Predigt zum 25. Sonntag im Lesejahr B 2021 (Jakobusbrief)
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19. September 2021 - St. Peter, Sinzig/Rhein
1. Kreuz
- Das Kreuz versteht niemand so leicht. Die Evangelien berichten, dass die engsten Freunde Jesu nichts verstanden bevor es tatsächlich geschehen war. Er versuchte, mit ihnen über seinen bevorstehenden Tod in Jerusalem zu sprechen. Erst im Rückblick sie zu verstehen.
- Jesus selbst ist das immer deutlicher geworden, dass er immer wieder den Lauf der Dinge gesehen, aber auch aus dem immer neu die Hl. Schrift durch-betet hat – sicher auch der Jesaja-Texte aus der heutigen Ersten Lesung –. Doch Jesus blieb dabei einsam. Seine Jünger verstanden ihn nicht. Erst, nachdem sie es erlebt hatten, nachdem sie selbst daran gescheitert und selbst daran gewachsen waren, verstehen sie.
- Der Glauben an das Heil, das im Kreuz liegt, ist also keine intellektuelle Sache des Verstehens. Wir müssen – wie Jesus – darüber nachdenken, wach für die Ereignisse unseres Lebens. Und wir müssen – wie hier im Gottesdienst – mit den biblischen Texten beten. Nur so wächst eine innere Haltung und eine Lebenspraxis, die es ermöglicht, im Verstehen zu wachsen. Nur so kommen wir Christus näher, werden Christen. – In diesem Sinn will ich das heutige Stück aus dem Jakobusbrief lesen; er könnte einer der ältesten Texte des Neuen Testamentes sein.
2. Weisheit
„Wo Eifersucht und Streit herrschen, da gibt es Unordnung und böse Taten jeder Art. Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedfertig, freundlich, gehorsam, reich an Erbarmen und guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht.“
- Auch unter Christen gibt es Streit und böse Taten. Nie gab es eine heile Zeit ohne Sünde, ohne „Eifersucht und Streit“, „Unordnung und böse Taten jeder Art“. Aber woher rührt der Krieg unter den Menschen? Wo ist die Wurzel?
- Der Jakobusbrief stellt den Krieg die „Weisheit von oben“ gegenüber. Paulus wird das später pointiert ausarbeiten: Die „Weisheit von unten“ denkt in Kategorien des „größer“ und „mächtiger“. Sie vergleicht sich mit anderen und auf Kosten anderer. Sie sucht den ersten Platz. Sie sucht gut dazustehen: Ansehen, Anerkennung, Meinungsführerschaft, Einfluss.
- All das hat das Kreuz nicht zu bieten. Mit dem Kreuz verzichtet Gott auf dieses „größer“ nach menschlicher Weisheit. Gott ist größer, weil er ganz er selber ist, sich seiner gewiss. Deswegen konnte Jesus, je näher er Jerusalem kam, zu seinem Weg stehen, weil er gerade in seiner Angst und Schwäche Gott spürte, der ihm nahe ist. Heucheln muss nur, wer versucht gut dazustehen. Friedfertig kann bleiben, wer sich nicht verteidigen muss, weil er seines Gottes gewiss ist. Immer und immer wieder im Angesicht des Kreuzes zu leben, hilft die Welt und das eigene Leben von diesem Punkt aus zu sehen – und zu schätzen.
3. Bitten
„Ihr erhaltet nichts, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und empfangt doch nichts, weil ihr in böser Absicht bittet, um es in euren Leidenschaften zu verschwenden.“
- Die dazugehörige Praxis ist die Kunst des Bittens. – Wer andere bittet gesteht ein, dass er Hilfe braucht. Wer bittet (und nicht fordert!), liefert sich einem anderen aus, macht sich abhängig. Das ist eine Position, die die Weisheit der Welt meidet wie der Teufel das Weihwasser. Kinder sind in diesem Sinne bedürftig (auch wenn sie das Bitten erst lernen müssen).
- Es gibt auch ein falsches Bitten. Da ist das Schnorren, das Parasiten-Bitten, das auf Kosten anderer leben will. Hier wird das Bitten pervertiert, weil es den anderen manipuliert, ihn sich nutzbar macht. Was wir auf diese Weise erhalten, macht uns nicht dankbar. Es macht uns stolz – weil wir es dem anderen abluchsen konnten – und zugleich bitter aus demselben Grund, eben weil wir es von anderen bekommen mussten.
- Das Kreuz ist letzte Abhängigkeit, und zwar von Gott. Am Kreuz bleibt Jesus nichts, als die Bitte zu Abba, seinem Vater. Kreuz ist letzte, existenzielle Bitte. Letzte Abhängigkeit. Aber zugleich unendlich wertvoll. Denn im Alltag, dieses Kreuz zu leben, kann als Frucht die Dankbarkeit zeitigen. Dankbar für das Leben, dankbar für die Gaben, dankbar für die Begegnungen, das Viele, in dem Menschen für mich da sind, oft genug sogar ohne, dass ich meine Bitte aussprechen muss. Amen.