Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 19. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Johannes/Epheser)

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8. August 2021 - St. Peter, Sinzig/Rhein

 1. Die Substanz der Dinge

  • Manchmal sehen die Dinge völlig anders aus, wenn wir genauer hinsehen. Nach außen scheint es dies zu sein. Doch wenn wir genauer hinsehen, erkennen wir die Substanz, das, was etwas eigentlich ist. Das Äußere ist keineswegs unwichtig! Denn dadurch erst ist etwas da und in der Welt. Aber die Substanz kann viel mehr sein als das Unscheinbare Äußere – oder viel weniger als der Lärm, den so manches um sich selbst macht.
  • Im Evangelium spielt das eine große Rolle: Die Leute sehen in Jesus nur den, "dessen Vater und Mutter wir kennen" – und sie meinen Josef sei Jesu Vater. Jesus aber sagt: "Niemand hat den Vater gesehen außer dem, der von Gott ist." Mit Menschenauge sieht man nur Menschendinge, nur wer auch tatsächlich aus dem tiefen Vertrauen auf Gott lebt, wird entdecken, dass Gott in allem ist und Gott alles trägt – dass Gott "Vater" in allen Dingen ist, die Substanz im Grunde der Schöpfung.
  • Vor allem aber ist es das "Brot" von dem Jesus spricht. Es sieht aus wie Brot, schmeckt wie Brot, wird gebrochen wie Brot. Das ist wichtig; es könnte nicht etwas Anderes sein. Brot war es, von dem wir wissen: Er nahm das Brot, sprach das Dankgebet, brach es und reichte es seinen Jüngern.  Dieser Akt, das Gebet Jesu um den Heiligen Geist und dass er es denen reicht, die er als Jünger berufen hat, verändert die Substanz des Brotes. Es wird zu seinem Leib, so wie die Getauften, denen er das Brot gibt, zu seinem Leib werden.

2. Die Wandlung der Substanz

  • Das ist nicht abstrakte Theorie. Das ist vielmehr der Punkt, an dem der Glaube lebendig wird. Denn in dem Augenblick, in dem uns ein Mensch etwas schenkt – vielleicht ein Mensch, der selbst kaum etwas hat! – in dem Augenblick wird jede Kommunion, die wir empfangen, durchsichtig für die Liebe, die uns geschenkt wird. Das gilt auch und gerade für das, was das Ahrtal in den letzten Wochen erlebt hat.
  • Das Brot ist Brot, nicht Lebkuchen und schon gar nicht rheinischer Sauerbraten. Es ist einfaches, überlebensnotwendiges Nahrungsmittel, das so oft so vielen Menschen zum Überleben fehlt. Zugleich ist es das Brot, das gebrochen wird – gebrochen wie Jesus am Kreuz, geteilt, wie Jesus sein Leben hingab. Nur deswegen kann das Brot durch Gottes Heiligen Geist Leib Christi werden, weil das Leid des Kreuzes und das Weizenkorn, das gestorben ist, darin enthalten ist.
  • Ebenso ist das Erlebte in den letzten drei Wochen bei uns leidvoll. Menschen sind in dem Hochwasser ums Leben gekommen. Unzählige haben ihr Heim und ihr Gut verloren. Unser Glaube tut das nicht ab. Im Gegenteil: Das Kreuz ist das wichtiges Symbol der Christen!
    Dennoch sehen wir dort, wo das Leid nicht allein bleibt, sondern Gottes Heiliger Geist wirksam ist, mitten im Leid die Freude, im Tod das Leben. Das, was zerbrochen wird, wird zum gebrochenen Brot, gebrochenen für uns, sein Leib, den Christus mit den Seinen teilt.[1]

3. Freude des Heiligen Geistes

  • Dies geschieht durch Gottes Geist in uns und in unserer Mitte. – Deswegen noch ein Wort zum Heiligen Geist. Im Epheserbrief haben wir gehört "Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes". Lasst Gottes Geist nicht trübe und schlammig werden, sondern lasst ihn hell und klar in eurer Mitte erscheinen.
  • Christus teilt sein Brot mit uns in der Hl. Messe. Er teilt seinen Leib mit allen Menschen, wo Menschen das karge Brot miteinander teilen. Wo Menschen uns etwas von ihrem Leben geben, dort sieht der vom Heiligen Geist geschenkte Glaube die ganze Fülle von Gottes Liebe, die sich uns schenkt.
  • "Betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes" meint daher nicht spießig, wir sollten Gott im Himmel nicht traurig machen (wie das so manche angeblich christliche Erziehung den Menschen beibringen will). Vielmehr soll Gottes Geist unter uns und in uns nicht betrübt werden. Der Weg dahin ist Barmherzigkeit, Liebe und Vergebung. Trüb hingegen macht den Geist "Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung". Wo wir aber das aus unserem Herzen verbannen, gehen die Augen auf und wir sehen die Substanz dieser Welt: Gottes liebende Gegenwart in allem, selbst in dem, was trostlos und verletzend ist wie das Kreuz und jedes Leid. Amen.


[1] Die deutsche Übersetzung von Diethard Zils des französischen Liedes von M. Wackenheim und C. Gaud ist deswegen falsch. Zils übersetzt: "Wir preisen deinen Tod, wir glauben dass du lebst….". Doch ich preise den Tod Jesu nicht, ich beklage ihn! Das französische Original hatte korrekt den liturgischen Text: "Wir künden deinen Tod" – " Nous proclamons ta mort"! Das Kreuz ist ein Verbrechen, wir verschweigen es nicht, sondern verkünden es, weil Gott sich als der Stärkere erweist.