Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Markus)
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30. August 2009 (Einführung neuer Pfarrer) - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
Es ist fürwahr ein Spagat in dem
brillant-schmutzigen Streifen "Inglorious
Basterds" von Quentin Tarantino (2009)
eine Anregung zum Thema "rein" zu suchen. Mich aber hat fasziniert,
wie einer es schafft, die erzählte Geschichte des Naziterrors umzuschreiben
und ihn damit zu entkleiden. Auf seine Weise legt Tarantino die Herrenmenschen
bloß, die alle in ihr Spiel verwickeln wollen, um den Abgrund ihrer
Verbrechen zu verdecken. Das hat etwas mit der Suche nach Reinheit zu tun. |
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1. Vor Gott treten
- Es macht nicht rein, alles nur so zu machen wie "die Alten". Das
ist eine Erkenntnis des Evangeliums. Die Schriftgelehrten beschweren sich
bei Jesus, dass seine Jünger es nicht so machen, wie es Tradition ist.
Die Überlieferung der Pharisäer macht ausgeklügelte Vorschriften,
die hygienisch gesehen durchaus sinnvoll sind. Aber sie erreichen nicht den
Zweck, "rein" zu sein. Und das macht sie gefährlich, weil die
Leute denken, wenn sie diese Regeln erfüllten seien sie "rein".
- Mit "rein" ist eben nicht die Hygiene gemeint. Der tut das Abwaschen
gut. Die Bibel und mit ihr Jesus meinen mit rein den Zustand des
Menschen, in dem der Gläubige im Tempel vor Gott treten kann. Hier, sagt
Jesus, bestimmt über rein und unrein der Zustand des Herzens, nicht der
Schmutz an den Händen und das "Abspülen von Bechern, Krügen
und Kesseln". Jesus erinnert daran, dass wir im Gebet mit dem allmächtigen
Gott in Beziehung treten. Gott aber sieht auf das Herz.
- Der Zugang zu dieser Frage ist oft verbaut. Zu sehr haben wir uns, auch
durch kirchliche Verkündigung, den Allmächtigen zu einem Kuschelgott
verbastelt. Eine der Einleitungen zum Vater Unser in der Messe sagt ausdrücklich:
"...darum wagen wir zu sprechen", bevor wir Gott vertrauensvoll als Vater
ansprechen. Das Gespür dafür, dass wir es der Zuwendung Gottes verdanken,
dass wir das Wagnis unternehmen dürfen, so unverschämt intim mit
ihm zu sein, muss ich vielfach erst wieder gewinnen.
2. Ehrfurcht
- Ist Gott der großmächtige Herrscher, der milde erlaubt, dass
wir ihn "Vater" nennen? Sagen wir ruhig erst einmal ja, denn es ist ein Segen
zu erfahren, dass das oftmals Gleichgültige dieser Welt nicht alles ist,
und Gott nicht das Ergebnis einer selbstgebastelten Wunschvorstellung. Als
Christen ist es unsere Aufgabe, Gott als Schöpfer und Herrn zu bekennen,
um die Herren dieser Welt auf das angemessene Maß herunter zu stutzen.
- Dann aber können wir zusehen, wo wir diese Erfahrung von Ehrfurcht
kennen. Nicht umsonst sagen viele, dass sie in der Natur oder der Kunst Gott
erfahren, sich ihm näher fühlen, als im Gottesdienst unserer Kirchen.
Vielleicht steckt in der Natur oder Kunst wirklich eine Erfahrung Gottes,
wenn Menschen dort erahnen, was Ehrfurcht vor dem Reinen bedeutet. Dort werden
sie still und ehrfürchtig. Das kann eine Erfahrung sein, die zu Gott
führt - oder auch nur ein Gottesersatz und ein Ersatz, weil in unserem
Gottesdienst von Ehrfurcht zu wenig zu spüren ist.
- Eine andere Erfahrung führt uns vielleicht weiter: Die Ehrfurcht, die
uns ergreifen kann, wenn wir ein kleines Kind sehen. Vor einem spielenden
Kind ist eine Einfachheit und Reinheit gegenwärtig, die einladen kann
niederzuknien. Und dies ist in der Tat die Gestalt, die Gott selbst gewählt
hat, als der Allmächtige Mensch geworden ist. Mehr noch, die Kleinen
sind par excellence die Menschen, die uns Jesus selbst als die vorgestellt
hat, die vor Gott treten können, weil sie die Größe Gottes
erfassen können und doch ganz sie selber sind.
3. Reinheit verkündigen
- Unsere Sendung ist es, diesen Weg zu gehen und dadurch Gott zu verkündigen.
Dazu sind wir berufen. Es ist dabei ebenso eine Versuchung, den Blick durch
die Überlieferung der Alten zu verstellen, wie es uns gottesunfähig
macht, wenn wir nicht die Reinheit des Kindes finden.
- Statt wir selbst zu sein und zu lieben, lassen wir uns fremde Identitäten
aufdrücken und verlieren dadurch die Kraft, die Geschichte aus dem Glauben
zu gestalten. Es ist wie bei dem Gesellschaftsspiel, bei dem man sich Spielkarten
auf die Stirn kleben lässt, auf denen, für mich selbst nicht sichtbar,
steht, wer ich bin. Dann geht das Ratespiel los, zu wem die anderen mich wohl
gemacht haben, zu Winteou, King Kong oder Mata Hari, oder halt zum Coolen
und Lässigen, zum sprachgewandt Gebildeten oder Verständnisvollen,
zum Machtbewussten oder Erfolgreichen - was auch immer auf der Karte steht.
Dieses bedrohliche Raten können wir lange spielen. Vielleicht ist es
ein Segen, wenn diese ganzen Verstellungen in sich zusammen brechen und wir
gefragt werden, wer wir wirklich sind, unverstellt, rein. Nur dann kann es
gelingen, die Geschichte umzuschreiben.
- Wenn wir das Böse aus dem "Herzen der Menschen" genau anschauen,
das Jesus aufzählt, weil es von innen her unrein macht, dann sind es
genau diese gesellschaftlichen Verstellungen. In Ehrfurcht vor den allmächtigen
Gott zu treten, ist der Weg zur Reinheit des Kindes zu finden. Nicht die Werte
sind es, die wir als christliches Sondergut als Kirche zu verkünden hätten.
Es ist die Ehrfurcht vor Gott in der Reinheit, die diese Begegnung bewirkt,
die wir und unsere Zeit nötig haben. Das ist das Evangelium, das wir
leben und verkündigen dürfen. Amen.