Predigt zum Hochfest Kreuzerhöhung 2014
Zurück zur Übersicht von: 14. September: Kreuzerhöhung
14. September 2014 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
1. Kaiser und Kreuz
- Kaiser Konstantin, der Sohn, holt das Christentum aus der Verbotsecke und bindet es über Privilegien in sein Reich ein. Wie gläubig er selbst war, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall war es auch für einen Kaiser nicht mehr undenkbar, sich als Christ zu bekennen.
- Derweil macht sich Helena, die schon betagte Mutter, im Heiligen Land auf die Suche nach den Ursprüngen dieses Glaubens, den auch sie angenommen hat. Zuvor hatten die heidnischen Kaiser alle Orte, die an Jesus erinnern, unter römischen Tempeln vergraben wollen; Helena nun holt die Heiligen Stätten der Christenheit wieder ans Tageslicht. Über dem Ort von Tod und Auferstehung Jesu wird eine Kirche errichtet. Ob die örtlichen Christen tatsächlich dreihundert Jahre lang die Erinnerung an den Ort bewahrt hatten, wo das Holz des Kreuzes verborgen war, ist denkbar, aber müßig zu diskutieren. Aber am heutigen Tag, dem 14. September, wurde seit dieser Zeit das Kreuz feierlich gezeigt, erhöht und verehrt. Der christliche Glaube, der sich im Römisch Reich durchzusetzen beginnt, ist nicht ort- und zeitlos wie die alten Kulte. Christen glauben die Gegenwart Gottes in der Menschengeschichte und an Menschenorten, hier in Jerusalem. Dafür steht die Ehrung der Heiligen Stätten. Dafür steht das Holz, von dem Helena überzeugt war, dass es das Kreuz ist, an dem der Heiland sein Leben dahin gegeben hat.
- Die feierlicher Verehrung eines Kreuzes durch die Kaiserin-Mutter ist ein spannungsvoller Vorgang. Das Kreuz war bislang das Mittel der Kaiser, ihre Macht bis in den letzten Winkel durchzusetzen. Es war dazu gedacht, die Gegner des Kaisers brutal zu ermorden - und das erhöht, an sichtbarem Ort, vor aller Augen.
Nun wählt das römische Kaiserreich eben dieses Kreuz eines Gehenkten zum Zeichen des Sieges. Schon in der Antike wurde von den Kritikern der Christen behauptet, dass das der Anfang vom Untergang des machtvollen römischen Reiches sein würde. Der christliche Glaube schien ihnen nicht geeignet, die Macht eines Weltreiches zu sichern. Es scheint, sie haben recht behalten. Für ein machtvolles Reich braucht es so etwas wie den alten Kaiserkult und seinen Sonnengott. Das Kreuz dagegen zeugt von einem Gott, der uns in Spannungen hineinführt, die nicht zur Sicherung der Staatsmacht taugen.
2. Spannungen
- Eine solche Spannung ist die zwischen dem Reich Gottes unter uns und dem kommenden Reich Gottes. Immer wieder wurde und wird versucht, diese Spannung nach der einen oder anderen Seite hin aufzulösen.
- Entweder ein rein diesseitiger Glaube: Gott habe keine Hände als unsere Hände, um sein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens zu bauen. - Das ist die Einseitigkeit die gefährlich nahe an der Sehnsucht der Pseudo-Muslime ist, die nach Syrien oder in den Irak ziehen, um mit äußerster Brutalität das durchzusetzen, was sie für Gottes Willen halten. Sie behaupten den absoluten Gehorsam gegenüber Gott und glauben doch nur an sich selbst und die Macht ihrer Hände.
- Oder da ist ein rein jenseitiger Glaube: Nur im Jenseits, nur im Himmel sei Heil, hier auf Erden gehe es nur um Bewährung vor dem strengen Auge des richtenden Gottes. Der Mensch habe keinen aktiven Anteil an einem Reich der Gerechtigkeit auf Erden. Die Ordnung dieser Welt sei restlos böse und verloren.
3. Weltlichkeit Gottes
- Auf beiden Einseitigkeit lässt sich gut irdische Macht begründen. Das eine ist die moralisch geschminkte Diktatur, das andere ist die ungeschminkte irdische Machtanmaßung, die mit dem Jenseits vertröstet. Einseitig diesseitig, einseitig Jenseitig, das läuft auf das selbe hinaus.
- Das Kreuz aber ist zwischen diesen Polen ausgespannt und löst die Spannung nicht nach einer Seite hin auf. Das Kreuz klagt irdisches Unrecht an und klagt irdische Gerechtigkeit ein. Zugleich aber trägt Jesus im Kreuz das Unrecht am eigenen Leibe durch den Tod hindurch; am Ende ist reiner Glaube, reines Vertrauen in die alles Irdische übersteigende Macht Gottes.
Das Kreuz ist erhöht, es steht auf der Erde und richtet sich zugleich aus gegen den Himmel. Es fordert alle Kraft für die Gerechtigkeit hier auf Erden und weiß doch um das Scheitern des Menschen. Im Blick auf das erhöhte Kreuz halten Christen diese Spannung aus, ohne sich aus der Verantwortung für die Welt zu stehlen und ohne irdische Macht und Strukturen zu überschätzen.
- Historisch musste das Christentum aus der Nische in die Mitte der Gesellschaft kommen; es war die überzeugende Alternative und konnte nicht anders als wachsen. Es ist wohlfeil, die Konstantinische Wende, in deren Verlauf das Christentum zur Staatsreligion wurde, zur Ursünde zu erklären, und sich die kleine, kuschelige, spannungsfreie Nischenkirche der Frühzeit zurück zu wünschen. Unser Glaube muss sich gerade dort bewähren, wo er nicht im Abseits stehen bleibt, sondern in die menschlichen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen eindringt, sich ihrer Gesetzmäßigkeit nicht entzieht, sondern sich damit auseinandersetzt.
Glaube bewährt sich, wo er sich auf das Diesseits einlässt, ohne vom Jenseits zu lassen, wo er sich daran macht, mehr Gerechtigkeit mit eigener Kraft anzustreben, ohne darauf zu vergessen, dass wir gemessen an Gottes Vollendung nicht mehr als Stückwerk schaffen können. Amen.