Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr B 2006 (Markus)
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2. Juli 2006 - Hochschulgottesdienst, Kaiserdom Frankfurt
1. Das Knie beugen
- Es tut gut, das Knie zu beugen. Allerdings nicht immer. Wer vor Herrschern
und Königen das Knie beugt, vor Macht, Geld und Ansehen, der versklavt
sich. Wer glaubt, der beugt das Knie vor der Gegenwart Gottes allein. Katholiken
beugen das Knie daher explizit vor dem Tabernakel: Der Gegenwart Gottes im
Brot des Abendmahles. Hier zu knien versklavt nicht, denn wir stehen, wenn
wir Gott unseren Vater nennen, im Stehen begegnen wir dann unserem Gott und
empfangen den Leib des Herrn. Durch Gott aufgerichtet, haben wir Gemeinschaft
mit ihm.
- Die Gemeinschaft mit Gott tut gut. Die Zeit, die ich bewusst in der Ausrichtung
auf Gott verbringe, ebenso die Augenblicke, in denen in spüre, dass Gott
mir nahe ist, können tragend sein für ein Leben. Das sind keine
lauten und lärmenden Erfahrungen. Eher schon in der stillen Kammer oder
am Rande des großen Geschehens. Die meisten von uns würden vielleicht
vorsichtig sein, es überhaupt “Erfahrung” zu nennen, auch
und gerade wenn es ein ganz sicheres Gespür ist: Gott ist gegenwärtig
- und das tut gut.
- Wenn es der Gott der Bibel ist, dann führt mich diese Begegnung immer
auch mit Menschen zusammen. Auf sehr unterschiedliche Weise, aber grundlegend
immer, verändert eine echte Gotteserfahrung meine Beziehung zu Menschen
positiv: Ich finde andere, die meinen Glauben teilen, und ich sehe in der
Fernsten und Ärmsten das Angesicht dieses Gottes.
2. Nähe suchen
- Zwei Mal berichtet das heutige Evangelium vom Kniefall. Ganz wie wir am
Tabernakel vor der Gegenwart des Herrn in die Knie gehen, tun dies der Synagogenvorsteher
Jaïrus und die namenlose Frau im Evangelium. Sie wissen und spüren
um die Gegenwart Gottes in Jesus und gehen in die Knie.
- Jaïrus ist ein angesehener Vorsteher. Er bittet für seine Tochter.
Sie ist erst 12 Jahre alt, gerade an der Schwelle zum selbstbestimmten Leben.
Da hat ihr eine Krankheit die Kraft genommen. Isoliert liegt sie danieder.
Jaïrus ahnt, wie nah ihr der Tod ist, der sie von allen anderen abschneiden
würde. Der Tod schneidet ab, stößt in die letzte Einsamkeit
und Dunkelheit.
- Die andere Frau ist nicht tot. Aber seid zwölf Jahren leidet sie an
einer Krankheit, die sie nach damaligem Hygienerecht weitest gehend isoliert.
Sie hat zwar etwas Vermögen (zumindest bevor sie anfing zu den griechischen
Ärzten zu gehen). Aber wer unter Dauerblutung leidet, war sozial ausgegrenzt,
durfte andere nicht berühren und am kultischen Leben nicht teilnehmen.
Tot ist die Frau nicht. Aber das Leben fließt unaufhörlich aus
ihr heraus und an ihr vorbei. Einsam ist sie und verzweifelt.
3. Gemeinschaft schaffen
- Dieses Evangelium erzählt davon, worum es im Glauben geht. Gott schenkt
Gemeinschaft und Gott schafft Gemeinschaft. Wodurch auch immer Menschen isoliert
sind und auseinander gebracht, ob durch Tod und Krankheit, ob durch Ungerechtigkeit
und Ausgrenzung oder aber durch eigene Schuld, Neid, Habsucht oder was auch
immer. Immer geht es um das eine: Gott hat uns geschaffen zur Beziehung und
Gemeinschaft, ja zur Liebe.
- An diesem Schöpfungsprojekt hält Gott fest. Auch und gerade in
Jesus Christus.
- Das Mädchen nimmt er an der Hand und gibt es zurück in die
Gemeinschaft ihrer Familie. Von den anderen war es schon abgeschrieben.
Deren Anteilnahme hat nur noch zum obligatorischen Klagen gereicht. Darüber,
dass einer Leben über den Tod hinaus zu schenken vermag, konnten
sie nur abrupt vom Klagen ins Lachen verfallen. Nur Jaïrus, der Vater,
hatte geglaubt. Jesus ermutigt ihn: "Sei ohne Furcht; glaube
nur!" Gott ist seinem Bund mit den Menschen treu, über
die Scheidegrenze des Todes hinaus.
- Die andere Frau war selbst aktiv geworden. Ihr Vertrauen ist nicht
zufällig körperlich, denn die Gebrechlichkeit des Körpers
ist es, was sie aus der Gemeinschaft der Menschen ausgeschlossen hat.
Sie sucht die körperliche Nähe zur Gegenwart Gottes, die sie
in Jesus sieht. Die gesellschaftlichen Regeln aber sind stark in ihr.
Nur anonym und in der Menge nähert sie sich dem Göttlichen.
Deswegen ist hier die eigentliche Heilung der zweite Schritt. Jesus wendet
sich ihr zu, stellt sie in die Mitte, lässt sie ihre ganze Wahrheit
aussprechen, all das was sie erlitten und gesucht hat. So verwandelt Jesus
diese Frau: als Tochter Gottes gehört sie zur Familie seines Bundes.
Er holt sie aus der Isolierung und Anonymität: "Meine Tochter,
dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! ".
- Dieses Evangelium fasst zwei typische Glaubensgeschichten in einer dramatischen
Szene zusammen. Der Evangelist Markus hat gesehen, wie darin für Christen
aller Zeiten deutlich werden kann, wie der Glaube verwandelt. Der Kniefall
vor Gott führt in die Gemeinschaft der Menschen, die Gemeinschaft derer,
die aufrecht stehen als Ebenbilder des unsichtbaren Gottes. Denn er, unser
Gott, will den Menschen nahe sein und uns zu einander führen. Amen.