Predigt zum 17. Sonntag im Lesejahr C 2010 (Lukas)
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25. Juli 2010 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg, St. Elisabeth, Hamburg
1. Das Vater Unser beten
- Jesus betet. Das Lukasevangelium schildert das besonders oft. Jesus lebt aus dem Gebet. Deswegen schließt sich auch hier die Frage der Jünger an, wie sie beten sollen. Während das Vater Unser im Matthäusevangelium in der Bergpredigt steht, hat es Lukas in knapperer Form in direkten Zusammenhang mit dem Beten Jesu gestellt. Es ist davon auszugehen, dass Jesus öfters mit seinen Jüngern, etwa mit Maria anlässlich des Besuchs bei ihrer Schwester Marta, über das Beten gesprochen hat. Vielleicht greifen Matthäus und Lukas auf die selbe Quelle zurück. Auf jeden Fall aber haben sie selbst in ihren Gemeinden Erfahrung mit dem Gebet, das Jesus seine Jünger gelehrt hat.
- Von Jesus lernen die Jünger beten - und damit auch wir. Es gibt in der Bibel und in der jüdischen Tradition viele Gebete, die Psalmen etwa. Aber das Vater Unser war für die Christen immer das Gebet, das sie allein und zusammen gesprochen haben, und in dem all ihr Beten zusammenläuft. Auch wenn Sie etwa morgens oder abends sich Zeit nehmen, persönlich zu Gott zu beten, dann kann das Vater Unser immer ein Abschluss sein, der das persönlich Gesagte zusammenfasst.
- Das Vater Unser ist, wann immer ich es bete, Gebet der Kirche. "Gib uns täglich das Brot" "und führe uns nicht in Versuchung." Schon so ergänzt das "uns" mein persönliches Beten und erinnert mich daran, dass wir in der Kirche durch Christus zu einer Gemeinschaft berufen sind. Außerdem aber wird das Vater Unser immer in einer Spannung zu dem stehen, was ich persönlich bete: Wenn ich dankbar mit Gott meinen Tag anschaue, wenn ich eine Not vor ihn bringe, wenn ich um die Lösung einer Frage oder um eine Entscheidung mit Gott ringe, dann konfrontiert mich das Vater Unser oft mit anderen Bitten. Damit stellt sich die Frage: Worum kann ich, worum soll ich Gott bitten? Ist das, was die Bitten des Vater Unsers sind meine Bitten?
2. Bitten an Gott
- Machen wir auf zwei der Bitten den Test: "Dein Reich komme!" und "Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen!" Worum bitte ich, wenn ich dies spreche? Der Klang der Wörter ist uns ganz vertraut und sicher haben die meisten von uns sie schon oft gesprochen. Mit dem Klang dieser beiden Bitten verbinden Christen immer wieder ihre ganz persönliche Bitte und sprechen zugleich die Grundbitten der Kirche.
- "Dein Reich komme!", ist die Bitte darum, dass Gottes Einfluss in dieser Welt zunimmt. Das Zusammenleben der Menschen, unser Denken und Tun, soll mehr und mehr nicht unter dem Herrschaftseinfluss anderer Reiche stehen. Gottes Wille und Güte soll einflussreich werden gegenüber dem Willen, den Menschen einander aufzwingen.
Diese Bitte kann in konkreter Erfahrung von Ungerechtigkeit und Unrecht gesprochen werden. Ihre ganz eigene Note bekommt diese Bitte, wo das Unrecht in der Kirche selbst geschieht: "Dein Reich komme!" "Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen!", ist dem gegenüber anschaulich. Zugleich bitten wir damit aber nicht um einseitige Ernährung, sondern steht das Brot für die Grundbedürfnisse, Tag für Tag. Schwer zu sagen, was ich erwarte, wenn ich Gott darum bitte. Natürlich gibt es die Speisungswunder - in der Wüste Sinai, des Propheten Elia bei der Witwe von Sarepta und die Speisungswunder Jesu. Aber diese Wunder sind doch die absolute Ausnahme, die ich nicht für mich jetzt erwarte. Sie sind auch in der Bibel als Zeichen verstanden, also etwas das Gott in Ausnahmesituationen tut, um auf das zu zeigen, worum es ihm geht. Aber ist es das, worum ich bitte: "Unser tägliches Brot gib uns heute!"?
3. Den Heiligen Geist geben
- Gott wird nicht morgen persönlich im Kanzleramt einziehen und zugleich die Leitung der Deutschen Bank übernehmen. Gott wird nicht auf meine Bitte hin das Kühlschrankwunder wirken, dass dieser immer gut bestückt ist, ohne das ich ihn auffüllen muss. Gott wirkt nicht mit der Brechstange . Gott wirkt auf der Beziehungsebene und in der Begegnung von Person zu Person. Wo Menschen sich Gott öffnen, verwandelt Gott die Herzen: manchmal heftig, meist behutsam. Immer aber so, wie Jesus es am Ende des heutigen Evangeliums verheißt: "Der Vater im Himmel wird den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten."
- Im Lukasevangelium steht betont an dieser Stelle das Futur: Jesus verweist die Jünger, die ihn fragen, wie sie beten können, auf Pfingsten. Pfingsten ist in der Darstellung des Lukas die Geburt der Kirche aus dem Heiligen Geist. Mit der Ausgießung des Heiligen Geistes beruft Gott Menschen aus allen Völkern, sein Volk zu sein. Sie sollen mit einander beten "Dein Reich komme! Unser tägliches Brot gib uns heute!" Sie sollen die Königsherrschaft Gottes verkünden, die sein Sohn begonnen hat, als er sich aus Liebe am Kreuz dahingab. Sie sollen eine Gemeinschaft sein, durch die Gottes Zusage erfahrbar wird, dass seine Kinder sich nicht zuerst sorgen müssen, was sie zu essen haben, sondern zuerst mit einander teilen und für einander da sind.
- Wo Christen das verwirklichen, wirkt Gottes Geist in ihnen und beginnt sein Reich. Die Bitten des Vater Unser bedeuten daher nicht, dass ich mich nicht um die Gerechtigkeit und das tägliche Brot bemühen soll. Sie bitten Gott vielmehr darum, dass er mein Herz berührt und verwandelt wie die Herzen der Vielen, die er berufen hat, damit wir ganz und gar mit unseren Kräften tätig werden und zugleich ganz und gar darauf vertrauen, dass das Heil nicht von jedem einzelnen von uns abhängt, sondern von dem Geist Gottes, der in den Vielen wirkt. So schenkt Gott seine Gnade, indem es Viele sind aus allen Völkern, die von Jesus beten lernen und mit ihm den Weg Gottes gehen. Amen.