Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 19. Sonntag im Lesejahr B 2000 (Johannes)

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13. August 2000 - St. Michael, Göttingen

1. Weiter Weg

  • "Sie murrten gegen Jesus" hieß es im Evangelium. Sie murren gegen ihn, weil er von sich gesagt hat, er sei das Brot, das vom Himmel herabgekommen ist, obwohl doch jeder wissen kann, dass er aus Nazaret stammt und wer seine Familie ist. Dass Jesus trotzdem von sich sagt, dass Gott in einzigartiger Weise sein Vater ist, das erzeugt dieses Murren
  • Schon einmal hatte das Volk "gemurrt": Damals in der Wüste. Von Mose und Aaron war das Volk aus Ägypten herausgeführt worden. Aber auf dem langen Weg durch die Wüste, als die Zukunft dunkel und der Weg weit ist, da murrt das Volk. Es mag nicht, es kann nicht glauben, dass dieser Weg ein Weg ist, auf den uns Gott führt (Num 14,2). Das Murren ist ein nicht mehr glauben wollen und ein nicht mehr glauben können angesichts der Strapazen des Weges und der vagen Aussichten für die Zukunft.
  • Wenn einer Grund hatte zum Murren, dann war das der Prophet Elija. Er hatte dem Herrn vertraut. Er hatte dem König widerstanden und treu das Wort des Herrn verkündet, auch gegen die Mehrheit der vielen Propheten. Alle anderen, die das gewagt hatten, sind schon dem staatlichen Terror zum Opfer gefallen. Elija allein ist übrig geblieben. Er geht in die Wüste. Nein, er murrt nicht, er ist einfach nur müde. Er kann nicht mehr, er will nicht mehr.

2. Brot zum Überleben

  • Was Gott anbietet ist Brot. Leibliche Nahrung. Die Menschen, die gegen Jesus gemurrt haben, sind eben erst durch das Brot, das Jesus für sie gebrochen hatte, gestärkt worden. Das Volk, das gegen Mose in der Wüste murrt, weil es müde ist und keine Perspektive sieht, wird von Gott mit dem Manna, dem Brot vom Himmel, gestärkt (Ex 16,12). Und auch der Elija, der müde Prophet, erfährt, dass Gott ihm Brot gibt. "Nimm und iss, sonst ist der Weg zu weit für dich."
  • In der Wüste, dort wo mir das auf einmal fehlt, von dem ich lebe, brauche ich Brot. Wenn mir die Perspektive ausgeht, wenn das Ziel nicht mehr zu erkennen ist, dann ist auch der Hunger groß: nach etwas, das mich stärkt, etwas, das mich den nächsten Schritt weiter bringt.
  • Der nächste Schritt. Wer plant heute schon für ein ganzes Leben? Wir sind schon froh den nächsten Schritt zu gehen, wissend wohin, wenigstens auf kurzer Etappe. Wenn ich hier durchkomme, wenn ich das jetzt schaffe, dann bin ich schon zufrieden. Dafür etwas Brot, für diesen Abschnitt etwas Nahrung, nach mehr verlangt es nicht.

3. Glauben und Hingabe

  • Was Gott geben will, ist mehr. Im Umweltschutz nennen wir das Nachhaltigkeit: Die Ressource der Erde so nutzen, dass sie nicht in der kommenden Generation ausgehen, sondern nachhaltig genutzt werden, dass sie für alle reichen, dass die ganze Erde bewahrt wird. Was Gott geben will, ist mehr. Er gibt nicht nur Brot zum Überleben, um uns von einem Schritt zum nächsten zu schleppen. Nicht Brot nur zum Überleben, sondern Brot zum Leben, Brot des Lebens. Dieses wird auch Schritt für Schritt Nahrung sein. Es erschöpft sich aber nicht an der nächsten Weggabelung. Jesus selbst sagt von sich: er ist das Brot des Lebens.
  • Die Einheitsübersetzung schreibt: Wir kommen zu Jesus nur, wenn der Vater uns führt. Das ist ungenau übersetzt. Der Vater zieht uns zu Christus. Gott wirbt um uns und will uns zu sich ziehen, wie der Erhöhte alle an sich ziehen will, damit wir zum Vater finden. Gott ist zu uns gekommen, Christus ist, wie er immer wieder sagt, vom Himmel herabgekommen, damit wir unsererseits zu ihm kommen können und damit zu Gott kommen können. Leben in Gott oder das Brot des Lebens haben, das ist eins. Es ist ein Brot, das Leben bringt, wer davon isst, wird "nicht mehr sterben".
  • Der Glaube ist eben genau nicht ein weiteres Stück Weltanschauung, dem wir in unserem Ideenhorizont ein privilegiertes Plätzchen einräumen. Glauben ist ein Hineingehen des Lebens in den, der das Leben ist. "Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, ich gebe es hin für das Leben der Welt." Für Jesus war dies nicht nur so dahin gesagt. Es ist nicht ein zeitweiliges Sich-Zur-Verfügung-Stellen. Es ist das ganze Leben. Gott zieht uns zu Christus, Christus kommt zu uns herab, wir sollen ihn "essen" wie Brot: Dies alles spricht die Sprache eines ungeteilten Engagements, nicht einer partiellen intellektuellen Erwägung.
    Die Sprache des Volkes war das Murren der Kurzsichtigen, die nur den Blick auf den nächsten Schritt und das Naheliegende haben. Sie haben nicht gesehen und nicht verstanden und nicht geglaubt, dass ich den nächsten Schritt nur gehen, den nächsten Tag nur bestehen kann, wenn ich mit dem Leben auf´s Ganze gehe. "Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben." Amen