Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr C 2001 (Lukas)

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2. September 2001 - St. Bonifatius, Frankfurt a.M.-Sachsenhausen

1. Beim Aperitif

  • Ob das was wohl eine "Glaubwürdigkeitslücke" genannt wird? Jesus fordert dazu auf, sich einen der untersten Plätze beim Festmahl auszusuchen. Dabei kann ich mir kaum vorstellen, dass er selbst bei diesem Gastmahl nicht vorne neben dem Pharisäers am Tisch ist, der ihn eingeladen hat. Sicher hat Jesus nicht die Zeichenhandlung-Show abgezogen, sich ganz unten hin zu setzen, um sich dann nach vorne holen zu lassen. Vielmehr spricht Jesus, wie das Evangelium betont, in einem Gleichnis (Die Einheitsübersetzung unterschlägt das Wort). Er spricht von einem Hochzeitsmahl.
  • Vielleicht ist man noch gar nicht bei Tische, als Jesus spricht, sondern gerade dabei sich vom Aperitif im Vorraum in den Speisesaal zu drängeln. Nach dem Synagogengottesdienst war Jesus mit in das Haus des Pharisäers gegangen. Man steht beieinander. Die Gastgeber beäugen ihn kritisch. Es ist Sabbat. Schon gab es die erste Konfrontation, denn Jesus heilt einen Kranken. Wo es um den Menschen geht, so macht Jesus deutlich, darf man sich nicht auf fixe Regeln berufen. Jesus heilt und macht sich bei den Gastgebern damit keine Freunde. Darauf folgt das Gleichnis vom Platzaussuchen beim Hochzeitsmahl.
  • Die Glaubwürdigkeit Jesu steht also nicht auf dem Spiel. Er nimmt seinen Platz ein, und dieser Platz ist nicht bequem.

2. Zu Tische

  • Wie bei jedem Gleichnis, müssen wir uns auch bei diesem erst in die erzählte Situation hinein begeben - gerade um sie anschließend übersteigen zu können.
  • Ein besserer Gastgeber würde - wie das üblich ist - die Gäste selbst an den Platz führen. Tischkärtchen erfüllen heutigentags diese Funktion. Nicht so bei dem Mittagessen, zu dem Jesus eingeladen ist. Dort drängeln sich einige, um vorne zu sitzen. "Stellt Euch vor", sagt Jesus, "ihr macht das bei einem Hochzeitsmahl genauso". Da damals Hinz und Kunz an der Feier teilnahmen, gab es nicht nur bessere und schlechtere, sondern richtig schlechte Plätze, ganz hinten im Saal. Man kann sich leicht vorstellen, wie jemandem zu Mute ist, der es geschafft hat, recht weit vorne zu sitzen und der dann vom Gastgeber gebeten werden muss, den Platz wieder zu räumen. Das Fest ist für diesen Gast gelaufen.
  • Ob es umgekehrt immer so sein wird, dass man durch den Gastgeber von dem hinteren Platz nach vorne geholt wird, kann man bezweifeln. Aber, so sagt die Lebenserfahrung, lieber freiwillig auf einem schlechteren Platz, als öffentlich blamiert dahin abgeschoben zu werden.

3. Vertrauen

  • Nicht diese Lebensweisheit ist es, auf die Jesus hinaus will. Ihm geht es um den Menschen. Wie kurz zuvor den Kranken, will Jesus heilen, indem er Menschen zu Gott hin öffnet. Jesus heilt Menschen, die sich sehr darum bemühen, aus Gott zu leben, und an ihren eigenen Regeln scheitern. Menschen die an sich selbst scheitern. Deswegen will Jesus mit dem Gleichnis sicher nicht helfen, sich geschickt selbst besser herauszustellen. Er will die Menschen zum Nachdenken bringen. Wie viel Energie wird nicht darauf verwandt, sich selbst in den Vordergrund zu stellen? Und wie fragwürdig ist der Erfolg. "Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden." Hoch und niedrig, wirkliche menschliche Größe ist nicht "machbar"; soziale Anerkennung zumal ist ein fragiles Gut.
  • Was Jesus weiters sagt, macht noch mehr deutlich, dass er herausführen will aus dem angstvollen Berechnen. Wer sich seine Freunde strategisch danach aussucht, von wem er zurück zu bekommen hofft, hat schon verloren.
    Unlängst habe ich nach einem Managementseminar die Beobachtung gemacht, dass sich einer gezielt beim Verabschieden nur an die gewandt hat, die ihm wichtig schienen. Dass er durch diese Borniertheit bei allen verloren hat, scheint ihm nicht aufzufallen.
  • Es kostet Mut sich auf die hinteren Plätze zu setzen. Es kostet Mut, nicht mitzumachen beim großen Who-is-Who-Gesellschaftsspiel. Oder, genauer: es kostet Vertrauen. Es kostet Vertrauen, dass Gott auf den hinteren Plätzen mindestens so präsent ist, wie auf den vorderen. Es kostet Vertrauen, dass Gott nicht festgelegt ist auf Prestige und Erfolg.
    Vertrauen aber ist das andere Wort für Glauben. Glaubwürdig ist diese Lehre Jesu geworden, weil er selbst mit seinem Leben bezeugt: Gott lässt sich unter die letzten der Gesellschaft rechnen, um die heil zu machen, die an ihrer Sucht dazu zu gehören zerbrechen. Vielleicht ohne es zu merken. Amen.