Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 18. Sonntag im Lesejahr B 2015 (Exodus)

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2. August 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Auf die Probe gestellt

  • In Zeiten der Not, wenn es wirklich hart wird, dann zeige sich, was in einem Menschen steckt und ob er zu wahrer Größe fähig sei. - So oder so ähnlich lautet die Voraussetzung der meisten Heldengeschichten. Der wahre Held werde erprobt durch die Herausforderung von extremen Situationen. Da, so meint man, werde der Mensch auf die wahre Probe gestellt.
  • Die Geschichte vom Zug des Volkes Israel durch die Wüste aus dem Buch Exodus hält sich nicht an diese Konvention. Zwar ist auch hier davon die Rede, dass der Mensch erprobt wird: "Ich will das Volk prüfen", spricht Gott. Aber es ist nicht die Not, die auf die Probe stellt, sondern im Gegenteil, die zuverlässig, gute Versorgung. Nicht die vorausliegenden Zeiten der Ungewissheit und des Hungers waren die Erprobung, sondern die eigentliche Probe kommt jetzt, da es täglich genug gibt.
  • Der Widerspruch zur Heldenprobe liegt am Ziel der Erprobung. Nicht Wagemut, Durchsetzungskraft und Stärke werden erprobt, sondern die Fähigkeit zur Gerechtigkeit. Man könnt die Probe in der Wüste überspitzt formulieren: So lange ihr in Ungewissheit und Not gelebt habt, da konntet ihr gerne die Forderung nach Gerechtigkeit laut im Munde führen, aber erinnert ihr euch auch jetzt noch an das Gebot der Gerechtigkeit, jetzt wo es euch gut geht?

2. Herz des Glaubens Israels

  • Die Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten, der Weg durch die Wüste, die Erfahrungen von Gottes Gegenwart auf diesem Weg und die Gebote, die dem Volk helfen sollen die Freiheit zu leben, in die sie Gott geführt haben - dies ist das Herz des Glaubens des Volkes Israel. Damit ist es auch der Glaube Jesu, der geboren wurde von Maria, dem Mädchen aus Israel.
  • Wenn wir daher verstehen wollen, was Jesus mit dem Brot verbunden hat, von dem er sagt: "Ich bin das Brot des Lebens", dann sollten wir sorgfältig auf die Lesung hören, die heute die Reihe der biblischen Lesungen eröffnet hat.

  • Die biblische Erfahrung lässt keinen Zweifel daran, dass der Aufbruch in die Freiheit bedeuten kann, eine lange Durststrecke vor sich zu haben - 40 Jahre im Fall des Volkes Israel.
  • Schnell schon fängt das Volk an zu Murren und sich zurück zu sehen nach den Fressnäpfen des Pharao, wo sie zwar angebunden waren, aber immer genug zu essen hatten. Die römischen Kaiser hatten das perfektioniert, die Menschen mit Brot und Spielen bei Laune und unter ihrer Macht zu halten. Moderne Wohlstands- und Fun-Kulturen haben diese Herrschaftstechnik weiter entwickelt.
  • Im Kern der biblischen Geschichte aber geht es um die Verbindung zwischen dem Auszug aus dem Sklavenhaus, dem Vertrauen in Gott und der Bereitschaft, als sein Volk nach seinen Geboten zu leben.
  • Das Brot in der Wüste ist die Gabe Gottes an sein Volk. Das Brot ist die Einladung zum Vertrauen in Gott. Zugleich aber besteht damit immer die Gefahr, dass es nur noch um das Satt-Werden geht und nicht mehr um das Ziel, als ein Volk in Gerechtigkeit das Zeichen der Liebe Gottes vor den Menschen zu sein. "Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid."

3. Was folgt auf den Wohlstand?

  • Im historischen und weltweitweiten Vergleich leben wir alle in Wohlstand. Allerdings ist er sehr ungleich verteilt ist. Daher muss sich jeder auf andere Weise die Frage stellen, was in der Erprobung zum Vorschein kommt. Mir scheint da immer noch die entlarvende Frage zu sein, was wir unseren Kindern zeigen und weiter geben. Sind sie mehr als dekorative Objekte des elterlichen Stolzes, festgehalten in Milliarden Pixel als Photo und Film? Geben wir ihnen etwas weiter, das zu leben lohnt? Oder ist keine Kinder haben zu wollen bereits das Eingeständnis, dass es auch nichts im eigenen Leben gibt, was es lohnt weiter gegeben zu werden?
  • Auf eine eigene Weise müssen auch die sich die Frage stellen, die aus anderen Teilen der Welt hier her gekommen sind, um ihren Kindern eine Zukunft zu geben, die sie in ihren Herkunftsländern nicht geben konnten. Das ist das legitime Anliegen jeder Mutter und jedes Vaters. Aber kann es das dann gewesen sein, Symbole des brüchigen Wohlstandes als Kulisse aufzustellen, sie zu photographieren um zu zeigen, dass man es zu etwas gebracht hat? War der Aufbruch aus Ägypten denn nicht mehr als der Aufbruch in den Materialismus?
  • Deswegen wehrt sich Gott dagegen, einfach nur als Brote-Beschaffer des Gottesvolkes herzuhalten. Für das Leben der Menschen wäre damit nichts gewonnen. "Das Brot, das Gott gibt, kommt vom Himmel herab und gibt der Welt das Leben", sagt Jesus. Indem er seinen eigenen Leib im Sakrament als Brot des Lebens gibt, erneuert Jesus die Tat Gottes in der Wüste. Wie damals kann das Brot nur dann zur Gegenwart Gottes werden, wenn es gebrochen und mit einander geteilt wird. Nur dann ist es "das Brot, das der Herr euch zu essen gibt". Amen