Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zur Tunnelabschlussfeier DESY Hamburg 14.6.2012

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14. Juni 2012 - Hamburg/Schenefeld

Predigt zum Abschluss der Tunnelarbeiten für die DESY-Forschungsanlage (European X-Ray Free-Electron Laser Facility) in Hamburg und Schenefeld

1. Aufbruch

  • Aufbruch in's Unbekannte. Ein Nomade aus dem Süden des Irak soll sich auf den langen Weg machen durch Anatolien bis nach Palästina. Mit ihm beginnt die Geschichte des späteren Volkes Israel. Am Anfang steht der Ruf Gottes zum Aufbruch und die Zusage, dass Gott diesen Weg segnet und behütet.
  • Wir können nicht überschätzen, was hier berichtet wird. Nicht nur Israel, der ganzen von der Bibel beeinflussten Kultur über Jahrtausende ist dieser Ruf zum Aufbruch mitgegeben. Das Volk Israel wird aufbrechen aus der Sklaverei, gerufen auf einen Weg durch die Wüste, gesegnet mit der Verheißung, dass Leben in Gerechtigkeit möglich ist.
  • Wir tragen das Erbe dieser biblischen Unruhe in uns, aufzubrechen und Neues zu finden. Das Ziel ist das Gelobte Land. Aber die Erfahrung der Bibel lehrt, dass dieses Land nie schon da ist, sondern dass wir weiter ihm entgegen gehen. Was wir haben und wo wir sind, ist nie, um uns dort einzurichten. Es ist Station auf einem Weg der weiter geht.

2. Evolution

  • Die Bibel zeigt den Gott, der Abraham zum Aufbruch ruft, als den Gott, der alles, was ist, geschaffen hat. Die Signatur des Universums ist der Neubeginn, das Werden, die Evolution. Erst die moderne Naturwissenschaft hat geholfen, das zu verstehen. All zu lange wurde gedacht, Gott habe zwar Abraham zum Aufbruch gerufen, die Welt aber statisch geschaffen. Die Entdeckung der Evolution hat so wesentlich dazu beigetragen, tiefer zu verstehen, die Handschrift des Gottes Israels nicht nur in der Geschichte des Glaubens, sondern auch in seinem Schöpfungswerk zu erkennen.
  • Die Feier heute schaut zurück auf ein großes Werk. Viele Menschen haben mitgewirkt, dass es möglich wurde. Sie haben Schwierigkeiten getrotzt und weiter gemacht. Sie haben jede und jeder auf ihre und seine Weise Anteil gehabt an diesem Aufbruch.
  • Am Beginn hatten wir die Heilige Barbara, die Patronin der Tunnelbauer, um ihren Segen gebeten. Heute dürfen wir dankbar sein, dass es keine zu schweren Unfälle gegeben hat. Ich denke, so etwas ist nur möglich, wenn die Menschen, die hier zusammengearbeitet haben, Respekt vor dem Wert und der Leistung jedes Einzelnen hatten.
    Ich darf heute hier stehen und meinen Respekt ausdrücken, indem ich Ihnen sage: Sie haben mitgewirkt an dem großen Werk der Schöpfung, das nicht in 6 Tagen abgeschlossen war. Vielmehr haben wir Teil am Werden dieser Welt. Wir sind wie Abraham zum Aufbruch Gerufene. Sie haben eine Anlage geschaffen, die in den kommenden Jahren helfen kann tiefer zu verstehen, wie der Kosmos, dessen Teil wir sind, von Gott geschaffen wurde um sich zu entwickeln.

3. Segen

  • Alles bisher Gesagte wäre nicht nur unvollständig, sondern falsch, wenn nicht etwas Wesentliches hinzu gefügt würde. Die Rede Gottes an Abraham, wie wir sie aus der Bibel gehört haben, endet: "In dir sollen gesegnet werden alle Generationen auf Erden". Was wir haben und können, ist uns anvertraut, damit wir Anderen zum Segen sind. Schon in der Berufung des einen Abraham sind die Menschen aller Völker und Generationen im Blick. Die Berufung des Abraham soll allen ein Segen sein.
  • Es war der große Franzose Teilhard de Chardin, der den Blick geöffnet hat für den Zusammenhang zwischen der Evolution der Schöpfung der Berufung des Menschen, durch sein Wirken und seine Wissenschaft an diesem Werk Gottes mitzuwirken. Aber de Chardin war nicht naiv. Er wusste, dass wir das Ziel unseres Lebens verfehlen, wenn wir die Mittel, die uns gegeben sind, nur für uns selbst nutzen und der Fortschritt nur in Egoismus und blinder Bereicherung endet.
  • Der Tunnelbau ist abgeschlossen. Das Bauwerk wird Wissenschaftlern übergeben. An ihnen und an den Politikern ist es nun, dass dies zum Segen wird. Uns Menschen ist viel anvertraut. Wir sind dazu berufen, daraus etwas zu machen: Zum Segen für alle Völker und Generationen. Amen.