Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag im Lesejahr B 2009 (Johannes)

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18. Januar 2009 - Hochschulgottesdienst, St. Antonius Frankfurt

1. Seht, das Lamm Gottes!

  • "Seht, das Lamm Gottes!", sagt der Täufer Johannes. Und zwei seiner Jünger folgen dem, auf den er gezeigt hat. Ich denke schon, dass da mehr gesagt wurde. Aber das Evangelium will ja kein geschwätziger Bericht sein, sondern das Wesentliche sagen. Der Evangelist ist also der Meinung, dass damit das Wesentliche gesagt ist. Der Täufer Johannes zeigt auf Jesus und sagt: "Seht, das Lamm Gottes!"
  • In diesem Bild, dem Lamm, ist etwas gesagt, was genügt, dass die beiden Jesus nachgehen, sich ansprechen und mitnehmen lassen. Das "Lamm Gottes" fasst zusammen, was sie suchen und was sie motiviert. Denn das Lamm steht in der Sprache der Bibel für Reinheit und Gerechtigkeit. Ja, recht eigentlich sind Reinheit und Gerechtigkeit eines.
  • Das Lamm Gottes ist nicht der Wolf, der reißt, um für sich zu haben. Rein zu sein ist das Gegenteil von verschlagen zu sein. Wer alles, was ihm unter die Finger kommt, unter dem kanibalistischen Blick der Verwertbarkeit betrachtet, ist nicht rein. Wer alles nur danach bewertet, welchen Nutzen es für ihn selbst hat, hat die Unschuld hinter sich gelassen. Es braucht das Bild der Reinheit des Lammes, um zu merken, wie tief wir geprägt sind von diesem Verwertungsdenken, in dem alles seinen Nutzen haben muss. Einer solchen Kultur fällt es schwer oder ist es unmöglich gerecht zu sein, weil der andere nicht um seiner selbst willen sein darf, sondern nur, soweit er effektiv dem eigenen System eingeordnet werden kann.

2. Wo wohnst du?

  • "Wo wohnst du?" Die Jünger hätten das sicher so nicht gesagt. Höchst wahrscheinlich wussten sie überhaupt nicht genau, was sie wollten und suchten. Die Sehnsucht sitzt oft so tief, dass wir gar nicht merken, dass sie eigentlich mächtig stark ist. Wir sehnen uns nach etwas, das uns schon so gründlich ausgetrieben wurde, dass wir gar nicht mehr die Sprache haben, es auszudrücken. Wer benutzt schon das Wort "Reinheit"; für wen ist es schon etwas Positives, wenn von "dem Lamm" gesprochen wird, dem "Lamm Gottes" sogar?
  • Die zwei spüren, dass dieser sie nicht ausnutzt. Vielleicht kennen sie das von sich selbst, diese Schattenseite im eigenen Herzen, die, warum auch immer nicht mit dem Lamm, sondern mit dem Schwein symbolisiert wird. Vielleicht kennen sie den Schock, den einer erfährt, wenn er merkt zu welcher Selbstsucht er fähig ist, in der er sich vielleicht sogar selbst besuhlen möchte. Sie haben keine Ahnung, woher das kommt, wollen es nicht und sind dem doch immer wieder ausgesetzt.
  • Deswegen die Frage wo Jesus wohnt. Wörtlich heißt es "Wo hast du deine Bleibe?". Wenn dieser eine nicht das Schwein, sondern das Lamm ist, dann liegt darin vielleicht sein Geheimnis. Oberflächlich geht es um die Wohnanschrift. In der Tiefe aber geht es um die Bleibe.

3. Und sie blieben bei ihm bis zur vierten Stunde

  • Sie bleiben ein paar Stunden bei Jesus. Dann gehen sie wieder und treffen andere und berichten davon. Was in der Zwischenzeit geschehen ist, wird nicht berichtet. Es war ihre erste wirkliche Begegnung mit Jesus. Vielleicht war es auch ihre erste Begegnung mit der Gegenwart Gottes. Sie sind von Kindheit an immer im Synagogengottesdienst gewesen, haben die Bibel gehört, wahrscheinlich aufrichtig versucht zu beten. Aber hier findet eine Begegnung statt mit einem, der seine Bleibe in Gott hat.
  • Deswegen ist es das "Lamm Gottes". Diese Reinheit, diese Offenheit und, nennen wir es ruhig beim Namen, diese Liebe ist überirdisch. Sie kommt aus einer tiefen Vertrautheit mit und einem tiefen Vertrauen in Gott. Zugleich aber ist sie irdisch. Sie ist nicht weltfremd und doch ist ihr das fremd, das die Welt umtreibt.
  • Sie bleiben nur ein paar Stunden. Aber schon das ist mehr, als wir zumeist aufwenden, um Gott nahe sein zu wollen. Wer selbst so recht keine Bleibe hat, hält es nirgendwo aus. Deswegen bringt es das Johannesevangelium immer wieder auf diesen Punkt: Bleiben. Nicht Feststehen, sondern im lebendigen Gott verwurzelt sein, wie die Rebe im Weinstock, ist das Geheimnis eines Lebens, das aussteigt aus dem Mechanismus von Nutzen und Verwertung. Wer in Gott lebt, hat eine Quelle, die er niemals besitzen wird, die aber immer Wasser spendet. " Wer sich an den Herrn bindet, ist ein Geist mit ihm." Amen.