Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2006 (Johannes)

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23. April 2006 - St. Ignatius Frankfurt

1. Ein Glaubensbekenntnis

  • "Mein Herr und mein Gott" sagt Thomas, als er Jesus sieht. Er sieht den Herrn mit den Wundmalen an Händen und Füßen. Er erkennt ihn an der durchbohrten Seite. Als einziger der "Zwölf" (die jetzt nur noch elf waren), war er eine Woche zuvor nicht dabei. Als einziger stellte er eine Bedingung für den Glauben. Und doch ist er es, der das Bekenntnis ausspricht, auf das das ganze Evangelium seit dem Johannesprolog zuläuft: "Mein Herr und mein Gott!"
  • Thomas ist die Brücke zu uns. Thomas sah und glaubte. "Selig, die nicht sehen und doch glauben." Damit sind wir gemeint. Das Evangelium spricht also davon, wie wir als Kirche der Nachgeborenen glauben können, dass der gekreuzigte Herr auferstanden ist.
  • Zentrales Erkennungszeichen ist die Seitenwunde. Dadurch kann der Auferstandene von anderen Gekreuzigten unterschieden werden. In seiner Symbolsprache hatte das Johannesevangelium berichtet dass, als die Seite Jesu von der Lanze durchstoßen wurde, Blut und Wasser daraus geflossen seien. Es gibt dazu medizinische Erklärungsversuche. Die Bedeutung ist aber sicher eine andere: Am Kreuz schenkt sich der Herr seinen Jüngern und durch sie allen Menschen. Wasser steht für den Heiligen Geist, an dem wir in der Taufe teilhaben. Blut steht dafür, dass dieser Geistspender Christus kein Geistwesen war, sondern wahrhaft Mensch.

2. Eine Glaubensgemeinschaft

  • Bei der ersten Begegnung mit dem Auferstandenen war es noch die Angst. "Aus Angst vor den Juden hatten sie die Türe verschlossen." Diese Formulierung lässt schon die Situation der Gemeinde des Johannesevangeliums erkennen, die nicht mehr wie die erste Kirche der Apostel als Teil des Judentums lebte, sondern aus der Synagoge ausgeschlossen war (man fühlt sich daran erinnert, dass später die Juden aus Angst vor den Christen sich hinter verschlossenen Türen verschanzten mussten). Diese Angst durchbricht der Auferstandene: Sein Gruß gilt auch heute jeder Gemeinde vor der Kommunion: "Der Friede sei mit euch". Es war am Abend des ersten Tages der Woche - der Abend, an dem auch wir jeden Sonntag Auferstehung feiern.
  • Acht Tage später ist es zwar nicht mehr die Furcht, aber die Türen sind verschlossen. Wieder am ersten Tag der Woche: christlicher Gottesdienst! Es jahrhundertelang christliche Selbstverständlichkeit, dass die Nicht-Getauften nach dem Wortgottesdienst mit seinem Segen entlassen wurden. Nur die Getauften (Wasser und Blut) feierten die Auferstehung des Herrn im Brot des Lebens. Unter diesen ist Thomas dabei. Der häufig als "ungläubig" titulierte Thomas ist einer von uns. Der Gottesdienst am Sonntag Abend ist der Ort, an dem er den Herrn erkennt, gläubig ist und bekennt: "mein Herr und mein Gott".
  • Nur die allererste Ostererfahrung galt einer einzelnen. So erzählt es in seiner symbolisch-konzentrierten Form das Johannesevangelium. Maria Magdalena erkennt Jesus am Grab; aber dann wird sie sogleich von ihm zu den anderen Jüngern geschickt, die Jesus "seine Brüder" (Joh 20,17) nennt. In dieser Gemeinschaft erfahren sie dann alle die Auferstehung, auch Thomas, als er acht Tage später am "ersten Tag der Woche", dem Sonntag, im Kreis der anderen ist. Das ist die erste Definition von "Kirche": Der Ort, an dem wir den Auferstandenen erfahren. Das Evangelium ist aufgeschrieben, "damit wir glauben, dass Jesus der Messias ist, der Sohn Gottes, und damit wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen." Gelesen wurde es von Anfang an im Gottesdienst.

3. Ein Auftrag

  • Glauben ist nur in der Gemeinschaft der Gläubigen möglich. Allein kann ich alles mögliche glauben. Ich kann viele Vermutungen und Überzeugungen haben, Theorien für wahrscheinlich halten oder auch nicht. Dass Jesus der Messias ist und ich in ihm das Leben habe, kann ich nur erfahren und glauben hier, in der Gemeinschaft der Glaubenden, die sich am Sonntag versammelt. Davon ist der Evangelist überzeugt. So haben die Jünger Jesus und seine Sendung verstanden. Hier, aus dieser Feier heraus, erst haben wir die Kraft, hinauszugehen und in Wort und Tat von der Liebe Gottes, die uns verbindet - Wasser und Blut - Zeugnis zu geben im Geist und in tätiger, lebenspraktischer, konkreter Liebe in der Sorge für die Notleidenden.
  • Mit großer Dringlichkeit mahnt uns das Evangelium, offen zu sein für Menschen, die Gott zu uns führen will. An uns liegt es, ihnen die Gemeinschaft nicht zu verweigern. Das ist nicht die Aufforderung zur Profillosigkeit, dass jeder dabei sein kann ohne noch merken zu müssen, dass wir eine christliche Gemeinde sind. Die Mahnung: ist präziser: "Empfangt den Heiligen Geist!", denn in ihm seid ihr Leib Christi und habt Gemeinschaft mit seinem Vater und dadurch unserem Vater. Aber: "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben; wem ihr die Vergebung verweigert, dem ist sie verweigert." An uns hängt es zu geben - zu vergeben -, wenn wir es nicht tun, bleibt es verweigert.
  • Nicht von der Vollmacht zum Sakrament der Vergebung (der Beichte) spricht dieses Wort. Das ist an anderer Stelle gesagt (vor allem Mt 16,19 und 18,18). Sünde meint hier vielmehr ganz umfassend das, was uns als Menschen von Gott trennt. Diese Trennung aufzuheben, sind wir berufen. Menschen in die Gemeinschaft des Bundes mit Gott zu lassen, ist unser Auftrag. Denn wenn wir es nicht tun, bleibt es verweigert. Christlich glauben kann keiner für sich. Ostern findet in Gemeinschaft statt. Ein großartiges Geschenk Gottes an uns - und nicht nur für uns. Amen.