Predigt 1. Adventssonntag Lesejahr B 2005 (Markus)
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27. November 2005 - St. Cyriakus, Habitzheim
1. Jesus
- Es sind vier Jünger, zu denen Jesus im heutigen Evangelium spricht,
Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas (Mk 13,3). Jesus vertraut sein Wort
diesen Aposteln an. In der Fassung, in der uns das Markusevangelium diese
Rede im 13. Kapitel überliefert, finden sich jedoch zwei ganz auffällige
Wendungen: Einmal streut Markus die Aufforderung ein "der Leser begreife!"
(Mk 13,14); und der heutige Abschnitt endet auffällig mit dem Wort Jesu:
"Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!"
- Über das Ende sollen wir also nur mit Bedacht lesen. Deswegen wurde
es nur den vieren anvertraut. Wir aber sollen davon sprechen, denn Jesus sagt
es allen Christen. Ja, im Markusevangelium ganz einmalig, wendet sich der
Evangelist an Leser (nicht Zuhörer) und fordert die Leser auf, zu begreifen,
zu verstehen, es in sein eigenes Denken aufzunehmen (im Original steht der
imperativ "noeitó"). Die Gräuel der Zeit sollen
wir verstehen und wachsam sein.
- Das 13. Kapitel bei Markus besteht aus zwei Teilen. Im ersten spricht Jesus
über die Erfahrung von Not, Bürgerkrieg, Naturkatastrophen und Verwüstung.
Das haben auch viele andere Prediger der damaligen Zeit getan. Jesus aber
will nicht die Neugier befriedigen, ob dieses Unheil oder jene Katastrophe
das Ende der Zeit bedeuten mögen. Er fordert dazu auf, im eigenen Leben
Konsequenzen zu ziehen. Denn alles Unheil ist nicht das Ende der Welt. Davon
spricht erst der zweite Teil, den wir heute gehört haben. Das Ende ist
das Kommen Christi in Herrlichkeit. Und hier gilt: "Seid wachsam".
2. Markus
- Schauen wir erst einmal, was das Evangelium damals bedeutet hat. Denn wenn
aus der Rede Jesu an die vier ganz bewusst eine Schrift an die ganze Gemeinde
geworden ist, dann bedeutet das doch, dass dieses Evangelium ganz besonders
aus der jeweiligen Zeit heraus verstanden werden muss.
- Ganz konkret müssen wir sehen, dass die Gemeinde des Markus im Jahr
64 oder 65, in dem er seine Sammlung als Evangelium veröffentlicht hat,
diese schon aus erster Hand von den Aposteln das Evangelium kannte. Nun bekommen
sie eine schriftliche Form. Da sie die Jesusüberlieferung mündlich
oder schriftlich kannten, merken sie, dass Markus die Rede Jesu aktualisiert
hat.
- Die Bedrängnis, die Markus schildert, ist ihre Situation. Die Deutung,
die er der Erfahrung gibt, ist die Botschaft Jesu. Die Wirklichkeit wird in
ihrer erschreckenden Bedrängnis wahrgenommen. Aber Jesus setzt sich von
allen anderen Endzeitpredigern und Orakeldeutern ab. Das Ende der Welt wird
unverwechselbar und umfassend sein. Christus selbst wird kommen und diesmal
in Herrlichkeit. Bis da hin sollen wir, seine Kirche, wachsam sein und weder
in der Angst vor den Bedrängnissen noch in sonst einem Alltagsgeschäft
aufgehen.
3. Wir
- Wir dürfen, ja sollen also unsere Erfahrung in das Evangelium hineintragen.
Wie aber das möglich ist, ohne dass die Botschaft Jesu verloren geht,
können wir von Markus lernen. Es ist nicht das vorschnelle Ende der Geschichte;
alle Geheimtheorien pseudospiritueller Art sind Jesus fremd. Es ist aber auch
nicht die Beruhigung, dass alles immer so weiter geht wie bisher.
- Als Christen brauchen wir im Alltag nicht auf- und nicht untergehen. Weder
braucht es uns zu schrecken, wenn Klimakatastrophen, Terrorismus, Große
Koalitionen oder sonstige Schreckgespenster dazu herhalten sollen, den nüchternen
Sinn dafür zu vernebeln, welche Auftrag uns Christus hinterlassen hat.
Noch erschöpft sich für uns das Leben in belangloser Alltagsroutine.
Auch diese Lebensrealität dürfen wir in das Evangelium hineintragen,
und Jesu Wort hören: "Himmel und Erde werden vergehen, aber
meine Worte werden nicht vergehen".
- Die Botschaft Jesu lautet: "Seid wachsam!" Damit will
er uns nicht den Nachtschlaf vermiesen, wohl aber die Tagträumerei. Wachsam
sein, bedeutet sich darin zu üben, mit wachen Augen Gottes Gegenwart
in unserem eigenen Leben nachzuspüren und die Zeichen der Zeit zu erkennen.
Wachsam sein bedeutet, so zu leben, dass jeden Tag nicht nur mein eigener
Tod, sondern auch das Ende aller Ordnung kommen könnte, und wir nicht
bereuen müssten, was wir aus diesem heutigen Tag gemacht haben. Das heißt
es Advent zu feiern, wachsam zu sein für die Ankunft des Herrn Amen.