Predigten von P. Martin Löwenstein SJ

Predigt zum 10. Sonntag im Lesejahr C 2007 (Lukas)

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10. Juni 2007 - Universitätsgottesdienst St. Ignatius, Frankfurt/Main

1. Dem Tod entgegentreten

Der Zug des Lebens stellt sich dem Zug des Todes entgegen. So wäre die Szene aus dem heutigen Evangelium zu beschreiben. Jesus kommt mit seinen Jüngern und, wie es heißt, "einer großen Menge" in die Nähe der Stadt Naïn. Da kommt ihn eine andere "beachtliche Menge" entgegen. Diese schafft gerade einen Leichnam aus der Stadt heraus, den jungen Sohn, den einzigen, einer Frau, die schon ihren Mann verloren hatte und jetzt völlig mittellos ist. Heraus aus Naïn kommt der Zug des Todes. Ihm stellt sich entgegen Jesus, der Herr, und mit ihm der Zug des Lebens.

Jesus sieht die Frau und hat Mitleid. Es bewegt ihn in seinem Innersten. Immer schon sind es die Witwen und Waisen, die ausweislich der Bibel unter Gottes besonderem Schutz stehen, denn sie waren die Mittellosen und vielfach Perspektivlosen in der antiken Gesellschaft. Eine Witwe musste damit rechnen, zu Bettlerin und obdachlos zu werden, wenn auch noch ihr einziger Sohn frühzeitig stirbt. Jesus sieht die Frau und hat Mitleid.

So stellt er sich der Totenbahre entgegen und bringt den Zug des Todes zum Stehen. Mit einem Befehl spricht Jesus den jungen Mann an, der schon für immer verstummt schien. Der Befehl Jesu richtet ihn auf und gibt ihm die Sprache zurück. Dann führt ihn Jesus zu der Frau, um derentwillen er den Toten erweckt hat. Und über die Reaktion der vielen Leute die dabei waren, notiert Lukas, sie haben gerufen: "Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten" und "Gott hat sich seines Volkes angenommen".

2. Klare Worte

Klare Worte liegen im Trend. Es ist auffällig, dass gerade bei jüngeren Leuten heute die Zustimmung überwiegt, wenn man nicht mit vielen "Vielleichts" und "Man könnte mal" formuliert, sondern klare, eindeutige Positionen bezieht. Eine Kirchenleitung, die Farbe bekennt und sich nicht um harte Forderungen herumdrückt, findet bei Christen unter 40 heute mehr Beifall denn Ablehnung.

Man stelle sich vor, wie sich die Jünger gefühlt haben. Sie gehören zum einen Herrn, der den vielen Herren ins Angesicht sagt, was zu sagen ist. Er führt den Zug an, der sich dem Zug des Todes entgegenstellt. Er fragt nicht lange: "Junger Mann, sollte es dir gelegen kommen, dann würde es mich freuen, wenn du aufstehst". Jesus befiehlt: "Steh auf!"

In der Tat liegt hier der Unterschied zum Propheten Elija, von dem uns die erste Lesung berichtet. Dessen Erweckung des Sohnes der Witwe wirkt geradezu umständlich. Vor allem aber befiehlt Elija nicht, er bittet Gott darum, das Kind ins Leben zurück zu rufen. Jesus dagegen spricht mit der Autorität Gottes, der jeden Menschen ins Leben gerufen hat. Die Menschenmenge meint, hier sei nur ein "großer Prophet" am Werke. Die Jünger nehmen sehr genau wahr, dass hier mehr geschieht. Schließlich ist Jesus ihr Held.

3. Das Leben drangeben

In der Tat spricht Jesus klare Worte. In der Tat spricht Jesus mit göttlicher Vollmacht. Man könnte das ja auch arrogant finden. man müsste es sogar größenwahnsinnig nennen. Es sei denn, dass Jesus der eine Mensch ist, in dem tatsächlich Gott spricht und nicht ein Spinner. Die Jünger dürften Jesus nicht für einen Spinner gehalten haben. Also haben sie zumindest schon gespürt, was auch wir von Jesus bekennen. In ihm ist Gott gegenwärtig. Ganz sicher haben die Jünger aber zu dem Zeitpunk noch nicht verstanden, was das bedeutet.

Die Erweckung des jungen Mannes ist beides: Spontane Barmherzigkeit mit dieser Witwe, denn Gott ist barmherzig und nimmt sich der Witwen an. Deswegen befiehlt er dem Toten. Zugleich ist das Ereignis aber auch ein Zeichen, das über den konkreten Vorfall hinaus weist. Denn der junge Mann wird 'einfach nur' zurück gerufen in das Leben, das er durch Unfall oder Krankheit verlassen hat. Er hat wieder Gemeinschaft mit seiner Mutter und den Leuten in seiner Stadt, die ihn schon begraben wollten. Aber er kehrt eben in dieses Leben zurück. Woran er sein Leben ausrichtet, muss er wieder selbst entscheiden. Das Zeichen aber , das Jesus an ihm tut, verweist auf die weitaus grundlegendere Barmherzigkeit Gottes, der denen, die ihn lieben, das Leben gibt, das kein Tod mehr nehmen kann.

Dies tut Gott nicht einfach durch "klare Worte" und "entschiedene Maßnahmen". Entgegen dem, was sich damals wie heute treue Jünger erwarten, erzwingt Gott seinen Willen nicht handstreichartig. Gott will uns zum Leben rufen. Aber er respektiert uns, die er als freie, zur Liebe fähige Menschen erschaffen hat. Er geht selbst den Weg in den Tod, um alle einzuladen, sich der Barmherzigkeit Gottes zu öffnen und mit ihm zum Leben zu gehen. Als Christen haben wir in der Taufe diese Einladung angenommen. Als Christen sollten wir auch wissen, was der Weg Gottes zum Leben ist. Nicht noch so klare Weisungen eines Papstes oder Predigers können darüber hinwegtäuschen, was der Weg Jesu ist. Er gibt sein eigenes Leben dran. Sein Vertrauen in Gottes Barmherzigkeit ist größer als die Furcht vor Tod und Schande. So stellt er sich dem Zug des Todes entgegen. Amen.