Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 16. Sonntag im Lesejahr B 2003 (Markus)

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20. Juli 2003 - Universitätsgottesdienst, St. Ignatius Frankfurt

1. Freizeit und Urlaub

  • Der Urlaub war verpatzt, bevor er richtig angefangen hatte. Geplant war ein einsamer Strand am See, wo man so richtig die Ruhe genießen und abspannen kann. Weg vom Trubel des Alltags, weg von den Leuten, die sonst immer auf die Nerven gehen, ab auf die Insel - Urlaub eben, wie er hätte sein sollen. Statt dessen ist der einsame Platz am See mit Tausenden bevölkert. Und die wollen was.
  • Nach der Rückkehr von ihrer Missionsreise will Jesus die Apostel mitnehmen an einen einsamen Ort um allein zu sein. Jesus selbst hatte sie zuvor über Land geschickt, zu zwei und zwei, das Evangelium zu verkünden und Kranke zu heilen. Nach der Dramaturgie des Textes hatte zwischenzeitlich der Täufer Johannes ein grausames Ende gefunden. Damit müsste auch den Aposteln deutlich geworden sein, dass munter predigen Widerstand bei der Staatsgewalt hervorrufen kann. Nun sind sie zurück bei Jesus. Er will mit ihnen wegfahren, um allein zu sein nach all den Mühen.
  • Daraus wird nichts. Der Urlaub war verpatzt, bevor er richtig angefangen hatte. Die Menge der Leute schafft es sogar, noch vor Jesus und den Seinen am Platz zu sein. Der Wunsch, allein zu sein, ist mächtig. Mehr noch aber das Mitleid, "denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben."

2. Schafe und Hirten

  • Die Leseordnung hätte als erste Lesung aus dem Alten Testament einen Abschnitt aus dem Buch Numeri wählen können, um zu erklären, was es mit dem Bild von den Schafen ohne Hirten auf sich hat. Dort heißt es "die Gemeinde des Herrn soll nicht sein wie Schafe, die keinen Hirten haben" (Num 27,17). Und vom Zusammenhang wird klar, dass damit beschrieben werden soll, wie schwach und hilflos dem Angriff der Wölfe ausgeliefert solche Schafe sind, die ohne Hirten herumlaufen. Gott will seinem Volk Hirte sein, damit es den Kampf besteht und heil wieder nach Hause kommt. Mit der Erinnerung an die Hinrichtung des Täufers hätte diese Parallele aus dem Buch Numeri Sinn gehabt.
  • Tatsächlich hat man sich entschieden, vor das heutige Evangelium den Propheten Jeremia zu stellen. Auch dort geht es darum, dass Gott sein Volk in Sicherheit wohnen lassen will. Die Bedrohung einer gewalttätigen Umwelt soll das geheiligte Volk nicht zerstreuen. Der Akzent der Lesung aus dem Buch Jeremia aber liegt auf dem Versagen der Hirten, die das Volk derzeit hat. "Weh den Hirten, die die Schafe meiner Weide zugrunde richten und zerstreuen", ruft Gott aus. Diejenigen, die als Priester, Lehrer und Führer des Volkes dieses führen sollen, haben versagt. Sie haben nur ihre eigenen Interessen und Neigungen verfolgt, sind dem Kompass ihres Egoismus gefolgt. Höchst aktuell klingt das.
  • Jeremia stellt sich diesen räuberischen Hirten entgegen und spricht aus, worum es gehen soll: "Recht und Gerechtigkeit im Land". Nicht um die Hirten geht es, sondern um die Menschen, um das Volk. Wenn Christus von sich sagt, "Ich bin der gute Hirt" (Joh 10,11 und 10,14), dann macht er damit deutlich, dass es um das Zentrum geht, nicht um die Peripherie, nicht um die Wege zum Zentrum, sondern um Gott, der uns berufen hat, sein Volk zu sein. Auf ihn sind wir getauft, mit seinem Heiligen Geist ausgerüstet, mit seinem Leib und Blut gestärkt.

3. Richtung und Muße

  • Der Urlaub ist für die Apostel ausgefallen. Ihr Bedürfnis nach Ruhe und Einsamkeit hatte in dieser drängenden Zeit keinen Raum. Durch das aber, was stattgefunden hat, kommt der Unterschied zum Ausdruck, was unsere Praxis der Freizeit von der Ruhe trennt, in die Jesus uns führen will. Denn vielfach ist heute Freizeit ein mindestens so umtriebiges Geschäft wie die Arbeits- oder Studienzeit. Freizeit ist geplant, terminiert, strukturiert. Beladen mit allen Erwartungen, die sich im Alltagsstress aufhäufen, entpuppt sich Freizeit, die nach dem selben Schema durchgezogen wird, als das Gegenteil von dem, worauf es ankäme: Muße zu haben und Richtung zu finden.
  • Deswegen taugt der Glaube vielleicht nicht, um Freizeitansprüchen zu genügen. Aber hat eine Freizeit zu mir selbst geführt, wenn ich am Sonntag Abend vom Erholungsstress des Wochenendes erschöpft bin? War es ein Urlaub wert, der hinterher den Schreibtisch wieder zur lebbaren Alternative macht? Zu solcher Freizeit und solchen Events hat der Glaube wenig beizutragen.
  • Paulus hat im Brief an die Epheser (aus der heutigen 2. Lesung) geschrieben: Er, Christus, "ist unser Friede". Dieses Wort gilt auch in unserem Zusammenhang. Die Apostel haben als Gesandte Jesu für ihr Leben eine innere Richtung gefunden. Sie haben mit ihm Zeiten erlebt - und wenn es auch nur die Stunden der Überfahrt über den See waren - in dem sie Frieden, Ruhe und wirkliche Muße gefunden haben. Durch die Taufe sind wir in diese Nähe zu Jesus eingeladen, durch die Firmung wird dieses besiegelt und wir werden zu Gesandten, Aposteln, die in ihrem Leben Richtung haben. Damit lässt sich gut Urlaub machen. Amen.