Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr B 2006 (Markus)

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3. September 2006 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius Frankfurt

1. Pornos

  • Pornos stehen bei Jesus an erster Stelle. In der Auflistung von 12 Dingen, die das Herz des Menschen unrein machen, stehen die porneíai am Anfang. Die 12-Zahl macht deutlich, dass es nicht um eine abgeschlossene Liste geht. Dieser "Lasterkatalog" meint alles, was das Herz eines Menschen verschließt. Gegenüber den rituellen Reinheitsvorschriften der Pharisäer und Schriftgelehrten fragt Jesus nach dem Herzen des Menschen. Hier ist für ihn die Wurzel des Guten wie des Bösen.
  • Die Reihe wird eröffnet durch die porneíai. In unserer Übersetzung ist es mit "Unzucht" wiedergegeben. Aber alle sechs ersten Laster in der Reihe sind im Original im Plural. Es sind Handlungen, Taten: Diebereien, Mordtaten, Ehebrüche und Habgierigkeiten. Kurz und zusammengefasst: Bosheiten, die Menschen einander antun und damit ihr eigenes Herz verschließen. Daran schließt Jesus eine zweite 6er-Reihe an, jetzt im Singular, die Haltung betreffend: Hinterlist, Ausschweifung, ein neidisches Auge, Verleumdung, Überheblichkeit (Hochmut) und das, was alle diese Handlungen sind: Unvernunft. Am Anfang von all dem aber stehen die porneíai, die "Hurereien" wie manche übersetzen.
  • Das griechische Wort leitet sich von einer Verbform für kaufen ab. Und immer ist es der Mann, der kauft. Die Prostitution der Antike ist nicht zufällig aus der Sklaverei hervorgegangen. Durch Besitzverhältnisse haben sich schon immer die Männer das Recht auf den verfügbaren Körper abgeleitet. Die porneíai stehen an erster Stelle, weil hier nicht nur die direkte Hurerei gemeint ist, sondern alle Formen von Hurereien, unverbindlichen, geld- und machtverfügten Aneignungen.

2. Kultur der käuflichen Unverbindlichkeit

  • Die allgegenwärtige Handelsware Pornographie entspricht ganz diesem Geist. Da die Kirche als verklemmt gilt, wird der Punkt selten angesprochen. Aber deswegen müssen wir doch nach einer Durchquerung des Frankfurter Bahnhofsviertels nicht behaupten, das sei alles in Ordnung und normal. Der Anblick menschlicher Körper und ihre Benutzung wird zum Kauf oder zur Miete angeboten. Unverbindlich ist das, die schnelle Befriedigung, gegen Geld zu haben, um unerkannt wieder zu gehen.
  • Das Thema ist nicht neu. In der griechischen Kultur der Zeit der frühen Kirche herrschte gegenüber Pornographie und Prostitution die gleiche verlogene Moral, die wir aus unserer Gegenwart kennen. Deswegen taucht das Thema auch bei Paulus so häufig auf, weil die von ihm gegründeten Gemeinden mitten in einer Unkultur leben mussten. In Städten wie Ephesus war Prostitution normal, ja sie wurde sogar am Tempel geübt und mit dem Mantel der Göttlichkeit verklärt. Dass Juden und Christen ihren Leib nicht verkaufen wollen und Liebe für sie nicht käuflich ist, machte sie zu Außenseitern der antiken Gesellschaft. Den Christen (und genauso den Juden), die die Hurerei in den griechischen Großstädten radikal ablehnten, ging es dabei nicht darum, ihre Moral vor sich herzutragen. Sie haben vielmehr in der Hurerei eine Haltung gesehen, die dem Abfall von Gott recht nahe kommt. Seit dem Propheten Hosea ist Hurerei das Symbolwort für Glaubensabfall. Dem Gott gegenüber, der es ernst mit ihnen meint, wollten die JHWH-Gläubigen nicht unverbindlich sein. Dem Gott gegenüber, der sich ganz ans sein Volk bindet, wollten die Christen sich nicht dann doch ab und an bei anderen Göttern einkaufen, um mal zu sehen, was diese zu bieten hätten.
  • Die Hurereien sind so typisch. Denn einerseits ist sie allgegenwärtig; selbst Kleinstädte haben heute Pornoshops. Andererseits sind Huren und Pornoschauspieler natürlich nicht gesellschaftsfähig. Einerseits wird der käufliche Selbstbetrug als Freiheit gefeiert, andererseits lässt die Gesellschaft die Menschen, die sie dafür bezahlen, außen vor. Jesus hat das genaue Gegenteil praktiziert. Er hat mit den Huren wie mit den Zöllner zu Tisch gesessen und ihnen einen neuen Weg zum Leben eröffnet. Andererseits hat er keinen Zweifel daran gelassen, welchen Schaden die Hurereien in den Herzen der Freier und in der Kultur und der Gesellschaft anrichten.
    Die Liste dessen, was das Herz unrein macht, nennt Jesus seinen Jüngern, nur ihnen (Durch die Kürzung in der Leseauswahl wird das leider nicht mehr deutlich). Er hält nicht Gericht über eine Gesellschaft, sondern er will, dass die, die ihm folgen, Leben finden, ihr Herz öffnen. Er warnt sie daher nicht einfach nur vor dem Bordellbesuch. Das ist fast selbstverständlich. Er legt den Finger vielmehr auf die dahinter liegende Haltung, die in vielen Formen auftritt.

3. Reinheit

  • Wie kann ich vor Gott hintreten? Kaum ein "normaler" Christ würde sich diese Frage stellen. Eher schon würde man sie als Frage an den Priester zulassen. Die Pharisäer waren mit ihrer Ausweitung der für die Priester gemeinten Regeln über "Reinheit - Unreinheit" auf alle Juden aber der Verkündigung Jesu sehr nahe: denn in der Taufe sind alle priesterlich. Allen gilt die Frage, wie wir vor Gott hintreten können. Wir können daher auch fragen, wie ich vor mich selbst hintreten kann. Denn nur dann kann ich wirklich vor mich selbst, vor mein Herz, treten, wenn ich auch vor Gott treten kann. In der Taufe hat Gott in mir Wohnung genommen, in meinem Herzen.
  • Um dieses Herz geht es Jesus, um die Mitte des Menschen. Mit seiner Botschaft zeigt er uns einen Weg, das Herz nicht zuzumüllen mit Möglichkeiten und Irrealitäten. Der unverbindliche Flirt geht nicht schadlos an einem selbst vorüber. Er besetzt immer auch das Herz mit etwas, dem ich doch keinen Platz geben wollte. Das, was ich tue, ohne es wirklich zu wollen oder an mich heran zu lassen, besetzt mich. Gott hingegen will, dass das Herz offen ist für das, was er mir schenkt für das ganze Leben.
  • Gott belässt es nicht bei Geboten und Regeln. Er lässt seine Liebe an sich ran. Das Kreuz Jesu verkündet uns Gott, der sich selbst schenkt. Darin besteht das Neue gegenüber dem Gesetz und den Propheten und darum tun sich die Schriftgelehrten seiner Zeit so schwer damit. Gott ist nicht käuflich, weder um Geld noch um Gesetzesgehorsam. Gott schenkt sich in seinem Bund. Gott schenkt sich in seinem Leib, am Kreuz in Jerusalem, am Altar mitten unter uns. Amen.