Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Ökumenischer Schöpfungstag Hafencity

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3. September 2011 - Ökum. Kapelle Hamburg Hafencity

1. Naive Zukunftspolitik

  • Tausend Jahre müssen atomare Endlager mindestens betrieben werden, um wiederaufbereiteten Atommüll sicher lagern zu können. Für andere Anteile des Atommülls gelten vielfach längere Zeiten. Das ist sehr, sehr lang, und solch ein Lager braucht beständige technische Überwachung.
  • Dies ist nur der Extremfall einer Kultur, für die Zukunft planbar und machbar ist. Hochkomplexe Technik setzt eine funktionierende Infrastruktur voraus. Dass einmal Strom ausfällt und Computer abstürzen, ist nicht vorgesehen; dafür gibt es keinen Stresstest. Tausend Jahre technisch betriebene Endlager, und in Wahrheit reicht das noch nicht einmal. Zum Vergleich sei daran erinnert, dass wir in unserem Teil Europas gerade mal 66 Jahre ohne Krieg leben. Krieg bedeutet zumeist auch, dass Infrastruktur zerstört wird und staatliche Strukturen zerbrechen.
  • Solche Szenarien malen, wie man sagt, den Teufel an die Wand. Man mag, man kann darüber kaum nachdenken. Aber sind das im Zeitalter der Globalisierung nicht genau die Themen, die uns einfallen sollten, wenn wir hören: "Verflucht der starke Mensch, der auf Menschen vertraut, auf schwaches Fleisch sich stützt"?

2. Der Ungerechte bleibt nicht

  • Nichts von dem, was hier über Technik und Zukunft gesagt wurde, hatte der Prophet Jeremia im Sinn. Ihm geht es um soziale Gerechtigkeit, die Voraussetzung dafür ist, dass das Volk Israel leben kann. Deswegen warnt er die Mächtigen, die auf ihre Herrschaftsmittel vertrauen. Jeremia ist überzeugt: Ungerechte Herrschaft spricht sich ihr eigenes Urteil. Das Unheil, das Menschen über andere bringen, lässt Gott auf sie selbst zurück fallen.
  • Dass dies so einfach nicht ist, ist die schmerzhafte Erfahrung vieler Gerechter in Israel. Schmerzhaft erleben sie, dass Menschen, die Unrecht tun, auch noch erfolgreich sind und es sich gut gehen lassen. Es braucht das geballte Vertrauen in die Gerechtigkeit Gottes, um darüber nicht mutlos zu werden. Auf Dauer, und sei es im letzten großen Gericht, werden die nicht obsiegen, die auf Kosten anderer auf Macht und Gewalt vertraut haben.
  • Der Prophet lässt Gott selbst das Wort der Ermutigung sprechen an all die, die einen anderen Weg versuchen. "Ich, der HERR, erforsche das Herz und prüfe die Nieren". Gott selbst spricht seine Verheißung: "Gesegnet der starke Mann, der [dennoch] auf den HERRN sich verlässt

und dessen Hoffnung der HERR ist."

3. Quell der Zukunft

  • Ich denke nicht, dass es in den großen Fragen der Zukunft spezifisch biblische oder christliche Werte gibt. Die gesellschaftlichen Debatten um Atomkraft, technische Großprojekte und soziale Gerechtigkeit sollten mit den Mitteln des Argumentes und der Vernunft in der säkularen Gesellschaft geführt werden. Das Spezifische des biblischen Glaubens ist etwas anderes. Es ist das Vertrauen in die Zukunft, wo diese nicht allein auf eigene Macht und Größe setzt.
  • Den Anschluss an den Abschnitt aus Jeremia, den wir als Lesung gehört haben, bildet die Erinnerung an das Sabbatgebot. Das ist kein Zufall. Denn im Sabbat übt sich das Volk Israel ein, nicht immer alles zu schaffen und zu machen. Der Sabbat ist die Unterbrechung, der Tag über den nicht der Mensch, sondern Gott allein verfügen sollte. Der Sabbat ist ein Tag des Aufatmens, gerade für die Armen im Land. Das Bild von Gott, als "Quell lebendigen Wassers" inmitten wüstentrockener Ebene, kann hier erlebt werden.
  • Christen sind leicht versucht, den Sabbat zu vergessen; dabei ist er bleibendes Gebot. Wenn in der christlichen Tradition schon früh der Sabbat, dem letzten Tag der Woche, auf den Sonntag, den biblischen Tag der Woche, verlegt wurde, dann sollte das die Bedeutung des Sabbats nicht abschwächen. Vielmehr kommt hier eine neue Ausrichtung zum Ausdruck: nach vorne, in eine von Gott geschenkte Zukunft. Sie hat begonnen mit dem, der am Karfreitag gekreuzigt wurde. Am ersten Tag der Woche aber ist in ihm das Leben neu erstanden. Mit Jeremia sind Christen skeptisch gegenüber einem Zukunftsoptimismus, der meint alles machen und beherrschen zu können. Sie sind aber zutiefst optimistisch, weil ihnen die Auferstehung des Gekreuzigten belegt, wer allein Herr ist über die Zukunft: Gott, der "Quell lebendigen Wassers". Amen