Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr A 2011 (Matthäus)

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26. Juni 2011 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg

1. Gewinn und Verlust

  • "Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen." Mit diesem Satz fasst Jesus knapp zusammen, was Leben in der Nachfolge bedeutet. Er selbst ist die Möglichkeit, mein Leben mit Gottes Wirklichkeit zu verbinden. Gott allein ist die Quelle wahren, bleibenden Lebens. Ohne Gott ist das blanke Leben so wertlos wie mitten in der Wüste allein zu sein mit einer Kreditkarte, aber ohne Wasser. Das wäre auf die falsche Karte gesetzt.
  • Nun, zumeist geht es nicht um alles oder nichts. Es hilft aber im normalen Alltag, den Ausnahmezustand in den Blick zu nehmen. Das Normale ist selten schwarz oder weiß; meist ist es grau. Umso mehr ist es aber wichtig mir klarzumachen, wo ich hinwill und wohin auf keinen Fall. Das Leben ist oft wie eine Auktion; es ist gut von vorne herein darüber nachzudenken, wann der Preis zu hoch ist.
  • So ist auch das radikale Wort Jesu vom Verlieren und Gewinnen des Lebens zu verstehen.
  • Wozu lässt sich ein Arzt von einem gewinnorientierten Krankenhausträger noch überreden und wann steigt er aus, weil ihm seine Verantwortung als Arzt wichtiger ist als der Job?
  • Über welche Fehltritte des Vorgesetzen darf man noch schweigen und wann geht das nicht mehr?
  • Wie lange kann eine Mutter zuschauen, wie ihr Mann mit subtiler Gewalt die Kinder missbraucht, und wann muss sie ihren eigenen Lebensentwurf riskieren und zur Polizei gehen?
  • Erschöpft sich meine Liebe zur Kirche darin, alles gut zu finden und wegzuschauen, und wann tut ein klares Wort Not, wenn in der Kirche das Evangelium verleugnet wird?
  • Wie lange stehe ich zu einem Freund, der zunehmend andere belügt und betrügt, und wann muss ich mich von ihm trennen?

2. Zur Quelle

  • Jesus stellt keine besonders schweren Forderungen. Im Gegenteil will er uns helfen, in einem komplizierten Leben den Kurs und den inneren Maßstab nicht zu verlieren.
  • Dabei spricht er seine Jünger - die beginnende Kirche - als Gruppe an. Einander sollen die Jünger Stütze und Zeugen dafür sein, dass es sinnvoll ist, Lebensentwürfe und Liebgewonnenes dranzugeben um der bleibenden Freundschaft mit Jesus willen.
  • Diese Freundschaft hat eine Richtung. In Christus ist Gott Mensch geworden, um uns zum Vater, dem Quell allen Lebens zu führen. Aus dieser Quelle aber kann ich nur trinken, wenn ich mich ihr öffne. Diese Quelle kann ich in Wüstenzeiten nur finden, wenn ich mit ihr vertraut bin.

3. Lübecker Märtyrer

  • An diesem Wochenende haben die lutherische und die katholische Kirche im Norden dankbar die vier Lübecker Märtyrer gefeiert. Die gestrige Seligsprechung in Lübeck war für unser Bistum ein Höhepunkt. Zugleich hilft uns der Blick auf diese Märtyrer das Evangelium zu verstehen.
  • Der echte Märtyrer will das Martyrium nicht und sucht nicht den Tod, sondern das Leben. Genausowenig fordert das Evangelium den Selbstmord, wenn Jesus fordert, sein Leben zu verlieren. Vielmehr geht es um die Grundhaltung, sich nicht verbiegen zu lassen. Das kann jeden Tag wichtig sein. Das kann sich aber auch mit Gottes Hilfe bewähren, wenn es drauf ankommt.
  • Zweitens ist das echte Matryrium nicht in Feindschaft gegen jemand. Es steht von innen her immer für das Leben, das Gott schenkt. Der Selbstmordattentäter reißt sich und andere in den Tod. Der Märtyrer hingegen betet für seine Verfolger. Er will das Heil für alle. Die Gewaltlosigkeit und das Vertrauen in Gottes Lebensmacht soll auch den Henker und die Menschen in seinem Ideologiesystem zum Leben führen. Daran muss sich übrigens auch das Märtyrergedenken messen.
  • Daher kann Jesus sagen: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht würdig.
  • Das ist nicht gegen die Eltern, sondern für sie. Denn Eltern, die sich höher stellen als Gott, schaden nicht nur ihren Kindern, sondern verfehlen auch sich selbst.
  • Dies gilt auch für die Mutter Kirche. Wer Missstände in ihr benennt, ist nicht der Nestbeschmutzer, sondern kann sich als der erweisen, der die Kirche mehr liebt und ihr treuer ist, als die Ja-Sager.
  • Ebenso ist es nicht gegen den Unrechtstäter, wenn sein Unrecht offen benannt wird, sondern gibt auch ihm die Chance, sich zu bekehren; ja, in gewisser Weise gibt es ihm mehr Würde, als wenn man vor dem Unrecht, das er verübt, kuscht.
  • Auch wenn wir nie in eine Extremsituation kommen, das Leben um Jesu willen verlieren zu müssen, können wir im Einüben in die Grundhaltung zu Menschen werden, die fähig sind das Leben zu gewinnen: Als aufrechte, unverbogene Menschen, wie Gott uns geschaffen und berufen hat. Amen.