Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 15. Sonntag im Lesejahr A 2005 (Matthäus)

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10. Juli 2005 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main

1. Eindeutigkeit

  • Es gibt die große Sehnsucht nach Eindeutigkeit. Manche Situationen manches Mal machen es schwer zu ertragen, dass die Dinge nicht klarer und eindeutiger sind. Gut und Böse, Schwarz und Weiß, Gott und Welt - all das erscheint oft so undeutlich verschwommen neben- und durcheinander. Manche Last würden wir gerne auf uns nehmen, manche Schmerzen ertragen, wenn uns der Ausgang nicht so ungewiss wäre, ob sich das alles lohnt. Ich verstehe jeden, der in Seufzen verfällt, weil er sich nicht mehr auskennt.
  • Paulus vertritt leidenschaftlich die Uneindeutigkeit der Hoffnung. Hoffnung wurzelt in der Gegenwart, aber sie blickt in die Zukunft. Das ist ihm Voraussetzung der Freiheit. Er sieht kein Heil darin, sich auf Gesetze und Regelungen zu beschränken, die fieselig genug sind, um alles zu regeln - weil er weiß, dass dadurch das Heil nicht zu finden ist. Schlimmer noch: Ein Glaube, der sich in Regeln einigelt, gaukelt eine Eindeutigkeit vor, die so einfach nicht da ist. Der Samen wird weit ausgestreut, auf Weg, auf Fels und in die Dornen, aber ebenso auf guten Boden. Der Samen ist überall. Paulus ist überzeugt, bei der Ernte wird sich erweisen, was Frucht bringt: dreißigfach, sechzigfach oder hundertfach. "Die Leiden der gegenwärtigen Zeit bedeuten nichts im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll."
  • Wir dürfen darauf vertrauen, dass offenbar wird, was jetzt noch verhüllt ist. Gott wird zu seiner Zeit offenbar, eindeutig und sichtbar machen, was jetzt noch unterwegs ist. Wir können die Eindeutigkeit nicht von uns aus schaffen. Sie kann nicht mit Waffen und nicht mit Bombenattentaten hergestellt werden, nicht in Hass und nicht in selbstmörderischer Verzweiflung, sondern nur in der vertrauenden Hoffnung auf Gott.

2. Schöpfung

  • Nicht nur wir, die ganze Schöpfung wartet voll Sehnsucht. Paulus hatte keine Ahnung von der Umweltzerstörung, die der Mensch noch anrichten würde. Er hätte sich aber in seiner Ansicht bestätigt gefühlt, auch wenn er viel weiter blickt. Es ist für ihn die Grundstruktur der gesamten Schöpfung, wie er sie vorfindet, dass sie geschlagen ist vom Leiden, von Tod und immer neuem Vergehen. Er hatte keine Ahnung davon, dass der Kosmos und die Welt sich in Evolution und Entwicklung befinden. Er hätte sich aber bestätigt gefühlt durch die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft.
  • Die Evolution aber ist kein mechanischer Vorgang. "Survival of the fittest" ist eine schwach belegte These. Der Glaube sieht in der Evolution vielmehr Gottes Werk. Das tiefste Geheimnis aber liegt darin, dass die ganze Schöpfung in Beziehung ist zum Geist des Menschen. Durch die Bausteine aller Materie sind wir mit dem Kosmos verbunden, durch die wachsende Komplexität des Organischen mit allem was lebt.
  • Die wahre Verbundenheit aber ist Geist und Beziehung. "Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, aber nicht aus eigenem Willen". Die Freiheit und der Wille in Gottes Schöpfung ist der Mensch. Ihm hat er daher die Schöpfung anvertraut. Deswegen seufzt und wartet die ganze Schöpfung darauf, dass der Mensch sich nicht länger zeigt als Sklavenhalter sondern als das, wozu wir berufen sind: Kinder Gottes, Erben ("Söhne") seines Reiches. Die Welt, sagt Paulus, liegt "in Geburtswehen", vielfach voll Schmerzen. Der Sinn der Schöpfung aber besteht darin, dass der Mensch Gott findet, in Freiheit und Liebe.

3. Wirken

  • Unser Wirken hat kosmische Perspektive. Die Bibel denkt größer vom Menschen, als wir es ahnen. Wahrscheinlich würden wir den Gedanken sogar zurückweisen, weil er uns zu groß vorkommt. Dann aber denken wir wahrscheinlich auch von Gott zu klein, der nicht ein Teil der Schöpfung, Ding unter Dingen, ist, sondern der Urheber von allem. Er hat jeden einzelnen von uns berufen, in dieser Welt zu leben und mit zu bauen an dem Reich, dessen Samen er in diese Welt gelegt hat.
  • Alles kann wertvoll sein haben. Was immer Sie in diesem Semester studiert haben, was immer Sie getan und versucht haben, es kann bleibenden Wert haben. Es kann diesen aber nur haben, wenn es eingeht in die große Umwandlung der Welt. Als Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist, wurde unser schwaches Fleisch zum Ort der Gegenwart Gottes. Ob Ingenieurtechnik oder Jura, Musik, Sprachen oder Philosophie - alles ist berufen mit zu bauen an Gottes Reich. Das ist unser aller Berufung in der Taufe. Zusammen mit der ganzen Schöpfung sind wir berufen, mit Christus diese Welt zum Vater zu führen.
  • Dazu bedarf es der Überwindung der Subjektivität. Nichts von dem, was uns als Subjekt und Person ausmacht, soll an der Garderobe abgegeben werden. Einzeln und beim Namen genannt sind wir berufen in die Gemeinschaft der Getauften. Wenn jeder von uns nur für sich in eingegrenzter Subjektivität vor sich hin arbeitet, ist die Mühe vergebens. Hier aber, in der Kirche, sind wir zusammen gekommen, um uns gemeinsam auszurichten auf Gott hin. So kann das, was jeder von uns ist und leistet beitragen zu dem einen Werk. Auch wenn wir manches Mal aus tiefstem Herzen seufzen, weil die Fakten uns so wenig eindeutig vorkommen - wir haben als Erstlingsgabe den Heiligen Geist. Gott selbst spricht zu unserem Herzen. Darauf bauen wir unser Vertrauen, dass unser Wirken in der Welt Frucht tragen kann. Amen.