Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 11. Sonntag im Lesejahr C 2013 (Galaterbrief)

Zurück zur Übersicht von: 11. Sonntag Lesejahr C

16. Juni 2013 - Hamburg

1. Reflexion auf die Erfahrung

  • Eine erste Frage an die eigene Lebenspraxis: Wann habe ich zuletzt mit anderen "Mahl gehalten", in dem Sinne, dass wir verabredet waren und zusammen länger zu einem Essen bei einander saßen. Manche - auch unter uns - sind einsam, so dass das nicht so häufig vorkommt, aber bei manchen, auch in Familien, ist in Zeiten von Fastfood einfach die Kultur des gemeinsamen Mahles selten geworden. Erinnern Sie sich also an Ihr letztes echtes gemeinsames Mahl?
  • Die zweite Frage bitte auch ohne alle Bewertung, ganz sachlich: Mit wem esse ich am ehesten zusammen? Bei den meisten wird das in dieser Reihenfolge am häufigsten sein: Familie, Freunde, Geschäftspartner. Wie ist es bei Ihnen?
  • Und eine dritte und letzte Frage: Erinnern Sie sich an ein Essen, bei dem Sie mit jemand am Tisch saßen, mit dem Sie es eigentlich nie wollten? Vielleicht ist das bei Ihnen ja noch nie vorgekommen, dann stellen Sie sich die Frage einfach im Konjunktiv: Wie wäre es und was ginge Ihnen durch den Kopf, wenn Sie mit jemanden bei einer Mahlzeit zusammen wären, mit dem oder der Sie eigentlich so nicht zusammen kommen wollten?

2. Zum Mahle gerecht gemacht

  • Diese drei Fragen helfen hoffentlich, die heutigen Bibeltexte auf dem Hintergrund eigener Erfahrung zu verstehen. Denn fast immer geht es in der Bibel darum, dass Gemeinschaft zustande kommt und gelingt und fast immer kommt diese Gemeinschaft durch ein Mahl zustande, wird dadurch vertieft und darin gefeiert. Auch die Gemeinschaft Gottes mit den Menschen ist biblisch ohne gemeinsames Mahl nicht denkbar. Deswegen werden wir die Heilige Schrift besser verstehen, wenn wir darauf schauen, was gemeinsames Mahl jeweils für uns selbst bedeutet.
  • Im Hintergrund der Lesung aus dem Galaterbrief steht die Auseinandersetzung darüber, was eigentlich für das gemeinsame Mahl von Christen Voraussetzung sei. Wir befinden uns gerade mal 20 Jahre nach Jesu Tod. Die junge Kirche muss zu solchen Fragen erst Erfahrungen sammeln. Ganz sicher ist, dass Gott nicht vorschnell "Sünder" und "Gerechte" trennt; sicher ist aber auch, dass es ein Bund ist, zu dem Gott einlädt und dass das Hineingehen in diesen Bund ein Weg ist.
    Manche meinen nun, die Gebote und Zeichen des Bundes Gottes mit Israel seien auch für solche Christen Voraussetzung, die aus anderen Völkern stammen; man müsse sozusagen, wenn man nicht von Geburt dazu gehört, erst durch Beschneidung Jude werden, bevor man mit anderen Christen echte Gemeinschaft haben könne. Und hinter dem Symbol der Beschneidung steht das ganze Gesetz des Mose, nicht nur die rituellen Regeln, sondern auch die Gebote für das soziale Zusammenleben in Gerechtigkeit.
  • Paulus hält hier dagegen. Denn auch die Christen, die wie er selbst oder Petrus aus dem Judentum kommen und daher an diese Gebote gebunden sind, verstoßen doch immer wieder gegen die Gebote der Gerechtigkeit und Liebe. Die Gebote und Regeln könnten daher doch schlecht die Grundlage für Gemeinschaft und Tischgemeinschaft sein. Uns Christen, meint Paulus, trennt nicht, dass manche von uns Juden sind und andere aus anderen Völkern kommen. Uns Christen trennt noch nicht einmal, dass manche von uns schuldig geworden sind - das verbindet uns schon eher, weil keiner von uns ohne Schuld ist. Weil aber Schuld - kurz gesagt - das ist, was Gemeinschaft eigentlich zerstört, verbindet uns nur das eine: Dass Christus uns trotzdem zusammen geführt hat, Sünder, die wir sind.

3.Vergebung im Glauben erfahren

  • Wem das zu abstrakt ist, der kann das ganz praktisch am heutigen Evangelium ablesen. Hier wird geschildert, dass Jesus bei einem gewissen Simon zum Essen ist, und sich eine stadtbekannte Prostituierte dazudrängelt. Aus nachvollziehbaren Gründen gehört die Frau eigentlich nicht dazu (und ich will gar nicht mutmaßen, dass Simon zu ihren Kunden gehört hat).
  • Die Frau hat mit jedem von uns gemeinsam, dass sie offenbar Jesus noch nie begegnet war. Aber das, was jedem von uns möglich ist, war auch ihr möglich. Sie hat davon erfahren, dass in Jesus Gottes Barmherzigkeit und Gottes 'Versöhnlichkeit' für jeden im Volk konkret wird, auch für sie.
    Da wird die Glaubensdynamik in Gang gesetzt: Gott glaubt an den Menschen und durch Jesus wird das offenbar: Egal, was jemand getan hat: Dem, der umkehrt, geht Gott immer entgegen, um sich mit ihm zu versöhnen. Dieses Vertrauen Gottes in den Menschen beantwortet diese Frau durch ihr Vertrauen in Gott, legt ihr Erspartes zusammen, kauft davon das Salböl, um in einer eindrucksvollen Geste ihren Glauben auszudrücken. Jesus bleibt nur noch, dem entsetzten Gastgeber Simon die Szene zu erklären und den Glauben der Frau zu bestätigen: "Deine Sünden sind dir vergeben.... Dein Glaube hat dich gerettet."
  • So also wird Gemeinschaft möglich. So kommt die Gästeliste zustande: durch die Dynamik des Glaubens. Gott traut uns und wir trauen Gott. Nicht jeder ist zu Tisch geladen, wohl aber jeder, der im Vertrauen auf Gottes Liebe neu anfangen möchte. Daher sprechen wir in der Hl. Messe miteinander das Schuldbekenntnis, um miteinander als Kirche Christi das Mahl zu halten - gerecht gemacht durch Glauben. Amen.