Predigt zum 13. Sonntag im Lesejahr A 2005 (Matthäus)
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26. Juni 2005 - Universitätsgottesdienst Frankfurt/Main
1. Elischa
- Elischa ist ein eher unbekannter Prophet. Es gibt kein biblisches Buch unter
seinem Namen, wie Jesaja oder Jeremia. Elischa lebte auch gut zweihundert
Jahre früher, im 9. Jahrhundert v.Chr. Bekannter als er ist der Prophet
Elia, dessen Schüler Elischa ist. Beide gehören zu jener Gruppe
von “Gottesmännern” oder “Propheten”, die zu
ihrer Zeit große Bedeutung hatten. Aber obwohl wir viele kleinere Erzählungen
über Elischa haben, bleibt vieles aus seiner Biographie unklar.
- Propheten (hebr. "nabi") gab es in jener Zeit viele. Auch Elischa
hat wohl zu einer Gruppe von Propheten gehört. Ganze Hundertschaften
waren am Königshof quasi Beamte mit der Aufgabe, dem König den Willen
Gottes zu vermitteln. Allein oder in Gruppen, liturgisch geordnet oder charismatisch
spontan, in Ekstase oder nüchterner Lagebeurteilung waren sie ein unverzichtbares
Element, um auch in den Zeiten, in denen Israel einen König hatte (oder
zwei: Nordreich und Juda), das Königtum des Herrn JHWH zu sichern. Manche
Propheten redeten dem König nach dem Mund, andere waren unbestechlich,
auch das Unheil zu vermitteln, das dem jeweiligen König drohte, der seine
eigenen Wege ging, statt auf den Herrn zu hören.
- Elischa hatte in den späten Jahren, in denen unsere Geschichte anzusiedeln
ist, gute Verbindungen zum Königshof und war doch selbstständig.
In der Erzählung von der Frau aus Schunem wird das deutlich. In dieser
Gegend im Norden, unweit von Nazareth, war Elischa offenbar regelmäßig
unterwegs. So kam diese Frau auf die Idee, ihm eine Bleibe auszubauen, in
der Elischa zu Gast sein konnte. Dort hatte er eine Stube, konnte übernachten
und in Ruhe studieren. Der Herr des Hauses war nicht mehr der Jüngste;
seine Frau scheint alle wichtigen Entscheidungen in der Hand zu haben. Deswegen
ist fragt Elischa auch sie, womit er sich für die erfahrene Gastfreundschaft
erkenntlich zeigen könne. Der Vorschlag, seine Beziehungen bei Hofe für
sie spielen zu lassen, beeindruckt die Frau nicht. Sie hat eine große
Verwandtschaft. Solche Protektion braucht sie nicht. Es braucht den Prophetenschüler
Gerasi, der Elischa darauf hinweist, dass diese Frau kinderlos ist. Elischa
ruft die Frau. Sie bleibt am Eingang stehen. Elischa verheißt ihr, sie
werde binnen eines Jahres "einen Sohn liebkosen", und trotz
der Skepsis der Frau tritt ein, was Elischa verheißen hat. Es sind kleine
Dinge wie diese, durch die der Prophet verkündet, " erfahren,
dass es in Israel einen Propheten gibt." (2. Kön 5,8) und "dass
es nirgends auf der Erde einen Gott gibt außer in Israel"
(sagt der Syrer Naaman in 2 Kön 5,15).
2. Propheten sind Erscheinung Gottes
- Auffällig an der Erzählung ist, dass Gott gar nicht erwähnt
werden muss. Menschen handeln, Menschen künden. Aber der Rahmen ist geprägt:
Elischa wird als "Gottesmann" eingeführt und selbstverständlich
bewegt sich die ganze Geschichte im Rahmen des Gottesvolkes Israel. In diesem
Rahmen wird eine "profane" Geschichte zum Leben mit Gott. 850 Jahre
vor Christi Geburt ist es Israel selbstverständlich, dass im Handeln
von Menschen Gott handelt. 850 Jahre bevor Gott im Menschen erscheint, kann
Gott erfahren werden in seinen Boten. Der Prophet ist einer, der in der Begegnung
mit Menschen Gott vertritt. Er gibt nicht einen Text weiter, sondern wird
selbst zur Erscheinung Gottes.
- Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus kann daher ganz aus der Tradition
Israels und der Bibel verstanden werden. Sie hat nichts zu tun mit griechischen
Mythen, in denen sagenhaft erzählt wird, dass Götter Menschensöhne
haben. Israel weiß und kennt die Erfahrung, dass der allmächtige
Gott sich in der profanen Geschichte seines Volkes offenbart in der Begegnung
von Menschen. Schon die Propheten haben nicht nur von Gott gesprochen, sondern
durch ihre Person und ihr Leben zeichenhaft Gott zur Erscheinung bringen lassen.
- Christen glauben, dass in Jesus Christus Gott selbst in Erscheinung kommt.
Wer ihn sieht, "sieht den Vater" (Joh 12,45). Daher ist
Jesus "mehr als ein Prophet" (Mt 11,9); alles was vor ihm
Prophet war läuft auf ihn zu, da er der Bote ist, der ganz aus dem Vater
kommt und in dem Gott sich seinem Volk zeigt. In der Liturgie der Taufe aber
wird der Mensch mit Chrisam auf den Namen Christi zum Propheten gesalbt. Deswegen
strahlt das Prophetentum Christi auf uns ab und kann uns Jesus sagen: "Wer
euch aufnimmt, der nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der
mich gesandt hat."
3. Als Gottesvolk prophetisch leben
- Die Zeit eines Elischa ist schon lange vorbei. Fremd sind uns die Männer
der frühen Zeit, die in Ekstase den Willen Gottes erfahren und künden.
Aber in Christus ist jeder im Gottesvolk prophetisch. So stehen wir auf einmal
selbst als Propheten da. Und was dies heißen kann, lässt sich in
Details doch aus den alten Erzählungen entdecken. Denn Elischa ist ein
Prophet, der einem Menschen erfahrbar macht, dass Gastfreundschaft Segen bedeutet.
Die Schunemiterin hat ihn in Gastfreundschaft aufgenommen. Er durfte ihr verheißen,
dass sie ein Kind wird liebkosen können. Wo Menschen im Volk Gottes einander
aufnehmen, wirkt Gottes Geist.
- Aber auch ein Elischa muss lernen. Das erste, was er als Gegengabe für
die Gastfreundschaft angeboten hatte, war schlicht Vitamin B: Einfluss bei
Hofe. Das ist fast so, als hätte er Geld angeboten, denn Macht und Einfluss
ist nicht die unwirksamste Währung. Wenn es aber nur das ist, was wir
einander in der Kirche zu bieten haben, steht es schlecht um das Volk Gottes.
Ja, es gibt nicht wenige Mächtige in der Kirche heute und Geld spielt
eine große Rolle. Wenn Macht und Geld aber die Standardwährung
auch der Kirche geworden ist, bleibt das Wort des Propheten stumpf. (Jahre
nach seinem Tod sollte das Ansehen des Elischa beim König der Frau doch
noch von großem Nutzen sein, als sie - mittlerweile verwitwet - um ihr
Vermögen betrogen wurde und beim König Recht bekomt; 2 Kön
8,6)
- Von daher ist der vielleicht wichtigste Punkt an den Lesungen des heutigen
Sonntags, dass das Gottesvolk eine Gemeinschaft sein sollte, in der wir aufeinander
angewiesen sind. Diese Bedürftigkeit wäre ein prophetisches Zeichen,
das Not tut. Ich sage das insbesondere an die eigene Adresse von uns Priestern
und Ordensleuten. Ich merke das an mir selbst genug, wie schwer es fällt,
auf Gott das Vertrauen zu setzen, wenn ich mich nicht darin übe, auf
die Schwestern und Brüder im Glauben das Vertrauen zu setzen: dass die
Kirche eine Gemeinschaft ist, in der ich Gott erfahren kann in dem Guten,
das Menschen mir tun. Die Ordensgründer Franziskus, Dominikus und auch
Ignatius haben darum gewusst, dass sie arm sein müssen, um Gottes Reichtum
erfahren zu können. Darin sind die Bettelorden wichtig geworden für
die Kirche. Sie könnten es auch heute wieder sein. Amen