Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 17. Sonntag im Lesejahr C 2016 (Kollosser)

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24. Juli 2016 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Beten

  • Jesus vertraut auf das Gebet. Sein Vertrauen darauf, dass wir durch Beten Gott zu etwas bewegen können, wirkt uneingeschränkt. Offenbar ist Beten für ihn etwas abgrundtief Anderes als das Aufsagen von wirksamen Zaubersprüchen, wie man sie in Hogwarts lernt.
  • Die erste Lesung aus dem Alten Testament illustriert, wie sehr Jesus mit seiner Gebetserfahrung in der Tradition seines Volkes Israel steht. Immer wieder gab es Menschen, an denen in besonderer Weise sichtbar wurde, was es für jeden Menschen bedeutet, zu dem einen, wahren Gott zu beten. Nicht die formelhafte Wiederholung von Sätzen, sondern das Ringen des lebendigen Menschen mit dem lebendigen Gott macht das Beten aus. Im Beten bin ich als Mensch letztlich immer mit Haut und Haaren involviert. Das ist eine Form der Kommunikation, die das glatte Gegenteil zu dem darstellt, was heute die Normalform ist: Dem Absetzen von Kurznachrichten, Tweets und Mails, schludrig über die Tastatur geswypt und ohne allzu viel Verbindlichkeit.
  • Ich will daher ein Bild aus der Zweiten Lesung auf das Beten anwenden. Dort schreibt der Apostel Paulus, dass wir "mit Christus in der Taufe begraben" seien. Als Christ zu leben bedeutet also, mit Christus zu sterben, um so zur Auferstehung zu gelangen. Ganz eindeutig ist damit nicht das biologische Sterben gemeint, sondern ein - wie soll man sagen - alltägliches, Tag für Tag vollzogenes Sterben und Begraben-werden.

2. Sterben

  • Damit lautet die Frage: Wenn ich beten will wie Jesus oder Abraham - was muss dafür sterben? Beten wäre dann immer auch Sterben, nicht nur Loslassen, sondern wirklich schmerzvoll in das Nichts des Todes gerissen werden. Ganz anders als das Sterben bei einem Unfall oder aus Schwäche wegen Krankheit oder Alter, und doch in einem ganz ähnlich: Ein Sterben mit Christus ist immer ein Sterben, das sich an mir ereignet. Letztlich ist Sterben das Ende von Aktivität - gerade das macht es so paradox, wenn wir vom Glaubensakt als Sterben sprechen.
  • Die Bilder kommen hier an eine Grenze. Beten als Christ wäre dann ein Vorgang, in dem ich mich selbst loslasse, um mit Gott zu ringen, vielleicht ein Leben lang. Beten als Christ bedeutet dann, etwas zu riskieren von dem, was ich immer meinte, es sein ein unaufgebbarer Teil von mir. Aus solchem Gebet geht niemand unverändert heraus. Das gilt nicht für jedes gesprochene Vater Unser. Wohl aber gilt das für eine Lebenshaltung aus dem Vater Unser - und vielleicht manches Mal auch für das ganz konkrete Gebet, gesprochen an einem Ort und zu einer Zeit.
  • Was stirbt, wenn ich bete? Vielleicht meine Selbstsicherheit, vielleicht mein bisheriger Glaube, vielleicht die Grenzen, mit denen ich meine Welt übersichtlich halten wollte, vielleicht der Himmel, der sich über mir ausspannt und der in die Weite Gottes ausbricht, die ich nicht fassen kann. Vielleicht geschieht es aber auch im Gebet, dass mir ganz konkrete Pläne aus der Hand genommen werden. Vielleicht stirbt eine Trauer, an der ich meinte festhalten zu müssen. Vielleicht entpuppt sich im Gebet etwas als tot, und ich merke, was Paulus meint: "Ihr wart tot infolge eurer Sünden." Denn die trügerischen Bilder von uns selbst, die wir vor uns herumtragen, sind ja schon lange leerer Trug; nur jetzt erst tritt es unausweichlich zu Tage.

3. Auferstehen

  • Beten also verändert den, der zu Gott betet. Die Bibel behauptet aber darüber hinaus: Beten verändert Gott. Das ist an der Grenze dessen was wir uns vorstellen können. Aber gerade die Schilderung, wie Abraham um Gottes Barmherzigkeit ringt, lässt keinen Zweifel daran. Gott lässt das Gebet nicht von fern als Petition vor seinen göttlichen Thron bringen und hat von Ewigkeit her alles entschieden. Vielmehr offenbart sich Gott in der Bibel als einer, der mit sich ringen lässt. Von dem Menschen, der sich ganz auf die Wirklichkeit des barmherzigen Gottes einlässt, lässt sich Gott bezwingen. Deswegen kann die Bibel immer wieder davon sprechen, dass Gott sich etwas reuen lässt (1Chr 21,15 oder Jon 3,10). So sehr will Gott die Beziehung zu uns Menschen leben, dass er sich auf diesen Bund einlässt aus dem - Grenze allen Sagbaren! - Gott selbst nicht unverändert hervor geht. Die Grenze des hier Sagbaren ist bezeichnender Weise auch die Grenze, an die der Glaube an die Menschwerdung Gottes stößt. Genau hier ist der Punkt.
  • Paulus schreibt im Kolosserbrief entsprechend nicht, dass wer durch die Taufe begraben sei dann eben auch die Auferstehung erlebe. Vielmehr betont Paulus immer: Das geschieht "mit Christus": " "Mit Christus wurdet ihr in der Taufe begraben, mit ihm auch auferweckt" und "Gott hat euch mit Christus zusammen lebendig gemacht". Gemeinsam mit Gott steigen wir in das Gebet hinein. Gemeinsam mit ihm gelingt die Auferstehung zu neuer Barmherzigkeit.
  • Ich weiß, dass das alles hohl bleiben kann. Ich weiß auch, dass diese Sätze nicht von meiner persönlichen Erfahrung gedeckt sind - nicht von mir allein. Ich ahne aber, dass die Wahrheit des Glaubens dort aufscheint, wo wir mit einander Christen sind, und unser Gebet nicht allein bleibt, sondern zu einem gemeinsamen Ringen mit Gott wird. Dazu sind wir mit einander Kirche. Amen.