Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 20. Sonntag im Lesejahr A 1999 (Matthäus)

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15. August 1999 - St. Barbara, Krakau

1. Die Frau

  • Wir verdanken dieser Frau viel, die mit Jesus schachert um die Heilung ihrer Tochter. Jesus weist sie zuerst ab. Sie aber bleibt hartnäckig. Jesus besteht darauf, dass er nicht zu irgendwelchen Menschen gesandt ist, sondern ausdrücklich und ausschließlich zum Volk Israel. Die Frau aber lässt nicht locker. Mit aller Hartnäckigkeit und allem Charme eines orientalischen Basarhändlers kämpft sie um die Gesundheit ihrer Tochter. Sie erkennt an, dass Jesus zuerst und vor allem der Messias für die Juden ist. Aber es könne doch schon jetzt, so ihr Argument, wenigstens etwas für die anderen Völker von diesem Segen abfallen. Vor so viel Verhandlungsgeschick, vor so viel unbeirrbaren Glauben streckt Jesus die Waffen: "Frau, dein Glaube ist groß. Was du willst, soll geschehen. Und von dieser Stunde an war ihre Tochter geheilt."
  • Wir verdanken dieser Frau viel, denn ihr Glaube kann unseren Glauben aus dem Stahlgehäuse toter Notwendigkeit befreien und zum lebendigen Glauben an Gott werden lassen. Von dieser Frau können wir lernen, mit Gott zu hadern und zu schachern, statt ihn ausschließlich zum Gegenstand unserer ach so tiefen Gedanken zu machen. Mit Gott zu schimpfen oder ihn zu loben - beides ist Gott gemäßer als tote Vernunft.
  • Der Glaube kommt vom Hören, sagt der Heilige Paulus. Wir bräuchten daher doch nur den Glauben zu hören und diesen unseren Glauben recht zu verstehen - alles selbstverständlich aufgrund von Gottes Hilfe und zuvorkommender Gnade -, und schon hätten wir das Heil gefunden, wären befreit aus der Angst um uns selbst, könnten jedermann Auskunft geben, der uns befragt nach dem Grund unserer Hoffnung. Wir ständen nicht mehr mit leeren Händen da. Ein solcher Glaube ist jedermann vermittelbar; er passt auch besser in unsere Welt von heute. Wir müssen doch auch versuchen, die zwischenmenschlichen Beziehungen auf eine vernünftige Grundlage zu stellen. Die Dinge müssen regelbar und geregelt sein. Wer in sich selbst Abgründe entdeckt, muss zum Psychologen oder zum Psychiater gehen, bevor er Schaden anrichtet.

2. Berechenbarkeit

  • Vielleicht, ganz vielleicht, überkommt uns ein Zweifel, ob wir damit die Welt tatsächlich verstehen. Ordnung ist ein verführerisches Gift, eine Droge. Man wird abhängig davon und meint, die Welt jetzt erst richtig zu verstehen.
  • In Wirklichkeit aber hat man der Welt nur die eigene Ordnung übergestülpt; es wird ausgesondert und ausgeschlossen, was nicht hineinpasst; es wird dem anderen vorgeschrieben, was er zu sein und zu sagen hat. Die Freiheit des anderen, die Freiheit Gottes gar hat in dieser Welt der berechenbaren Vernunft keinen Platz.
  • Dagegen aber steht die Bibel. Dagegen steht, provozierend, das heutige Evangelium. Denn Gottes Heilshandeln in der Welt beginnt nicht als universale Rettung, nach ewigen Gesetzen. Deswegen doch wurden die Propheten von den gebildeten Leuten verlacht, weil sie nicht auf die Berechenbarkeit der Gestirne verweisen konnten, sondern nur auf ihre Erfahrung Gottes, ihr Hören auf seine Stimme. Dieser Gott aber bleibt unberechenbar. Warum um alles in der Welt sucht er sich dieses Volk Israel als sein Eigentum aus - unter all den Völkern der Welt? Warum lässt sich Gott in die Zufälligkeit der Geschichte der Menschen einwickeln, statt vernünftig und universal zu sein?

3. Frohe Botschaft

  • Vielleicht ist dieses Gesicht Gottes für uns die eigentliche Frohe Botschaft. Denn nur so können wir ahnen, dass Gott ein Antlitz hat. Er ist nicht der zentrale Baustein im universalen Computer. Er ist der lebendige Gott. Nur so können wir ahnend glauben und verstehen, dass Gott in diesem einen Jesus Christus Mensch geworden ist. Ja, es ist eine Frohe Botschaft, dass sich mit diesem Gott schachern und verhandeln lässt, statt ihn nur berechnen zu können. Denn sonst würde unser Leben erfrieren in der Berechenbarkeit, statt vom Pulsschlag Gottes erwärmt zu werden.
  • Was wie ein Skandal aussieht ist Frohe Botschaft. Dass Jesus die Frau zurückweist mit dem Argument, er sei nur zum Volk Israel gesandt, klingt uns zuerst skandalös. Uns, nicht der kanaanäischen Frau. Sie versteht besser, was Glaube ist. Sie sieht Jesus, ringt mit ihm in Sorge um ihr Kind. Wir können viel von ihr lernen und ihr dankbar sein, für das, was sie getan hat.
  • In seiner Freiheit und Willkür erwählt Gott aus Liebe. Wir sind nicht Baustein im ewigen Schaltplan der Schöpfung, sondern lebendige Menschen, von Gott erwählt und unterwegs, diesen Gott zu entdecken. Amen.