Konto
zu haben wünsche.
- Man findet sich damit ab und sieht es vielleicht in vielen Fällen
ein, dass und wie andere darüber bestimmen, was man tun
soll. Mit ihren Erwartungen und ihrem Druck gehen Menschen aber manches
Mal erheblich darüber hinaus: Nicht nur,
was der andere tun und lassen soll, wird ihm vorgeschrieben, sondern
mehr oder weniger offen auch, wer der andere zu
sein hat. Was ich bin, will ich mir das etwa vorschreiben lassen? Wohl
nicht.
- Es lohnt aber, sich in Erinnerung zu rufen, dass ich in
wesentlichen Dingen von anderen bestimmt wurde in dem, was ich
bin. Welche Sprache ich als meine Muttersprache spreche, habe ich mir
nicht ausgesucht. Dennoch bestimmt das mein
Denken wie kaum etwas anderes.
2. Namen
- Wie ich beim Namen genannt werde, ist für meine Identität nicht
unerheblich. Mag sein, ich habe mich daran gewöhnt.
Mag aber auch sein, dass mein Wunsch "ein anderer" zu werden sich darin
ausdrückt, dass ich einen anderen Namen
annehme, und sei es nur, dass ein "Heinz" sich darum bemüht, dass die
Leute ihn, älter geworden, beim eigentlichen
Namen "Heinrich" rufen.
- Der Name, den mir meine Eltern mitgegeben haben, ist Teil der
mitgegebenen Identität. Es war daher bei den Christen
früher und in anderen Weltgegenden üblich, dass man bei der Taufe einen
neuen Namen annahm - einen, den man sich
selbst ausgesucht hatte. Zumindest als Zusatz zum bisherigen Namen finde
ich es auch heute einen schönen Gestus, wenn
sich jemand den Namen eines Heiligen als Taufnamen zulegt: Damit kommt
zum Ausdruck, dass der alte Name und das
alte Ich neu wird.
- Das Lukasevangelium berichtet von den staunenswerten Umständen um
die Geburt des Täufers Johannes. Der Name
steht dabei im Mittelpunkt. Die Familie hätte, dem Brauch entsprechend,
dem Kind den Namen seines Vaters Zacharias
gegeben. Gott aber hat diesen Vater mundtot gemacht. Ein Engel hat den
Namen festgelegt - Johannes - und der Vater
hatte stumm zu bleiben, bis das Kind bei diesem Namen gerufen wurde. Bei
der Geburt und der Namensgebung dieses
Kindes hatten sich die Eltern dem zu fügen, was Gott für dieses Kind
bestimmt hat: "Sein Name sei Johannes."
3. Barmherzigkeit
- Der Name "Johannes" bedeutet: "Gott ist barmherzig". Das Kind -
und später der Mann - Johannes soll ausdrücken, dass
Gott dem Menschen Raum gibt in seinem Herzen - dass Gott barmherzig ist.
Es wird in dieser Erzählung deutlich, dass
der Mensch, mit dem Gott etwas vorhat und den Gott in seinen Dienst
nimmt, der Fremdbestimmung durch seine
Herkunft und Familie entzogen wird. Gott bestimmt, mit welchem Namen wir
gerufen werden - das ist die Botschaft.
- Ich will es niemand verdenken, wenn er diese Befreiung des
Menschen von der Fremdbestimmung seiner Herkunft mit
gemischten Gefühlen sieht. Im Blick auf das Schicksal des Täufers
Johannes wäre das verständlich. Es ist unter
Umständen alles andere als leicht, von Gott in Dienst genommen zu
werden. Es ist unter Umständen leichter, sich auf
Gewohnheit, Herkunft, auf die Meinung der Umgebung und den Trend oder
auf den globalen Wettbewerb zu berufen -
um nicht in die Hände Gottes zu fallen, der etwas von mir fordern mag.
- An Johannes dem Täufer wird dies überdeutlich. Nicht zufällig hat
die Kirche die erste Lesung zum Fest seiner Geburt
aus dem Gottesknechtslied im Buch Jesaja genommen. Mit Johannes hat Gott
im Streit mit dem menschenvernichtenden
Es dieser Welt einen in Dienst genommen, der nicht wissen
konnte, ob es dabei um Kopf und Kragen geht. Johannes hat
es den Kopf gekostet. Wenn wir heute seine Geburt feiern, dann können
wir das nur ehrlich tun, wenn wir glauben und
annehmen, dass der Name "Johannes" - "Gott ist barmherzig" - stimmt. Ja,
wir haben einen Platz in Gottes Herzen und
können uns deswegen im Auftrag dieses Gottes einsetzen. Die Mächtigen
mögen uns an den Kragen wollen wie einst
Herodes dem Johannes. Wir aber nennen eben diesen Gott des Johannes
barmherzig.
Glauben ist, sich der Fremdbestimmung der Herkunft und Umgebung zu
entziehen, Glauben ist, sich nur von dem Einen
zu bestimmen lassen. Glauben ist Freiheit. Amen.