Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag im Lesejahr A 2023 (Jesaja)

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15. Januar 2023 - St. Peter Sinzig

1. "Spare" – Ersatzkronprinz

  • Letzte Woche hat Prince Harry, Herzog von Sussex, seine Memoiren veröffentlicht. Ich habe sie nicht gelesen. Aber ich konnte kaum vermeiden, auch so ausführlich informiert zu werden. Es scheint, der junge Brite hat angedeutet, dass er mit seiner Familie nicht sehr zufrieden ist.
  • Der Titel des Buches ist "spare". In diesem Zusammenhang ist das wohl am besten zu übersetzen mit "Ersatz" (der deutsche Verlag hat sich für "Reserve" entschieden). Harry als zweitgeborene war für die Familie, so meint er offenbar, einfach nur der Ersatz, falls sein älterer Bruder für die Thronfolge nicht bereitstünde. Harrys Bestimmung sei es, Ersatz zu sein. Mit dieser traurigen Überschrift meint er, habe die Familie oder das Schicksal (was für ihn vielleicht dasselbe ist) das Leben definiert, das er jetzt vor aller Welt ausbreiten möchte.
  • Es ist tatsächlich so, dass unser Leben eine Überschrift haben kann. Die Überschrift steht da, noch bevor wir so recht geboren sind. Aber nicht immer ist das so klar, wie es dies beim Duke of Sussex scheint. Bei normalen Menschen ist es allenfalls so, dass wir erst viele Jahre später im Rückblick den Eindruck haben, unser Leben habe womöglich von vornherein unter einer Überschrift gestanden. Vielleicht gilt das nicht für einen jeden von uns und ganz sicher ist diese Überschrift in den meisten Fällen nicht so klar und eindeutig. Doch vielleicht ist es trotzdem im Grundsatz eine häufige Erfahrung. Mensch haben im Rückblick den Eindruck, von Mutterleib an sei ihr Lebensweg schon belastet gewesen.

2. Berufung schon im Mutterleib

  • Der Prophet Jesaja sagt genau das seinem Gott letztlich vorwurfsvoll: Gott hat "mich schon im Mutterleib zu seinem Knecht geformt, damit ich Jakob zu ihm heimführe und Israel bei ihm versammelt werde." Und das nicht nur, um Israel "wieder aufzurichten". Gott sagt ihm zudem: "Ich mache dich zum Licht der Nationen; damit mein Heil bis an das Ende der Erde reicht."
  • Jesaja sagt das, scheint mir, mit einem Unterton des Vorwurfs gegen Gott. Diese Berufung schon im Mutterleib – diese Überschrift – bringt ihm nur Frust und Ärger. Prophet des Volkes Israel für alle Länder bringt Ärger mit den Nationalisten zu Hause. Sie wehren sich gegen die kulturelle Aneignung ihre Religion durch fremde Kulturen. Und bei den Völkern findet Jesajas Gott des Volkes Israel oft nur Spott und erntet Frust.
  • Das bringt doch nichts, sagt der Prophet zu Gott. Die Überschrift über sein Leben, die Berufung durch Gott will er zurückgeben. Doch Gott – so können Sie es in der Bibel nachlesen – lässt Jesaja nicht los. Die Menschen mögen über ihn spotten. Gott hält es aus verspottet zu werden. Er traut es seinem Propheten zu. Auf diese, keine andere Weise wird Jesaja "in den Augen des Herrn geehrt". Jesaja fügt aber hinzu: "und mein Gott ist meine Stärke".

3. Aufgespart für Gott

  • Und wir? Nicht Thronerben-Ersatz Nummer 5. Nicht Prophet für die Völker. Noch nicht einmal die eine, klare, das ganze Leben bestimmende Berufung. Und doch vielleicht das Hadern. – Ich spüre, dass auch ich eine Aufgabe habe im Leben. Doch, Gott, was soll das, wozu hast Du mich hierher gestellt?
  • Es braucht den Mut des Glaubens, das auszuhalten. Von Harry erfahren wir offenbar, dass er kein Vertrauen in die Monarchie hat, für die er als Ersatz bereit sein soll. Doch gilt das auch für den Posten, an den Gott mich gestellt hat? Darf ich es wagen zu vertrauen, dass Gott mit all dem, wie ich in mein Leben gestellt wurde, mit meinen Fähigkeiten und meinen Makeln, einen Plan hat?
  • "Spare" nennt Harry sein Buch. Das englische Wort ist dieselbe Wurzel wie das deutsche "Sparen". Vielleicht ist das die Haltung, wenn ich nicht auf menschliche Pläne und Institutionen vertraue (und sei es die glanzvollste Monarchie). Gott spart mich auf. Und seien es über 100 Jahre wie bei Mutter Abagail. Vielleicht ist das mein Vertrauen, dass Gott mich bewahrt, geführt, gleichsam aufgespart hat für das, wozu er mich schon von Geburt an berufen hat. Ja, das ist mein Vertrauen.