Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr C 2001 (Lukas)
Zurück zur Übersicht von: 22. Sonntag Lesejahr C
2. September 2001 - St. Bonifatius, Frankfurt a.M.-Sachsenhausen
1. Beim Aperitif
- Ob das was wohl eine "Glaubwürdigkeitslücke" genannt wird? Jesus
fordert dazu auf, sich einen der untersten Plätze
beim Festmahl auszusuchen. Dabei kann ich mir kaum vorstellen, dass er
selbst bei diesem Gastmahl nicht vorne neben
dem Pharisäers am Tisch ist, der ihn eingeladen hat. Sicher hat Jesus
nicht die Zeichenhandlung-Show abgezogen, sich
ganz unten hin zu setzen, um sich dann nach vorne holen zu lassen.
Vielmehr spricht Jesus, wie das Evangelium betont, in
einem Gleichnis (Die Einheitsübersetzung unterschlägt das Wort). Er
spricht von einem Hochzeitsmahl.
- Vielleicht ist man noch gar nicht bei Tische, als Jesus spricht,
sondern gerade dabei sich vom Aperitif im Vorraum in den
Speisesaal zu drängeln. Nach dem Synagogengottesdienst war Jesus mit in
das Haus des Pharisäers gegangen. Man steht
beieinander. Die Gastgeber beäugen ihn kritisch. Es ist Sabbat. Schon
gab es die erste Konfrontation, denn Jesus heilt
einen Kranken. Wo es um den Menschen geht, so macht Jesus deutlich, darf
man sich nicht auf fixe Regeln berufen. Jesus
heilt und macht sich bei den Gastgebern damit keine Freunde. Darauf
folgt das Gleichnis vom Platzaussuchen beim
Hochzeitsmahl.
- Die Glaubwürdigkeit Jesu steht also nicht auf dem Spiel. Er nimmt
seinen Platz ein, und dieser Platz ist nicht bequem.
2. Zu Tische
- Wie bei jedem Gleichnis, müssen wir uns auch bei diesem erst in
die erzählte Situation hinein begeben - gerade um sie
anschließend übersteigen zu können.
- Ein besserer Gastgeber würde - wie das üblich ist - die Gäste
selbst an den Platz führen. Tischkärtchen erfüllen
heutigentags diese Funktion. Nicht so bei dem Mittagessen, zu dem Jesus
eingeladen ist. Dort drängeln sich einige, um
vorne zu sitzen. "Stellt Euch vor", sagt Jesus, "ihr macht
das bei einem Hochzeitsmahl genauso". Da damals Hinz und
Kunz an der Feier teilnahmen, gab es nicht nur bessere und schlechtere,
sondern richtig schlechte Plätze, ganz hinten im
Saal. Man kann sich leicht vorstellen, wie jemandem zu Mute ist, der es
geschafft hat, recht weit vorne zu sitzen und der
dann vom Gastgeber gebeten werden muss, den Platz wieder zu räumen. Das
Fest ist für diesen Gast gelaufen.
- Ob es umgekehrt immer so sein wird, dass man durch den Gastgeber
von dem hinteren Platz nach vorne geholt wird,
kann man bezweifeln. Aber, so sagt die Lebenserfahrung, lieber
freiwillig auf einem schlechteren Platz, als öffentlich
blamiert dahin abgeschoben zu werden.
3. Vertrauen
- Nicht diese Lebensweisheit ist es, auf die Jesus hinaus will. Ihm
geht es um den Menschen. Wie kurz zuvor den Kranken,
will Jesus heilen, indem er Menschen zu Gott hin öffnet. Jesus heilt
Menschen, die sich sehr darum bemühen, aus Gott zu
leben, und an ihren eigenen Regeln scheitern. Menschen die an sich
selbst scheitern. Deswegen will Jesus mit dem
Gleichnis sicher nicht helfen, sich geschickt selbst besser
herauszustellen. Er will die Menschen zum Nachdenken bringen.
Wie viel Energie wird nicht darauf verwandt, sich selbst in den
Vordergrund zu stellen? Und wie fragwürdig ist der
Erfolg. "Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich
selbst erniedrigt, wird erhöht werden." Hoch und
niedrig, wirkliche menschliche Größe ist nicht "machbar"; soziale
Anerkennung zumal ist ein fragiles Gut.
- Was Jesus weiters sagt, macht noch mehr deutlich, dass er
herausführen will aus dem angstvollen Berechnen. Wer sich
seine Freunde strategisch danach aussucht, von wem er zurück zu bekommen
hofft, hat schon verloren.
Unlängst habe ich nach einem Managementseminar die Beobachtung gemacht,
dass sich einer gezielt beim Verabschieden
nur an die gewandt hat, die ihm wichtig schienen. Dass er durch diese
Borniertheit bei allen verloren hat, scheint ihm
nicht aufzufallen.
- Es kostet Mut sich auf die hinteren Plätze zu setzen. Es kostet
Mut, nicht mitzumachen beim großen
Who-is-Who-Gesellschaftsspiel. Oder, genauer: es kostet Vertrauen. Es
kostet Vertrauen, dass Gott auf den hinteren
Plätzen mindestens so präsent ist, wie auf den vorderen. Es kostet
Vertrauen, dass Gott nicht festgelegt ist auf Prestige
und Erfolg.
Vertrauen aber ist das andere Wort für Glauben. Glaubwürdig ist diese
Lehre Jesu geworden, weil er selbst mit seinem
Leben bezeugt: Gott lässt sich unter die letzten der Gesellschaft
rechnen, um die heil zu machen, die an ihrer Sucht dazu
zu gehören zerbrechen. Vielleicht ohne es zu merken. Amen.