Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit Lesejahr B 2021

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11. April 2021 - Gemeinschaftskrankenhaus St. Petrus Bonn

 

1. Wir haben den Herrn gesehen. Trügerische Bilder

  • "Wir haben den Herrn gesehen", berichten strahlend die Jünger. "Was habt ihr gesehen?", fragt skeptisch Thomas, genannt der Zwilling. Er misstraut den Bildern. Bilder können vieles sagen. Bilder sind manipulierbar. Das Bild ist nicht die Wirklichkeit. Bilder können vieles sagen. Und vieles verschweigen.
  • Wer die Macht hat über die Bilder, hat die Macht über die Köpfe. Jahrtausendelang haben daher die Herrscher ihre Bilder öffentlich ausgestellt und die Verehrung gefordert. Diktaturen erkennt man auch heute noch unweigerlich an den allgegenwärtigen Herrscherbildern.
  • Bilder und Einschaltquoten entscheiden darüber, wer die Macht hat. Bilder, die dazu nicht passen, werden nicht gezeigt. Darum kommt Corona in Afrika oder Indien bei uns nicht vor.

2. Streck deinen Finger aus. Erfahrung der Wunde

  • Die anderen Jünger setzen ganz auf die Bilder; das "Gesehen-Haben" scheint ihnen das einzige und zentrale.
    Zumindest berichten sie dem Thomas auffällig weder etwas von den verschlossenen Türen, noch von der Sendung, die Jesus ihnen gibt.
  • Das Johannesevangelium erwähnt den Apostel Thomas außer an der heutigen Stelle noch zwei Mal. Er ist der Jünger der bereit ist, mit Jesus zu gehen, der nach dem Weg Jesu fragt, um mit ihm zu gehen. Thomas ist kein Mann der Bilderbetrachtung. Er fragt nach den Konsequenzen für das eigene Leben und Handeln.
  • Dazu passt es, dass er sich mit dem "Bild" des Auferstandenen, von dem die anderen Jünger berichten, nicht zufrieden geben will. Dazu passt auch, dass er nach den Wunden des Gekreuzigten fragt. Nur, wenn er diese berühren kann, scheint es ihm möglich zu glauben.

3. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

  • Thomas kann sich durch Jesus bestätigt fühlen. Es wird gar nicht einmal berichtet, dass Thomas, als er acht Tage später (heute!) dabei ist, als Jesus wiederum durch die verschlossenen Türen dringt, tatsächlich die Wunden Jesu berührt habe. Thomas wird verstanden haben, was Jesus ihm sagte: "Selig sind, die nicht sehen und doch glauben."
  • Es sind nicht die Bilder allein. Es ist zu aller erst die Frage: Wie antwortest Du mit Deinem Leben! Wenn die Bilder dabei helfen, sind sie gut. Doch Jesus steht ganz in der Tradition des Ersten Bundes, der es verbietet, ein Abbild Gottes anzufertigen. Wir heutigen sollten wissen und verstehen, dass die Gefahr, sich durch Bilder manipulieren zu lassen, heute so groß ist wie damals. Jesus will nicht manipulieren, sondern überzeugen. Er ist Gottes Bild – aber gerade deswegen entzieht dieses Bild sich immer wieder, sind die Begegnungen mit dem Auferstanden begrenzt.
  • Jesus lädt uns ein, ihm zu vertrauen, indem wir mit ihm gehen. Die Einladung, die Wunden Jesu zu berühren, ist dabei ganz wörtlich gemeint. Bilder befestigen Distanz; bei der Fülle von Videogesprächen heute, kennen wir die kalte Oberfläche eines Bildschirms besser als die Berührung, die Thomas will. Wir sehen Bilder – und bleiben daheim.
    Doch wir sollen die Wunden der leidenden Welt und die Schmerzen derer, die uns vielleicht gar nicht mal so fern sind, an uns heranlassen, gar berühren. Mag sein, dass dies uns selbst Schmerz bereitet. Ganz sicher aber öffnet es uns den Weg zur Erfahrung der Auferstehung, wenn wir wie Thomas bereit sind, den Weg mit Jesus zu gehen. Amen.