Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr C 2010 (Johannes)

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11. April 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Hinter verschlossenen Türen

  • Wir sollten nachprüfen ob unsere Kirchentüre zu ist. Gut verschlossen. Schließlich haben das die Apostel auch so gemacht. - Nur warum? Hatten Sie den Auferstandenen nicht gesehen? Welchen Grund gibt es, Furcht zu haben, wenn Gott für uns als Mensch das Kreuz überwunden hat und das Neue Leben für uns eröffnet ist?
  • Vielleicht hilft es, die versammelten Apostel zu belauschen. Worüber reden sie? - Sie erzählen sich gegenseitig alte und neue Geschichten: Damals in Galiläa ..., damals als wir..., damals, als er..., weißt Du noch. Alles im allem, es war eine wunderbare Zeit.
  • Und natürlich reden Sie über die dramatischen Ereignisse der vergangenen Woche. Darüber allerdings in deutlich verhaltenerem Tonfall.

2. Rückblick in Trauer und Zorn

  • Vermutlich fiel es ihnen noch schwer, darüber zu reden, was das alles für sie selbst bedeutet. Ihre Träume sind zerplatzt. Ihre Zukunftspläne - vielleicht an der Seite Jesu in Jerusalem zu regieren - dürften nichts mehr gelten. Vielleicht sind sie neben aller Trauer auch wütend auf Jesus, ohne sich das selbst und einander einzugestehen.
  • Ziemlich sicher sind sie auch mit sich selbst unzufrieden. Hätten sie das alles nicht verhindern können? Hätten sie Jesus deutlicher davon abhalten sollen, nach Jerusalem zu gehen, wo doch klar war, dass die Situation eskalieren wird? Möglicherweise diskutieren sie über eine verfehlte Öffentlichkeitsarbeit, die dem Volk besser hätte erklären müssen, was ihr Programm ist. Andere werden sich gefragt haben, ob sie nicht in den letzten Tagen und Stunden mehr mit Jesus hätten sprechen wollen, bevor er ihnen genommen ist. Besonders Petrus dürfte ziemlich still gewesen sein; drei Mal hat er den Herrn verleugnet.
  • Frustrierte, zornige, traurige Jünger hinter den verschlossenen Türen. Sie können nicht fassen und nicht in Worten ausdrücken, was sie schmerzt. Vielleicht versuchen sie vor einander zu verbergen, wie sehr sie getroffen sind, und machen einen auf trotzig-gute Stimmung. Es ist ihnen noch nicht klar, was die Wunden bedeuten, die ihnen geschlagen wurden. Diese Jünger sind alles, nur keine Gläubigen mehr.

3. Auferstanden mit den Wundmalen

  • Und nun hängen wir das Kreuz in unsere Kirche: mit den Wunden des Auferstandenen. Er zeigt seine Wunden ausdrücklich den Jüngern, und Thomas ist es, der danach fragt. Der Übergang vom Ungläubigen zum Gläubigen ist dort, wo wir glauben können, dass nicht irgendwer und irgendwas auferstanden ist, sondern der, der die Wunden am Kreuz erlitten hat.
  • Das hat unmittelbar mit unseren eigenen Wunden zu tun. Durch die Auferstehung darf die Wunde gezeigt, ja zum Bekenntnis gemacht werden. Die Verwundungen unserer Welt, all die Enttäuschungen und Schmerzen müssen nicht verschwiegen werden. Der Tod, die Male des Todes sind nicht das Letzte, sondern der lebenspendende Gott.
  • Erst wenn wir mit Thomas nach den Wunden fragen und den Auferstandenen glaubend bekennen, haben wir den Osterglauben erfasst. Dieses Erfassen braucht Zeit. Denn es bedeutet, Schritt für Schritt die Angst davor zu verlieren, das anzuschauen, was in mir selbst verletzt ist. Dass sich der Auferstandene vor den Jüngern mit den Wundmalen zeigt, bedeutet, dass all dies vor Gott nicht vergessen und verdrängt ist. Vor Gott und in seiner himmlischen Gemeinschaft sind es gerade das Scheitern und die Enttäuschungen und Schmerzen, die uns zugefügt wurden, die Gott anschaut. Diese himmlische Wahrheit offenbart sich den Jüngern hinter den verschlossenen Türen. Diese Offenbarung wird für sie zum Wendepunkt. Es wird nicht alles anders. Aber für sie verändert sich die Wirklichkeit dennoch grundlegend. Sie können neu anfangen, auch wenn sie gescheitert sind und vielleicht wieder Scheitern erleben müssen. Denn das neue Leben, das ihnen an Ostern erscheint, umfasst Erde und Himmel, diese und die kommende Zeit. Die Spuren von Auferstehung wird zum Vorzeichen der Verwandlung des ganzen Todes zum Leben, das Osterfest, das sie am ersten Tag der Woche erleben, wird zum Beginn des ersten Tages einer neuen Schöpfung. Amen.