Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 2. Fastensonntag Lesejahr C 2022 (Genesis/Lukas)

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13. März 2022 - St. Peter, Sinzig

 

1. Ursache und Wirkung

  • Ursache und Wirkung. Das ist das mechanische Denken, das wir gewohnt sind. Erst kommt die Ursache, dann die Wirkung. So erklären die Naturwissenschaften die Welt. So funktioniert auch die Technik. Das ist für unser modernes Denken so selbstverständlich, dass wir gar nicht darüber nachdenken. Erst langsam setzt sich im Bewusstsein durch, dass auch die Zukunft eine Rolle spielt. Aber der Glaube, dass mittels Technik und Naturwissenschaft die Probleme gelöst werden können, sitzt tief.
  • Das mystische Denken kennt auch die andere Richtung. Die Ursache liegt in der Zukunft. Die Ursache liegt in der Zukunft. Das mechanische Denken funktioniert nach vorausliegender Ursache und dann die Wirkung. Das mystische Denken ist dem gegenüber keineswegs schwammig und unklar. Es denkt nur nicht in mechanischen Strukturen, sondern in personalen.
  • Mystik ist immer eine Beziehung – so wie der Glauben immer eine Beziehung des Vertrauens ist – und deswegen aus den davorliegenden Ursachen nie vollständig verstanden werden kann. Auch gelungene Beziehungen schauen zurück, aber sie leben nach vorne[1]. Der Glaube an den lebendigen Gott lebt aus dem Blick nach vorn. Glaube vertraut Gott. Was nur nach hinten schaut, vertraut nur der Vergangenheit. Deswegen leiden viele Katholiken, weil die Vergangenheit nicht mehr das ist, was sie früher einmal war.

2. Zukunft die verändert

  • Für Abram – dem biblischen Stammvater Abraham – ist der Blick nach vorn noch ganz handfest. Nachkommenschaft ist für die antike Kultur des Orients der Erweis der Zukunft. Glauben in Gott bedeutet für ihn das Vertrauen: "So zahlreich werden deine Nachkommen sein." Das ist der Kern des Bundesversprechens und auf diese Zukunft hin lebt das biblische Israel.
  • Kritiker der Aufklärung und des technischen Zeitalters sagen, die Religion vertröste auf die Zukunft und auf den Himmel. Auf die Gegenwart aber komme es an. Doch da ist der Sinn für das mystische Denken und die mystische Erfahrung verlorenen gegangen. Im Gebet und in der Beziehung mit Gott ist die Zukunft eben nicht das mechanisch verursachte Resultat der Gegenwart. Vielmehr ist die Verheißung – die Zukunft Gottes – die Kraft, aus der wir leben.
  • Deswegen machen sich Sara und Abraham auf diese Verheißung hin auf. Diese Frau und dieser Mann sind die Ureltern des Aufbruchs. Die von Gott geschenkte Zukunft bewirkt Aufbruch in der Gegenwart.

3. Aufbruch und Veränderung

  • Die Veränderung durch den Glauben geschieht durch das Vertrauen in die Zukunft. Die Kirche kann sich nur durch den Glauben – also das Vertrauen in Gott – verändern. Echte Wandlung kann nur so geschehen: durch die Ursache, die Gottes Zukunft und nicht immer nur unsere Vergangenheit ist.
  • Ich verstehe das Evangelium so, dass Gott den drei Aposteln als Zeugen des Glaubens einen Blick in die Zukunft schenkt: Jesus erscheint ihnen in dem Glanz seiner Herrlichkeit. Und wenn er sich mit Mose und Elia, den Zeugen der Vergangenheit, unterhält, so ist das Thema ganz ausdrücklich die Zukunft: Der Weg Jesu, der sich in Jerusalem erfüllt.
  • Petrus ahnt, dass diese Zukunft ohne das Kreuz nicht zu haben ist. Wenn er "Hütten bauen", also die gegenwärtige Erfahrung festhalten will, dann wird das nicht funktionieren. Diese Gegenwart Gottes erfüllt sich in der Zukunft. Wir können nicht Gott vertrauen wollen und alles so belassen, wie es immer schon war. Petrus wollte Hütten bauen. Die Christen haben sogar Kathedralen aus Stein gebaut. Doch der Glaube – daran erinnert das Alte Testament – ist unterwegs, Gottes Herrlichkeit in einem Zelt, das morgen früh wieder abgebrochen wird, damit wir weiterziehen.
    Ich verstehe, dass solcher Aufbruch unsicher und ängstlich machen kann. Deswegen ist er nur möglich im Vertrauen auf Gott. Amen.


1"Das Leben kann nur in der Schau nach rückwärts verstanden, aber nur in der Schau nach vorwärts gelebt werden." – dieser Gedanke von Søren Kierkegaard (1813-55) geht in dieselbe Richtung.