Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 22. Sonntag im Lesejahr A 2002 (Matthäus)

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1. September 2002 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Petrus Satanas

  • Der Papst ist ein Idiot. Der Papst ist ein debiler Tattergreis. Der Papst ist ein ungläubiger Hasenfuß. - All diese Behauptungen sind zwar hinreichend vage, um nicht belegt werden zu können, sie sind aber geradezu schmeichelhaft - im Vergleich zu dem, was Jesus dem Petrus auf den Kopf zu sagt.
  • Als Jesus, zögernd noch, beginnt den Jüngern klar zu machen, was ihm in Jerusalem bevorsteht, meinte Petrus, sich dagegenstellen zu müssen. Simon Petrus, eben zum Felsen der kommenden Kirche berufen, will seines Amtes walten und Schaden abwenden. Leiden und Tod in Jerusalem? Nicht so lange ich noch was zu sagen habe!
  • Der Abschnitt macht deutlich, dass die Hl. Schrift nicht unter der Rücksicht zusammengestellt wurde, die Autoritäten der jungen Kirche vor Kritik zu schützen. Petrus mag schon selbst dem Märtyrertod gestorben sein, als das Matthäusevangelium seine uns heute bekannte Form gefunden hatte. Es besteht aber kein Zweifel, dass zu jeder Zeit das Wort von Petrus, dem Satan, erzählt und berichtet wurde, gerade weil Petrus offensichtlich von Anfang an das Amt hatte, für die junge Kirche zu sprechen und ihre Einheit zu wahren. Dafür musste sich Petrus immer wieder erzählen lassen, wie wenig er Jesus verstanden hatte.

2. Sehnsucht nach Heilem

  • Dabei hätte auch die junge Kirche sicher lieber eine strahlende Gestalt im Petrusamt gesehen. Wie viel leichter fiele es doch zu glauben, wenn ein alle überzeugender, makelfreier, scharfsinniger und sympathischer Petrus Felsen der Kirche wäre.
  • Tief in uns ist die Sehnsucht nach dem Heiligen und dem Heilen. Zerbrochenheit erleben wir an uns selber. Es fiele leichter, mit dieser zu leben, wenn das Heilige über uns das Sagen hätte, und wir nicht mit der Last unserer Freiheit uns Schritt für Schritt durch das verwundete Dunkel tasten müssten. Es fiele leichter zu leben, wenn unserer Gebrochenheit eine greifbare Lichtgestalt gegenüberstände: private Lebenspartner oder Menschen im Rampenlicht, Frauen oder Männer, Lichtgestalten werden gesucht. Obwohl, zu viele schon wurden uns präsentiert; zu viele schon haben sich als zwiespältig erwiesen.
  • Die deutsche Öffentlichkeit hatte sich ihr eigenes Negativbild des Papstes gemacht, sich selbstgefällig damit über den Mann in Rom erhoben. Erstaunlich aber ist, dass mit der zunehmenden Hinfälligkeit des Papstes die Töne anders klingen. Es irritiert dann schon, wenn auf Weltjugendtreffen diesem alten Mann, dem Tattergreis, zugejubelt wird wie einem Popstar.

3. Geheimnis des Glaubens

  • Kern der Heiligen Schrift, des Ersten Bundes wie des Neuen Testamentes, ist die Verkündigung von Gottes Wirken mitten in der Menschengeschichte. Die Bibel bezeugt damit genau das, wogegen wir erfahrungssatt recht skeptisch sind: Dass Gottes Heiligkeit greifbar und erfahrbar ist. Daran hält die Bibel eindeutig fest. Wenn die Evangelien der Gestalt des Petrus eine so wichtige Rolle unter den Jüngern Jesu einräumen, dann steht dahinter die Überzeugung, dass in dieser Person und in diesem Amt des Petrus etwas für uns Zentrales steckt.
  • In der Zerbrochenheit der Welt bleibt das Heilige gegenwärtig - aber radikal anders, als sich das Menschen ausmalen würden. Gott zeigt seine Heiligkeit in der Welt nicht in der Macht, sondern in der Ohnmacht, nicht im Erfolg, sondern im Kreuz, nicht in der Herrschaft sondern im Dienst, nicht im Superstar, sondern in einem Simon Petrus. In diesem Paradox liegt das ganze Geheimnis des Glaubens. Der allmächtige Gott bezeugt sich selbst in dem, der unter Pontius Pilatus gelitten hat.
  • Das Petrusamt in der Kirche besteht daher für mich darin, dass es diese Spannung aushält: Gegenwärtig, unverfälscht, kraftvoll Gottes Willen zur Gegenwart in der Geschichte zu verkünden - durch die Botschaft vom Kreuz. Damit ich leben kann in der Kraft dieses Gottes, ganz gegenwärtig in meiner Geschichte und doch in Berührung mit dem Geheimnis Gottes. Damit ich mein Leben finden kann, indem ich es in diesen Gott und seine Geschichte mit mir verliere. Amen.