Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr C 2015 (1 Thessalonicher)
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29. November 2015 - Kleiner Michel (St. Ansgar), Hamburg
Der typische Vorweihnachtsfilm "Alle Jahre wieder - Weihnachten mit den Coopers" (2015, Original: "Love the Coopers") überrascht einerseits mit der Ernsthaftigkeit, mit der er sich trotz allem Humor den Charakteren nähert. Vor allem aber schafft er es, in einer eigentlich heillosen Situation doch so etwas wie Heil aufscheinen zu lassen. Obwohl er völlig säkular ist und Familie der einzige höhere - wenn auch kaum erreichbare - Wert darstellt, ist er in seiner Grundidee zutiefst jüdisch geprägt: Es ist letztlich immer wieder die Erinnerung, und seien es nur Splitter, an ein Heilsgeschichten der Vorzeit, die der Gegenwart zu einer Chance verhelfen. Nur das messianische fällt völlig aus. Ein christlicher Pseudo-Schwiegersohn, der auf die Idee kommt vor der Weihnachtstafel beten zu wollen, macht sich mit einem realitätsblinden Idealismus dagegen lächerlich. |
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1. Doppelter Advent
- Advent ist ein Zugehen-Auf. Hört man auf die Texte im heutigen Gottesdienst, die biblischen Lesungen und die Gebete, dann gehen wir auf eine Zukunft zu. Aber irgendwie steckt darin auch ein Zugehen auf die Vergangenheit.
- Fast unvermeidlich gehen die meisten von uns auf ein Weihnachten zu, da s von der Vergangenheit her gefüllt ist mit Erfahrungen und Erinnerungen. Da sind schöne Erinnerungen und unschöne, verklärte Erinnerungen und solche, die auch noch auf die Gegenwart ihren Schatten werfen. Und so gehen wir dann mit jedem Tag nach vorne auf Weihnachten zu, auch auf diese Vergangenheit zu, ob wir es wollen oder nicht.
- Diese merkwürdige Zeiterfahrung spiegelt sich in dem, was man den 'doppelten Advent' nennt: das zweifache Kommen des Messias. Das in der Vergangenheit liegenden Kommen des Messias im Stall von Betlehem feiern wir dennoch als Gegenwart: Hier, in der Heiligen Messe wird Gott Mensch unter uns und schenkt sich in seinem irdischen Leib. Das in der Zukunft erwartete Kommen des Messias, wenn diese Welt und ihre Ordnung zerfällt, sei es im individuellen Tod, sei es im kosmischen Ereignis, dem Ende der Welt, feiern wir als ein Kommen, das jetzt schon erfahrbar ist. Die Zukunft ist ein Kommen dessen, auf den wir als Christen vertrauen.
2. Splitter der Vergangenheit
- Weil Zukunft immer unsicher bleibt, entfaltet die Vergangenheit Gewicht. Sogar nur einzelne Splitter der Vergangenheit können die Gegenwart bestimmen.
- Für manche sind dies Splitter die Traumata erlittener Gewalt. Ein Erlebnis, das fern zurück liegen mag, in der Kindheit gar, und das doch alles bestimmt. Oder Erlebnisse wie die, die viele Flüchtlinge mitbringen, die das Grauen von Terror und Krieg in ihrer Heimat und den Tod als ständigen Begleiter auf der Flucht erlebt haben. Sie können nur ringen und kämpfen und auf die Hilfe ihrer Mitmenschen hoffen, damit diese Schatten nicht alles sind.
- Aber auch für viele von ihnen und die meisten Menschen überhaupt sind es die anderen, Splitter der Vergangenheit, die guten Erinnerungen, die es möglich machen, in der Gegenwart zu leben. Gerade dort, wo eine Partnerschaft oder die Familiengemeinschaft nicht einfach nur leicht fällt, können solche Erinnerungen das entscheidende kleine Stück sein, das hilft, einer Beziehung auch in der Gegenwart und Zukunft eine Chance zu geben. Vielleicht sind da nicht wenige Familien, die an Weihnachten trotz allem zusammen kommen: Sie wissen, dass die bevorstehende Begegnung das Ungenügen der Gegenwart in aller Härte zu Tage fördern wird. Und doch lassen sie sich tragen von der Hoffnung, die aus guten Erfahrungen von früher wächst, seien es auch nur vereinzelte Splitter. - Ist nicht die Bibel, vor allem auch das Alte Testament, ein Bewahren solcher Erinnerung?
3. Zugehen auf die Zukunft
- Doch Advent ist immer ein Zugehen auf die Zukunft. - Gerade dort, wo Christen ganz genau wussten, wie bedrohlich die Zukunft ist, haben sie die Erfahrung gemacht, welche erstaunliche Wirkung das Vertrauen und der Glauben haben können, wenn wir im Blick zurück entdecken, dass Gott uns in die Zukunft hinein sendet. Die Glaubens-Erfahrung, des Ankommens der Zukunft Gottes verändert das Leben hier und jetzt.
- Als zweite Lesung haben wir heute aus dem wohl ältesten christlichen Text überhaupt gehört, dem Brief, den Paulus an die christliche Gemeinde in Thessaloniki geschrieben hat. Darin entfaltet er die christliche Zukunftshoffnung: Aus der Zukunft kommt uns Christus entgegen. Gott hat ihn, den Auferstandenen, zum Herrn der Geschichte erhoben. Gott hat sich damit das entscheidende letzte Wort über seine Schöpfung vorbehalten. Ein Wort, das für alle gilt, die dieser Zukunft vertrauen.
- Dann steht über der Unsicherheit über die Zukunft etwas, das stärker ist, als alles andere: das Vertrauen. Und dieses Vertrauen in die Zukunft lässt in der Gegenwart wachsen. "Der Herr lasse euch wachsen und reich werden in der Liebe zueinander und zu allen". Das ist die Perspektive für den Advent: Eine Zeit des Wachstums. Und auch wenn es nur kleine Schritte sind: Entscheidend ist die Richtung - hin auf den, der uns entgegen geht. Amen.